Nachruf auf Josef Becker
Die Universität Augsburg trauert um ihren ehemaligen Präsidenten Prof. Dr. Josef Becker, der am 3. November 2021 im Alter von 90 Jahren verstorben ist. Der Historiker leitete die Universität von 1983 bis 1991. Der 1931 in Buchen/Odenwald geborene Josef Becker hatte nach dem Studium (Geschichte, Germanistik, Französisch, Latein) in München und Paris, der Promotion und der Habilitation 1973 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Augsburg erhalten. Als Historiker befasste er sich mit der Geschichte der internationalen Beziehungen sowie der Spätphase und Krise der Weimarer Republik, hier insbesondere mit Reichskanzlerschaft Brünings. Weiter forschte er über den Kulturkampf in Baden und den Reichsgründungskrieg von 1870/71. Die deutsch-französischen Beziehungen lagen Becker seit seinem Studium in Paris am Herzen. So nahm Frankreich auch in seiner wissenschaftlichen Arbeit einen besonderen Stellenwert ein. Die Universität Metz (Lothringen) zeichnete ihn 1981 mit der Ehrendoktorwürde aus. Auch Frankreichs Regierung ehrte den Historiker 2010, indem sie ihn in den „Ordre des Palmes Académiques“, den ältesten säkularen Orden Frankreichs für zivile Verdienste, aufgenommen hat. Der „Ordre des Palmes Académiques“ wurde 1808 von Napoleon I. ins Leben gerufen, um die Verdienste von Persönlichkeiten zu würdigen, die sich in hervorragender Weise um die weltweite Ausstrahlung der französischen Sprache und Kultur verdient gemacht haben. Eine besondere wissenschaftliche Leistung waren seine drei Bände mit einem Gesamtumfang von knapp 2000 Seiten, die unter dem Titel „Bismarcks spanische 'Diversion' 1870 und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg“ 2003 und 2007 erschienen sind. Die beeindruckende wissenschaftliche Edition, an der er auch in seinem Ruhestand (Emeritierung 1996) weiterarbeitete, warf ein neues Licht auf die Ursachen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870. Josef Becker wurde im Jahr 1983 mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Universität Augsburg gewählt. Er brachte die Universität auf vielen Feldern voran. Von zukunftsträchtiger Bedeutung war etwa sein konsequenter Einsatz für den weiteren Ausbau der Naturwissenschaften. Damit reagierte er auf die in jener Zeit an die Universitäten als Zielvorgabe herangetragene stärkere Orientierung an den ökonomischen und gesellschaftlichen Bedürfnissen. Mit der Gründung interdisziplinärer Institute trug er maßgeblich zur Profilbildung der Universität Augsburg bei. Die ebenfalls in seine Amtszeit fallende Gründung mehrerer Stiftungen zugunsten der Universität weitete ihre Möglichkeiten in Forschung und Lehre beträchtlich aus. Auffallend sind die vielen während der Amtszeit Beckers vorgenommenen akademischen Ehrungen, die freilich umgekehrt durch eine geschickte Auswahl der Geehrten wiederum Glanz auf die Universität fallen ließen. Dabei war ihm wichtig, dass Opfer und Gegner des Nationalsozialismus Aufmerksamkeit und Anerkennung fanden. So erhielten die Auszeichnung als Akademische Ehrenbürger u. a. der Amerikanist Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich Georg Friedmann, der Journalist Prof. Dr. h. c. Ernst Cramer oder Mieczyslaw Pemper, der den Unternehmer Oskar Schindler von der Notwendigkeit einer Rettungsaktion für jüdische Insassen des Arbeitslagers Krakau-Plaszow überzeugte. Pempers Berichte dienten unter anderem dem Regisseur Steven Spielberg als Grundlage seines bekannten Films Schindlers Liste. Insgesamt war es Beckers Auffassung, dass sich eine Universität einer gesellschaftlichen Verantwortung stellen und in die Gesellschaft hineinwirken sollte. Dieser Gedanke findet sich in dem erst nach seiner Amtszeit beschlossenen Motto der Universität „Scientia et Conscientia“ wieder. Becker knüpfte vielfältige Kontakte, gerade in der Stadt und der Region, um die noch junge Universität dort stärker zu verankern. Eine zunehmend professionalisierte Pressearbeit trug dazu bei, die Aufgaben der Universität einem größeren Publikum näherzubringen. Die Universität Augsburg wird sein Andenken in Ehren bewahren und behält Prof. Dr. Josef Becker mit großer Dankbarkeit in würdiger Erinnerung. Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel
Präsidentin der Universität Augsburg