Salzstürme bedrohen Gesundheit und Landwirtschaft
Wie ein Geisterschiff steht das ehemalige Ausflugsschiff Noah’s Arc – heruntergekommen und einsam – auf dem mit einer Salzkruste überzogenen ehemaligen Seegrund. Tausende Quadratkilometer des Urmiasees im Nordwesten des Iran sind heute ausgetrocknet. Ursprünglich zehnfach so groß wie der Bodensee, ist er auf 80 Prozent seiner ursprünglichen Fläche geschrumpft. Solche stillen Überreste, die an die Zeit vor 25 Jahren erinnern als noch der Tourismus in der Region florierte, sehen Robert Gonda und Sebastian Transiskus immer wieder. Die beiden Humangeographen vom Lehrstuhl für Humangeographie und Transformationsforschung reisen von Augsburg aus in den Iran, um zu erforschen, wie sich diese gravierende Veränderung auf die Region, die Natur und die Menschen auswirkt und wie diese versuchen, sich damit zu arrangieren. In den letzten drei Jahrzehnten nahmen die Niederschläge signifikant ab, während die Temperaturen anstiegen sowie Dürrephasen vermehrt auftraten. „Im wissenschaftlichen Diskurs herrscht jedoch nahezu Einigkeit darüber, dass in erster Linie die Eingriffe des Menschen zum Umweltdesaster geführt haben“, sagt Gonda. So wurden rund 50 Staudämme im Einzugsgebiet des Urmiasees errichtet, um das angestaute Wasser für die Landwirtschaft nutzbar zu machen und somit eine rapid wachsende Bevölkerung zu ernähren. Die steigende Anzahl an Stauseen erhöht allerdings die verdunstende Wassermenge, die somit den Urmiasee über die Zuflüsse nicht mehr erreicht. „Große Seen sorgen für ein gemäßigtes Klima. Der Region fehlt der große Wasserkörper, der die Wärme im Sommer speichert und sie im Verlauf des Winters wieder abgibt“, erklärt Gonda. Größere Temperaturschwankungen, weniger Regen, längere Trockenzeiten und steigender Salzgehalt im See sind weitere Folgen. Der Rückgang des einstmaligen Seegebiets hat ein trostloses, trockenes, salzbedecktes Seebett hinterlassen. Verstärkt treten salzhaltige Staubstürme auf, die durch Salzablagerungen auf Ackerböden und Salzpartikel in der Luft das umliegende Ackerland schädigen, die Viehzucht gefährden und für die Menschen eine stärkere Belastung durch Atemwegserkrankungen bedeuten. Die Erträge aus der Landwirtschaft – die wichtigste Einnahme für die Bevölkerung vor Ort – gehen zurück. Für viele ist der einzige Ausweg, ihre Heimat zu verlassen. Gerade junge Menschen ziehen weg. Diese „Umweltmigration“, wie sie Sebastian Transiskus nennt, schwächt die Infrastruktur. Dörfer sterben aus, Busverbindungen werden eingestellt, die Gesundheitsstationen und Schulen werden geschlossen. Er untersucht, warum Menschen beabsichtigen, die Region zu verlassen: Wer geht, wer bleibt? Wie passen sich die Leute vor Ort an? Welche Konsequenzen ergeben sich durch die Abwanderung? „Die Weggezogenen unterstützen aber auch die Zurückgebliebenen finanziell“, fügt der Forscher hinzu. Aber auch die, die bleiben, passen sich an. Kleinbauern stellen auf Viehzucht oder auf Pflanzen um, die weniger Wasser benötigen wie Pistazien oder Nüsse. Die Bewässerung so zu modernisieren, dass weniger Wasser benötigt wird, Wasserspeicher für Regenwasser sowie Investitionen der Regierung in Düngemittel sind weitere Ansätze. „All das muss man sich aber auch leisten können“, sagt Transiskus. „Das ist eher für Großbauern möglich, die einfachen Bauern auf dem Land profitieren nicht so stark. Sie sind teilweise misstrauisch, weil eine Maßnahme im ersten Jahr nicht gleich klappt oder sie ihre bisherigen Arbeitsweisen ungern umstellen“. Die jungen Wissenschaftler reisen für ihre Forschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, regelmäßig in den Iran und haben dafür Persisch gelernt. Diese Sprachkenntnisse helfen ihnen, sich im Iran zurechtzufinden, bei ihren Arbeiten werden sie dennoch von einer Dolmetscherin und einem Fahrer begleitet, weil die lokale Bevölkerung mehrheitlich einen türkischen Dialekt spricht. Die Geographen werden von der Universität Urmia – in der größten Stadt in der Region – deren Name „Stadt am Wasser“ bedeutet sowie der Regionalregierung unterstützt. Auffällig sei, dass die Stimmung gerade bei der ländlichen Bevölkerung nicht von Resignation geprägt ist. „Alle helfen zusammen, um in der ausweglosen Situation das Beste daraus zu machen. Die Leute sind unfassbar nett zu uns. Wir werden immer auf ein Glas Tee eingeladen und sehr herzlich empfangen“, sagt Transiskus. Ein Gegensatz zum tristen, kargen Anblick des ausgetrockneten Sees.
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Eine Folge: Salzstürme
Umweltmigration – wer geht, wer bleibt?
Aber warum bleiben Leute zurück? Als Gründe geben sie an, dass sie gerne dort sind und alles haben, was sie benötigen und – mit 40 Prozent die häufigste Antwort – , weil sie kein Geld haben, um an einen anderen Ort zu ziehen.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die arme ländliche Bevölkerung große Schwierigkeiten bei der Anpassung hat. Sie ist auf Ressourcen wie sauberes Trinkwasser, Wasser für Bewässerungszwecke, gesunde Luft und fruchtbare Böden angewiesen, deren Verfügbarkeit immer weiter zurückgeht. Migration als Anpassungsstrategie spielt eine wichtige Rolle in der Region.Wie Menschen sich anpassen
Robert Gonda fokussiert sich bei seinen Forschungen auf die Wasserwirtschaft: Welche Gemeinden leiden am meisten unter Wasserknappheit, welche haben Wasserreichtum und wie spiegelt sich dies in der Wasserwirtschaft wider? Wie beeinflussen Regulierungen und staatliche Fördermaßnahmen die Wasserwirtschaft der lokalen Gemeinschaften und die individuelle Wassernutzung? Um diese Fragen zu beantworten, besuchte er mit einer Dolmetscherin rund 40 Dörfer in der Nähe des Urmiasees und befragte die Betroffenen. Weitere Gespräche mit der ländlichen Bevölkerung, Experten, Landwirten, Vertretern offizieller Wasserbehörden, Kanalwächtern und Dorfältesten folgen noch.Forschen im Iran
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