Kleines Fach mit großem Potential
Dr. Annett Martini ist in diesem Semester Gastprofessorin für „Jüdische Kulturgeschichte“ an der Universität Augsburg
Augsburg/MR – Im Wintersemester 2020/21 übernimmt die Berliner Privatdozentin Dr. Annett Martini die Gastprofessur für Jüdische Kulturgeschichte. Als Spezialistin für jüdische Kulturgeschichte im Mittelalter arbeitet Annett Martini mit handgeschriebenen Texten - die Thora, die fünf Bücher Mose, müssen für den jüdischen Gebrauch bis heute in speziellen Ritualen mit der Hand aufgeschrieben werden. Martini wird im Zuge ihres Gastaufenthaltes an der Universität Augsburg forschen, lehren und möchte das kleine Fach Judaistik/Jüdische Studien in der Öffentlichkeit sichtbar machen. Wenn die geplanten Angebote in der Stadt und der Universität auch nicht in dem Umfang umgesetzt werden können, in dem sie vorgesehen waren, so wird es doch Lehrveranstaltungen, Vorträge und Workshops geben – wenn möglich in Präsenz, ansonsten in virtuellem Format. Privatdozentin Dr. Annett Martini studierte Judaistik, Religionswissenschaft und Germanistik an der Freien Universität Berlin sowie an der Hebrew University Jerusalem. Viele Jahre war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Judaistischen Institut der Freien Universität Berlin erforschte sie die jüdisch-christliche Begegnungsgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Annett Martini wurde im Mai 2009 vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin mit summa cum laude promoviert und 2010 dafür mit dem Tiburtius-Preis ausgezeichnet.
Die Gastprofessur an der Philologisch-Historischen Fakultät ist an diesem Semester am Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte der Universität Augsburg angesiedelt: „Wir freuen uns in der Fakultät und als Lehrstuhl sehr, dass es trotz der schwierigen Umstände gelungen ist, Frau Martini in diesem Semester nach Augsburg zu holen, um mit Studierenden, der städtische Öffentlichkeit und auch den Kolleginnen und Kollegen an der Universität in einen Austausch zu treten und dem Angebot der jüdischen Studien ein Gesicht und eine Stimme zu verleihen. Das ist ja auch das Interesse von Dr. Haindl, dem wir herzlich für die Unterstützung dieser Gastprofessur danken.“, erklärt Prof. Dr. Martin Kaufhold, Lehrstuhlinhaber für Mittelalterliche Geschichte.
„Für die jüdischen Studien und natürlich auch für mich ganz persönlich ist die von Herrn Haindl geförderte Gastprofessur für Jüdische Kulturgeschichte ein großer Gewinn. Es gibt gerade im Bayerischen Raum noch viele offene Forschungsfragen mit Blick auf das jüdische Leben – das ist mir bei meinem Gastaufenthalt in Erlangen vor drei Jahren sehr bewusst geworden“, erklärt Dr. Martini. „Auch ich freue mich sehr, hier an der Philologisch-Historischen Fakultät am Lehrstuhl Mittelalterliche Geschichte im Wintersemester forschen und lehren zu dürfen. Ich möchte die Zeit in Augsburg vor allem dafür nutzen, um mit Kolleginnen und Kollegen sowie Studierenden in einen Austausch zu kommen und hoffe darüber hinaus, das kleine Fach Judaistik/Jüdische Studien universitätsintern aber auch in der Öffentlichkeit sichtbarer machen zu können.“ so die Judaistik-Expertin.
Annett Martini hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit der dem Vorgang der Verfertigung heiliger Schriften des Judentums befasst, und sie wird dieses Forschungsfeld in ihrem eigenen Podcast vorstellen, der wöchentlich angeboten wird. Für Studierende der Universität ist er über den universitären Digicampus-Zugang erreichbar, für alle anderen Interessierten ist er ab dem 12. November durch einen Podcast-Button auf der Homepage des Lehrstuhls für mittelalterliche Geschichte erreichbar:
www.mittelalter-augsburg.deZur Person
Die Begeisterung für Handschriften und das Interesse für transkulturelle Entwicklungen in der Geistesgeschichte des Judentums bewegten sie auch im Habilitationsprojekt. Die Arbeit, mit der sie am 7. November 2018 am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften an der Freien Universität habilitierte, beschäftigt sich mit jüdischen Konzeptionen des rituellen Schreibens. Aus dem Quellenstudium ergaben sich zahlreiche Hinweise dafür, dass die christliche Umweltkultur als ein wichtiger Auslöser für die vielfältigen Veränderungen innerhalb der jüdischen Praxis der Schriftrollenherstellung betrachtet werden kann.
Seit Oktober 2017 leitet Annett Martini ein Forschungsprojekt zur Erfurter Handschriftensammlung, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Förderprogramm „Kleine Fächer – Große Potentiale“. Das Vorhaben befasst sich mit den 16 außerordentlich wertvollen Handschriften aus dem Besitz der infolge des Pestpogroms ausgelöschten jüdischen Gemeinde Erfurts. Ziel dieses Projekts ist es, die Handschriften erstmals als Ganzes in ihrem konkreten kulturgeschichtlichen Kontext zu betrachten und beschreiben, um aus den überlieferten Fragmenten ein klareres Bild des jüdischen Lebens in Erfurt zu formen. Aktuell bereitet sie ein neues großes Verbundprojekt vor, das das intensive Studium der Handschriften mit modernsten Digitalisierungstechniken verbindet.
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