Pressemitteilung 27/24 - 13.03.2024

Messgerät soll Entwicklung neuer Impfstoffe verbessern

Der Lipid State Observer (LISO) vereinfacht Abläufe und schont Ressourcen

Neue lipidbasierte Medikamente wie die mRNA-Impfstoffe, die in der Corona-Pandemie zum Einsatz kamen, sind sehr empfindlich. Ein Messgerät, das an der Schnittstelle zwischen dem Institut für Theoretische Medizin und dem Institut für Physik der Universität Augsburg entwickelt wird, kann die Struktur solcher Arzneimittel nun auch im gefrorenen Zustand messen. Das soll deren Lagerung künftig sicherer machen und die Entwicklung stabilerer Impfstoffe ermöglichen. Gefördert wird das Projekt mit mehr als einer Million Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie vom Europäischen Sozialfonds.

Katharina Beck bedient den LISO-Prototyp im Labor der Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. © Universität Augsburg

„Die Verwendung von Lipiden revolutioniert gerade die Medizin“, sagt Dr. Nicolas Färber aus der Arbeitsgruppe Biologische Physik von Prof. Christoph Westerhausen. Lipide, also Fette, bilden die Grundlage für mRNA-Impfstoffe, werden aber auch bei neuen Krebstherapien als Transportmittel eingesetzt. Der Wirkstoff wird dabei in ein kleines Kügelchen aus Lipidmolekülen verpackt, einen sogenannten Lipidnanopartikel (LNP). Das Problem dabei: Solche Arzneimittel sind äußerst empfindlich und müssen bei Gefrierschrank-Temperaturen gelagert und transportiert werden. Bisher war es kaum möglich, sie zu untersuchen, solange sie gefroren sind.

Gemeinsam mit Forschenden aus der Physik, Pharmazie und der Medizin hat Dr. Färber nun den Lipid State Observer (LISO) entwickelt: ein kompaktes Tischgerät, das die Struktur lipidbasierter Arzneimittel wie mRNA-Impfstoffe prüfen und so ihre Einsatztauglichkeit feststellen kann, selbst wenn diese gefroren sind. Dabei wird ein spezieller Farbstoff verwendet, der in verschiedenen Farben leuchtet, je nachdem, ob das LNP gerade eine dicht gepackte Kugel oder ein lockerer Verbund ist. Mit einem Spektrometer lässt sich der Zustand des Partikels dann ablesen.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten in Forschung, Entwicklung und Diagnostik

„So kann man schnell erkennen, ob ein neu entwickelter Impfstoff für den Praxiseinsatz vielversprechend ist oder nicht“, erklärt Dr. Färber, der das Projekt LISO leitet. Die Einsatzbereiche für das neue Messgerät sind vielfältig: In Forschung und Pharma-Unternehmen kann es helfen, nachhaltige und lange haltbare Substanzen für Impfstoffe und für immunbasierte Krebstherapien zu entwickeln. Perspektivisch könnte das Mess-System auch in der In-vitro-Diagnostik genutzt werden, um krankhafte Veränderungen von Zellmembranen festzustellen.

„Es freut mich ganz besonders, dass durch dieses Projekt die Früchte unserer Grundlagenforschung zu Zellmembranen zur praktischen Anwendung kommen, um die Herausforderungen bei der Entwicklung neuartiger Impfstoffe und Therapeutika zu meistern“, sagt Prof. Westerhausen, der die Arbeitsgruppe Biologische Physik leitet und zum Januar 2024 auf die Professur für Physiologie an der Medizinischen Fakultät berufen wurde.

Das Serienprodukt als nächstes Ziel

„Unser großes Ziel ist es, diese neue Messmethode als Standard zur Prüfung von Lipidnanopartikeln mit Eintragung im europäischen Arzneibuch zu etablieren “, erklärt die Pharmazeutin, Katharina Beck. Sie koordiniert die Kooperationen mit Industriepartnern und Forschungsinstituten im LISO-Projekt, wo neben wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitenden auch mehrere Praktikantinnen und Praktikanten arbeiten. Das Gerät soll extrem tiefe Temperaturen von bis -80°C zur Verfügung stellen, aber ohne spezielle Kühlmittel wie flüssigen Stickstoff auskommen. Zudem soll es kleiner als ein Schuhkarton und einfach zu bedienen sein. Messdaten können mit einer eigens dafür entwickelten Software zügig analysiert und bewertet werden.

Nicolas Färber, Katharina Beck und Christoph Westerhausen planen nun, ein Biotech-Unternehmen aus der Universität heraus zu gründen und das neue Messgerät zusammen mit Kooperationspartnern und Pilotkunden aus Forschung und Industrie in den Bereichen Pharmazie, Medizin und Lebenswissenschaften im Jahr 2025 bis zur Serienreife zu bringen. Das Vorhaben wird mit 1,1 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie vom Europäischen Sozialfonds im Rahmen einer Exist-Förderung für Existenzgründungen aus der Wissenschaft gefördert.

 

cg

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