Pressemitteilung 43/22 - 16.05.2022

Frau Dichter*in und die Gruppe 47. Literarische Aufbrüche in der Nachkriegszeit – Ausstellung und Symposium

Die Universitätsbibliothek und die Augsburger Germanistik würdigen Autor*innen der Nachkriegszeit, allen voran die Fotografin und Dichterin Ilse Schneider-Lengyel.

Die Germanistik der Universität Augsburg widmet Frauen in der Gründungsphase der berühmten Gruppe 47 am 2. Juni ein Symposium und eröffnet anschließend eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek. Im Zentrum steht die Fotografin und Schriftstellerin Ilse Schneider-Lengyel. Außerdem werden Frauen gewürdigt, die von der Literaturgeschichtsschreibung oftmals vernachlässigt wurden, obwohl sie im Literaturbetrieb der Nachkriegszeit ihren Platz behaupteten.
 

© Bayerische Staatsbibliothek München/Ana 372

Anfang September 2022 jährt sich zum 75. Mal das Gründungstreffen der Gruppe 47 am Schwangauer Bannwaldsee im Haus der Fotografin, Kunsthistorikerin, Ethnologi­­­n und Dichterin Ilse Schneider-Lengyel (1903-1972). Die damalige Zusammenkunft schreibender Männer und Frauen war ursprünglich als erste Redaktionskonferenz für eine neue literarische Zeitschrift geplant. In zwanglosem Rahmen und mit charismatischer Gastgeberin entwickelte sie sich jedoch zu einem Vorlese- und Diskussionsforum für unveröffentlichte literarische Texte. Dies sollte die Geburtsstunde jener losen, bald schon überaus medienaffinen und wichtigen Autorenvereinigung werden, die unter dem Namen Gruppe 47 in die Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist.

Ebendiese Gründungszeit, ihre Akteurinnen und Akteure stehen nun im Mittelpunkt eines Symposiums und einer gleichnamigen Ausstellung in der Universitätsbibliothek: "Frau Dichter*in und die Gruppe 47. Literarische Aufbrüche in der Nachkriegszeit". Dabei wird mit der männlich geprägten Perspektive auf das Jahr 1947 gebrochen – Ilse Schneider-Lengyel, deren Todestag sich am 3. Dezember 2022 zum 50. Mal jährt, und weitere schreibende wie auch verlegerisch tätige Frauen rücken in den Fokus von Diskussion und Schau.
 

Die schreibenden Frauen 1947 – Perspektivenwechsel

Das zwanglose erste Treffen im Seegut Ilse Schneider-Lengyels blieb allen Teilnehmer*innen als beinahe paradiesisch im Gedächtnis: anregende Gespräche unter Gleichgesinnten, entspannte Badefreuden, ausgesprochen gutes Essen und Trinken. Ein halbes Jahr zuvor hatte Hans Werner Richter an die aus dem französischen Exil nach Bayern zurückgekehrte Schneider-Lengyel geschrieben: „Dem Rufkreis fehlen noch ein paar gut schreibende Frauen, die keine sein wollen.“ Richters Worte stehen beispielhaft für die auch in der Folgezeit überwiegend männlich geprägte Geschichtsschreibung der Gruppe 47. Mit der Veranstaltung ist das Ziel verbunden, bewusst die Dichterinnen und Publizistinnen des Gründungsjahres 1947 zu würdigen und ihre heute vielfach vergessenen Namen und Werke vorzustellen.
 

Ausstellung in der Zentralbibliothek

Initiiert von den Kulturhistorikern Heike Drummer und Alfons Maria Arns (Frankfurt am Main) konnte die 2017 von der Gemeinde Schwangau beauftragte Ausstellung „Ich bin als Rebell geboren“ zu Leben und Werk Ilse Schneider-Lengyels für Augsburg gewonnen werden – mit Prof. Dr. Klaus Wolf und Dr. Ulrich Hohoff (Direktor der UB a. D.) als Veranstaltern. Die Ausstellung wurde entwickelt und kuratiert von der Drummer und Arns Historiker GbR, die zugleich Publikationen und erstmals unbekannte Zeitdokumente aus ihrem Privatarchiv einbringen. In Vitrinen, auf Roll-Ups und auf Tafeln rücken dabei jene literarischen Aufbrüche ins Zentrum, die mit den Orten Altenbeuern (Jagdhaus Hinterhör), Schwangau (Seegut Bannwaldsee) und Herrlingen („Haus Waldfrieden“) verbunden sind. Die Exponate und Texte zeigen, dass publizierende Frauen wie Ilse Schneider-Lengyel und die Verlegerin Ingeborg Stahlberg auch aufgrund hinterlassener Selbstzeugnisse Hans Werner Richters von der Literaturgeschichtsschreibung nach Gründung der BRD bis heute weitestgehend ignoriert wurden.

Zur Eröffnung am 2. Juni um 19 Uhr in der Ausstellungshalle der Zentralbibliothek laden die Gastgeber herzlich ein. Am Eröffnungsabend tragen Tinka Kleffner und Heiko Dietz vom Sensemble Theater Augsburg unter dem Titel „Berichte und Gedichte – Interventionen“ Texte der frühen Nachkriegszeit vor. Für den musikalischen Rahmen sorgt Alfons Maria Arns am Flügel.

Bis zum 28. Juli kann die Schau montags bis freitags von 8:30 bis 22:00 Uhr und samstags von 9:30 bis 17 Uhr besucht werden. Der Eintritt ist frei.
 

Symposium

Am Tag der Ausstellungseröffnung lädt die Germanistik der Universität Augsburg zu einem Symposium ein. Es findet unter der Federführung von Prof. Dr. Klaus Wolf von 14 bis 18 Uhr in Raum 3010 der Zentralbibliothek statt (Gebäude E, Universitätsstr. 22). Zu den Frauen in der Gruppe 47 gibt es bislang nur eine literaturgeschichtliche Gesamtdarstellung, deren Verfasserin Dr. Wiebke Lundius (Marburg) für einen Vortrag gewonnen werden konnte. Darüber hinaus sprechen Alfons Maria Arns (Frankfurt am Main), Dr. Kay Wolfinger (München), Prof. Dr. Bettina Bannasch (Augsburg) und Prof. Dr. Stephanie Waldow (Augsburg) über aktuelle Forschungsperspektiven auf das weibliche Netzwerk um 1947, die literaturgeschichtliche Rezeption sowie über prägende Textmuster und Schreibstrategien bei Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger.

Die Teilnahme am Symposium ist frei, es wird um Anmeldung gebeten ( klaus.wolf@philhist.uni-augsburg.de).

 

Website mit Flyer und Plakat zur Veranstaltung: Frau Dichter*in und die Gruppe 47

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