Pressemitteilung 125/21 - 20.12.2021

Lehr- und Erklärvideos: Warum Kinder und Jugendliche sie mögen

Studie analysiert Qualität der Videos aus verschiedenen fachlichen Perspektiven

Augsburg– Der Internetmarkt mit Lehrvideos auf kommerziellen Plattformen wie YouTube und TikTok und auf Bildungsplattformen boomt – noch mehr seit Beginn der Corona-Pandemie. Mit der Frage, was Erklärvideos zu Schulthemen so attraktiv macht und wie diese Videos qualitativ bewertbar sind, beschäftigten sich zahlreiche Forschende der Universität Augsburg aus verschiedenen Perspektiven. Die Forschungsergebnisse liegen nun in einem Sammelband vor.

Beispiel für ein "Filmstudio im Schuhkarton". © Universität Augsburg

Prof. Dr. Eva Matthes, Lehrstuhlinhaberin für Pädagogik, und ihre beiden ehemaligen Mitarbeiter Stefan T. Siegel (inzwischen Universität St. Gallen) und Thomas Heiland (inzwischen Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen) erläutern die Hintergründe und Ergebnisse der Forschungen und Analysen zum Thema Lehrvideos.´

Warum nutzen Kinder und Jugendliche Lehrvideos so gern?

Stefan T. Siegel: Aktuelle repräsentative Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche Lehr- und Erklärvideos sowohl in formalen als auch in informellen Kontexten nutzen. Videos auf YouTube werden vorwiegend zur Unterhaltung und Entspannung genutzt, jedoch auch als allgemeine Informationsquelle, um ihr Wissen und Können auszubauen. Lehrvideos verheißen müheloses, orts- und zeitunabhängiges Lernen. Außerdem werden hier Inhalte anschaulich und kompakt vermittelt. Nicht verschwiegen werden sollte – und die fachdidaktischen Analysen in unserem Band zeigen das eindrucksvoll –, dass gerade mit Lehr- und Erklärvideos auch die Gefahr einer „Verstehensillusion“ einhergehen kann.

Seit wann gibt es diese Beliebtheit der Lehr- und Erklärvideos? Wird dieses Format weiterwachsen?

Thomas Heiland: Die Verbreitung dieser Videos nahm bereits vor der COVID-19-Pandemie zu, ihre Bedeutung und Nutzung ist aber durch die Kontaktbeschränkungen und das Distanzlernen nochmals deutlich gestiegen. Derzeit boomt der Internetmarkt mit Lehrvideos sowohl auf kommerziellen Plattformen wie YouTube und TikTok als auch auf (staatlichen und privaten) Bildungsplattformen. Es ist davon auszugehen, dass Lehrvideos neben anderen Bildungsmedien auch in Zukunft ein fester Bestandteil in der mediatisierten Lebenswelt von Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen sein werden.

Was macht ganz speziell Lehrvideos aus? Gibt es hier Systematiken? Was wissen wir über die Anbietenden dieser Bildungsmedien (bspw. Erklärvideokanäle auf YouTube)?

Eva Matthes: Bis jetzt gibt es keine einheitliche Definition oder Systematisierung von Lehrvideos. Häufig werden verschiedene Videoarten (Erklärvideos, Screencasts, Tutorials) nach bestimmten Merkmalen, wie beispielsweise Produktionsart, Inhalt oder Dauer, unterschieden. Erklärvideos haben im Vergleich zu anderen audiovisuellen Medien immer den Anspruch, einen Sachverhalt erklären zu wollen. Die Produzenten und Anbietenden von Lehrvideos sind sehr heterogen. Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen, nimmt jedoch zu. Das ist aus unserer Sicht unverzichtbar, da das Internet ein freier und weitgehend unkontrollierter Raum ist, der allen – ob Privatperson, Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Einrichtungen – die Möglichkeit bietet, Videos, deren Qualität nicht zwangsläufig sichergestellt ist und sehr unterschiedlich sein kann, einer breiten Nutzerschaft anzubieten.

Woran bemisst sich die Qualität von Lehrvideos?

Stefan T. Siegel: Die Qualität von Lehrvideos kann nur unter Berücksichtigung verschiedener fachlicher Perspektiven angemessen beurteilt werden. Unser Band enthält eine Übersicht, die diese Qualitätskriterien und die damit verbundenen (multidisziplinären) Sichtweisen auf Lehrvideos bündelt. Nutzerinnen und Nutzer können die Qualität von Videos damit leichter erkennen, einordnen und beurteilen. Je nach Inhalt und Art des Videos treten manche Kategorien und Kriterien in den Vorder- und andere in den Hintergrund. Ein qualitativ hochwertiges Lehrvideo muss nicht alle, sollte jedoch idealerweise zahlreiche der Kriterien erfüllen, damit es als wertvolles Bildungsmedium beurteilt werden kann. So kann ein Video, in dem urheberrechtliche Fragen missachtet werden, dennoch von hoher pädagogisch-didaktischer Qualität sein.

Wie geht die Lehramtsausbildung der Universität Augsburg auf das Thema Lehrvideos ein?

Eva Matthes: Obgleich Lehrvideos, neben anderen Bildungsmedien, im Rahmen der Lehramtsausbildung stärker fokussiert werden sollten, ist die Beschäftigung mit diesen bis dato kein verpflichtender Bestandteil der staatlichen Lehramtsprüfungsordnung. Dennoch gibt es jedoch einige Initiativen und Lehrveranstaltungen, um die Professionalität angehender Lehrkräfte mit Umgang mit Lehrvideos zu fördern. Das geschieht zum Beispiel im Kompetenzbereich „Einsatz und Analyse von Bildungsmedien“ des Augsburger Projekts LeHet der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Konkret geht es darum, die Potenziale und Grenzen dieser Bildungsmedien zu reflektieren und zur Analyse, Auswahl, Produktion und zum Einsatz von für schulische Zwecke geeigneten Lehrvideos zu befähigen.

Weitere Informationen:

  • Qualitätskriterien für Lehrvideos im Überblick: https://osf.io/s4vu2/

Publikation:

  • Eva Matthes / Stefan T. Siegel / Thomas Heiland (Hrsg.): Lehrvideos – das Bildungsmedium der Zukunft? Erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Perspektiven. Bad Heilbrunn 2021 https://www.klinkhardt.de/verlagsprogramm/2465.html

 

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