Ludwig der Bayer und die ersten deutschsprachigen Urkunden

Kaiser Ludwig IV. (1282-1347) oder auch „Ludwig der Bayer“ ist vielen als Schlüsselfigur der bayerischen Geschichte bekannt. Er war der erste Wittelsbacher auf dem Kaiserthron und die Zeit seiner Regentschaft vom Konflikt mit Papst und Kirche geprägt. Was aber die Wenigsten wissen, ist, dass er auch ein Pionier der deutschen Volkssprache war. Unter Ludwig entstanden die ersten deutschsprachigen Urkunden in der königlichen Kanzlei und das in tausendfacher Menge.

Ein absolutes Novum, da bis dahin Latein die Sprache der Kanzleien im Heiligen Römischen Reich war und daher ein Grund, sich näher damit auseinander zusetzen. Dies geschah nun im Oktober vergangenen Jahres in Form einer Tagung zur europäischen Kanzleisprachenforschung zu der internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geladen waren. „Kaiser Ludwig adelte die Muttersprache. Unter ihm wurde Deutsch zur wichtigsten kaiserlichen Kommunikationssprache“, so der Tagungsorganisator und Sprachwissenschaftler Prof. Klaus Wolf. Unter Ludwig waren bereits bis zu 55 Prozent der Urkunden auf (mittelhoch-)deutsch verfasst und dieser Trend setzte sich auch nach seiner Regentschaft fort. Maßgeblich für diese Entwicklung waren, neben der besseren Verständlichkeit der Urkundentexte für die Bevölkerung, wohl vor allem finanzielle Interessen. Die wohlhabenden Kaufleute in den aufstrebenden Reichsstädten konnten kein Latein, waren aber die lukrativsten Vertragspartner des Kaisers.
 

Kaiser Ludwig der Bayer, spätgotisches Epitaph aus rotem Marmor in der Münchner Frauenkirche CC BY-NC-ND

Studierende konzipieren Ausstellung

Auch Studierende eines Lehrforschungsprojekts beschäftigten sich 2020 mit den Anfängen der Volkssprache in Urkunden. Im Rahmen einer universitären Übung konzipierten und organisierten sie zudem eine Ausstellung im Staatsarchiv Augsburg. Diese zeigt einige der ältesten deutschsprachigen Urkunden überhaupt. Möglich wurde ein solches Projekt nur, weil die verantwortlichen Studierenden der historischen Wissenschaften und der Germanistik bereits über ein fundiertes Wissen im Umgang mit entsprechenden Archivalien verfügen. Schon seit mehreren Jahren existiert ein entsprechender fachübergreifender Kurs, der von Dr. Thomas Engelke vom Staatsarchiv Augsburg, dem Historiker Prof. Dr. Thomas Krüger und dem Sprachwissenschaftler Prof. Klaus Wolf geleitet wird. Alle Studierenden, die an der Ausstellung beteiligt waren, sind „Wiederholungstäter“, also nicht zum ersten Mal im Kurs. „Es ist jedes Semester wieder ein tolles Privileg mit jahrhundertealten Originalurkunden arbeiten zu dürfen. Dass wir dieses Mal auch noch einen Einblick in die Konzeption und Durchführung einer Ausstellung erhalten haben und so das Ergebnis unserer Arbeit einem breiten Publikum präsentieren können, geht weit über das hinaus, was man im Allgemeinen von einem sprachhistorischen Seminar erwarten würde“, sagt die Studentin Julia Kessler.

Um eine Entschädigung der Reichsstadt Augsburg geht es in dieser Urkunde von Ludwig dem Bayern. Er stellte die Schriftstücke seiner Kanzleien von lateinischer auf deutsche Sprache um und war somit ein Pionier der deutschen Volkssprache. © Staatsarchiv Augsburg


Das Besondere an der Ausstellung ist neben dem Alter der Exponate – die  älteste Urkunde ist von 815 – ihr lokaler Bezug. Fast alle Urkunden stammen aus den reichen regionalen Beständen des Staatsarchivs Augsburg. Sie ermöglichen spannende Einblicke, in die Lebensrealität der Menschen des Mittelalters. So geben drei Urkunden zum Wertachbrückenzoll einen detaillierten Überblick über die Waren, die um 1282 in der Reichsstadt Augsburg gehandelt wurden. Andere Urkunden beschäftigen sich z.B. mit Rechten und Pflichten der jüdischen Bevölkerung. Anders als sonst bei Ausstellungen üblich gibt es über einleitende Gruppentexte und Exponatbeschreibungen hinaus auch für jede der Urkunden eine zeilengetreue Abschrift. Dieser Umstand und natürlich, dass die Urkunden an sich schon in der Volkssprache verfasst wurden, erleichtert dem Besucher als Laien das Verständnis.

Leider konnte die Ausstellung im Staatsarchiv Augsburg nur wenige Wochen gezeigt werden, bevor der Lockdown dies untersagte, aber die Macherinnen und Macher arbeiten schon an einem Ausstellungskatalog. Zudem wird die Ausstellung in digitaler Form über die Platform Bavarikon fortgeführt. Bavarikon gehört zur bayerischen Staatsbibliothek und hostet weltweit Ausstellungen. „Das Projekt ist bereits genehmigt und befindet sich zurzeit in seiner aufwendigen Umsetzung. Voraussichtlich Ende des Jahres wird die Ausstellung online im vollen Maße nutzbar sein“, kündigt Prof. Klaus Wolf an. Das Ausstellungsprojekt „Wir Ludwig...“ zeigt, wie an der Universität Augsburg im Studium Theorie, Forschung und Praxis ineinander greifen.

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