Stress und Frust durch die Nutzung digitaler Medien

Stress durch den Beruf – das leuchtet jedem ein und zumeist können wir nicht viel dagegen tun. Aber auch in der Freizeit sind wir Stress ausgesetzt. Häufig werden die Stressfaktoren durch digitale Medien und Technologien vermittelt: neue Mails, entgangene Anrufe, ungelesene Nachrichten. Und auch der Medienkonsum selbst löst Stress aus: Neuigkeiten in den sozialen Netzwerken checken, aktuelle Erlebnisse mit den Freunden online teilen und bei der Lieblingsserie up-to-date sein. Nicht zu schweigen von dem Stress, der durch technische Störungen, defekte Mediengeräte oder langsames Internet ausgelöst wird.

Digitaler Stress hat viele Gesichter: Fortschreitende Digitalisierung beispielsweise bei Selbstcheck-Out-Kassen, digitale Speisekarten, Fahrkarten- oder Ticketkauf. Fehlermeldung, Verbindungsprobleme oder schwierige Bedienung. Die Flut an Nachrichten in Messenger oder Multitasking bei Second Screen Nutzung. Oder die Zeitverschwendung bei Smartphone durch fast suchthaftes Scrollen auf Instagram, Binge-Watching sowie der Druck, auf Sozialen Medien ständig aktiv sein zu müssen. Fotos: Markus Spiske, COLOURBOX (3)

Wie digitaler Stress im Alltag wahrgenommen wird und der individuelle Umgang damit ist, untersucht ein Forschungsteam der Universität Augsburg. Aus den Ergebnissen können konkrete Empfehlungen zu einer Verbesserung des individuellen Wohlbefindens gezogen werden. Die Forscherinnen und Forscher der Kommunikationswissenschaft bedienen sich dabei verschiedener Methoden wie unter anderem Interviews, Gruppendiskussionen und Medientagebüchern. Die Langzeitstudie ist im November 2020 gestartet und wird bis in das Frühjahr 2022 andauern.

Was ist überhaupt digitaler Stress?

Als digitalen Stress versteht das Forschungsteam zunächst allgemein Stress, der durch den Umgang mit digitalen Medien und Technologien ausgelöst wird. Erste Ergebnisse der Studie haben gezeigt, dass der Anteil der Medien am eigenen Stresslevel häufig nicht wahrgenommen wird. „Viele der Befragten betonen die Vorteile digitaler Medien zur Reduzierung von Stress. Dass die ständige Erreichbarkeit und die Angst etwas zu verpassen allerdings das persönliche Stresslevel dauerhaft erhöht, wird den Befragten erst im Gespräch mit uns klar“ berichtet die Projektverantwortliche Lisa Waldenburger. Wodurch genau digitaler Stress ausgelöst wird, hängt von den Nutzungsgewohnheiten, dem allgemeinen Stresslevel und der Technikkompetenz der Person ab. Die Debatte um die Frage „was ist digitaler Stress?“ ist also breit gefächert und lässt sich nur individuell beantworten.

Gesunder Umgang mit digitalen Medien

Anders als die bisherige mediale Berichterstattung, die häufig die Technik einseitig als „gut“ oder „böse“ beschreibt, sollen im Forschungsprojekt Bewältigungsstrategien im Umgang mit digitalem Stress entwickelt werden, die auch die Vorteile der Medien mit einbezieht. „Dabei zeigt sich in unserer Untersuchungsgruppe das die Reflexion des eigenen Medienhandelns mithilfe der Medientagebücher bereits langfristig Stress reduzieren kann“ fasst der Projektleiter Jeffrey Wimmer die ersten Ergebnisse zusammen. Die Auseinandersetzung hilft zum einen sich darüber Gedanken zu machen, welche Medien einen positiven Effekt haben und weiterhelfen und zum anderen Gewohnheiten aufzuzeigen, die potenziell Stress auslösend sind, beispielsweise das Lesen von E-Mails und Nachrichten noch vor dem Aufstehen. Im Anschluss daran haben die Forscherinnen und Forscher Strategien entwickelt, wie man Medien möglichst stressfrei nutzen beziehungsweise Stress aktiv begegnen kann.

Lösungswege unterschiedlich

Die entwickelten Bewältigungsstrategien wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie getestet und machen erneut deutlich, wie unterschiedlich die Mediennutzung, der ausgelöste Stress und die helfenden Strategien ausfallen können. Dabei lassen sich zwei wesentliche Gruppen unterscheiden: die, die wenig Technik und Medien verwenden und Stress durch fehlende Kompetenz im Umgang ausgelöst wird und die, die viel Technik und Medien nutzen und häufig durch ein „Zu viel“ an Nachrichten, Anrufen und Informationen gestresst sind.

Die erste Gruppe, in der häufig ältere Personen zu finden sind, erlebt digitalen Stress weniger dauerhaft, sondern in spezifischen Situationen, in den sie mit digitaler Technik interagieren müssen. Sie fühlen sich beispielsweise von Bankautomaten oder Self-Checkout-Systemen gestresst, aber auch die Verwendung des Handys oder Laptops kann Stress auslösen. Hier kann Stress durch die gezielte Schulung von Medienkompetenz reduziert werden. Das neue Feld an medialen Möglichkeiten wurde jahrelang als Zusatzoption oder gar Spielerei im gesellschaftlichen Diskurs verhandelt, so dass viele ältere Mediennutzerinnen und -nutzer den „Anschluss“ verpasst haben.  „Wichtig ist hierbei auf die individuellen Bedürfnisse der Person Rücksicht zu nehmen – manchen ist mit einer schriftlichen Anleitung, die sie immer wieder zu Rate ziehen können geholfen, andere möchten die Technik verstehen und selbst ausprobieren, wieder anderen fehlt einfach das Selbstvertrauen“, beschreibt Jeffrey Wimmer.

Die zweite Gruppe hat sich dagegen bereits die digitale Medienkompetenz erarbeitet (als Early Adopter) oder ist direkt mit einer Vielzahl an digitalen Medien und Technologien aufgewachsen. „Die vielfältigen Nutzungsoptionen digitaler Medien, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, erfordern eine neue Form der Medienkompetenz – die Selektion und Priorisierung. Es ist schlicht zeitlich nicht mehr möglich, alle Optionen, die die digitalen Medien bieten, zu nutzen. Deshalb ist es wichtig, zu überlegen, welche Medien für das Wohlbefinden wichtig sind und die Kompetenz der Reflexion in Bezug auf die eigene Mediennutzung zu steigern,“ fasst Lisa Waldenburger zusammen. Um weniger digitalen Stress zu erleben, scheint es ebenso sinnvoll, über gegenseitige Erwartungshaltungen zu reden und vielleicht festzustellen, dass der Gegenüber gar keine sofortige Reaktion erwartet und man sich nicht stressen sollte. So wird es möglich, digitalen Stress zu reduzieren und einen gesunden Umgang mit digitalen Medien und Technologien zu erlernen.

Über das Projekt

Das seit 2019 laufenden Forschungsprojekt „Digitaler Stress im Medienalltag“ ist ein Teilprojekt des Forschungsverbundes ForDigitHealth, das durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert wird. Weitere Augsburger Teilprojekte befassen sich damit, wie das Thema digitaler Stress in Medien dargestellt wird sowie damit, wie Künstliche Intelligenz einen Beitrag zu stresssensibler und gesundheitsförderlicher Technologie leisten kann.

 

Mehr erfahren: https://gesund-digital-leben.de

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