Pressemitteilung 09/24 - 24.01.2024

Klinische Vorhersagemodelle lassen sich nicht verallgemeinern

Science-Publikation unter Federführung der Yale Universität mit Augsburger Beteiligung veröffentlicht.

Wissenschaftliche Modelle, die auf Basis großer Datenmengen und Algorithmen vorhersagen, wie beispielsweise eine Erkrankung verlaufen oder ein Therapieansatz wirken wird, lassen sich nicht verallgemeinern und auf andere Patientendaten übertragen. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie, an der Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Lehrstuhlinhaber Psychiatrie und Psychotherapie mitgearbeitet hat. Federführend ist Prof. Dr. Adam Chekroud von der Yale Universität. Die Studie wurde im renommierten Journal Science veröffentlicht.

Festakt zum fünfjährigen Jubiläum des ZIM. Foto: Uni Augsburg

Die Präzisionsmedizin unter Anwendung moderner Algorithmen und maschinellen Lernens ist aktuell eines der wichtigsten Felder der Medizin. Ihr Ziel ist es, die Behandlung individualisiert an die betroffenen Menschen anzupassen. Dafür werden umfangreiche Datenmengen und Datenpunkte verarbeitet, auf deren Grundlage eine individuelle Vorhersage für das Therapieansprechen oder den Erkrankungsverlauf entwickelt wird. Das erleichtert den behandelnden Ärztinnen und Ärzten die Auswahl eines passenden Medikaments, das bei der erkrankten Person den größten Behandlungserfolg verspricht.

Augsburg an internationaler Studie beteiligt

„Über die Herausforderungen dieser Ansätze wird allerdings noch zu wenig geforscht und gesprochen“, konstatiert Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Fakultät Augsburg. Er war an einer internationalen Studie unter Federführung von Prof. Dr. Adam Chekroud (Yale Universität und Gründer des Unicorn Startups Spring Health) beteiligt, die gezeigt hat, dass die klinischen Vorhersagemodelle bei psychischen Erkrankungen noch einen weiten und steinigen Weg vor sich haben. Die ernüchternden Ergebnisse einer aktuell im renommierten Journal Science veröffentlichten und in der ebenfalls angesehenen Zeitschrift Nature rezitierten Studie machen deutlich, dass zwar Modelle für die Vorhersage des Therapieansprechens bei Schizophrenie, einer der schwersten psychischen Erkrankungen überhaupt, sehr gut mit verschiedenen Verfahren entwickelt werden können. Werden diese Algorithmen jedoch auf Daten von Patientinnen und Patienten angewendet, die nicht Teil der Studie waren, versagen sie: Es lässt sich keine Vorhersage treffen.

Für die klinische Praxis bedeuten die Ergebnisse der Studie, dass die anhand eines Datensatzes entwickelten Algorithmen sich nicht einfach verallgemeinern und auf andere Patientengruppen übertragen lassen – sie können folglich in der Praxis keine Anwendung finden. Prof. Chekroud betont in einem Kommentar zum Forschungsprojekt, dass die Entwicklung von Algorithmen für die Vorhersage des Therapieansprechens analog zu der Entwicklung von neuen Medikamenten erfolgen solle: Nicht jeder Erfolg in einer Studie dürfe als Beweis der Anwendbarkeit in der Praxis verstanden werden. „Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen, dass es in der Psychiatrie und Psychotherapie ebenso wie in vielen anderen medizinischen Fächern noch ein weiter Weg hin zu individualisierten Therapien ist“ ergänzt Prof. Alkomiet Hasan. „Dieses Projekt, welches wir 2016 begonnen haben, zeigt wie wichtig es ist, international und über Fachgrenzen hinweg mit großen, öffentlich zugänglichen Daten zu arbeiten und Hürden bei ihrer Zusammenführung zu überwinden“ betont er weiter. „Ich bin sehr stolz darauf, dass Augsburg an dieser internationalen Studie beteiligt war, die sich nicht gescheut hat, ein unbequemes Thema in den Blick zu nehmen. Ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft einiges Aufsehen erregen werden“, äußerte sich die Augsburger Medizindekanin Prof. Dr. Martina Kadmon zur Veröffentlichung.

 

Publikation in Science:  https://www.science.org/doi/10.1126/science.adg8538

Kommentar zu der Arbeit in Science: https://www.science.org/doi/10.1126/science.adm9218

Kommentar zu der Arbeit in Nature: https://www.nature.com/articles/d41586-024-00094-9

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