Ausgezeichnet: Forschung zu Solidarität in der Textil- und Bekleidungsindustrie
Die Augsburger Historikerin Kornelia Rung ist mit dem Thomas-Welskopp-Promotionspreis der German Labour History Association 2024 ausgezeichnet worden. Sie erhielt die Anerkennung für ihre Studie über „Faire Arbeit. Solidarität in der Textil- und Bekleidungsindustrie in den 1970er- und 1980er-Jahren“. Die Untersuchung geht den Ursachen und Bewältigungsstrategien des globalen Strukturwandels nach und zeigt die Schwierigkeiten, die sich insbesondere für die Gewerkschaften aus der zunehmend verflochtenen internationalen Arbeitsteilung ergaben.
Unterschiedliche Interessen und Konflikte prägten die Geschichte der Textil- und Bekleidungsindustrie, in der vor allem Frauen beschäftigt waren. „Faire Arbeit“ – hinter dem zeitgenössischen Begriff verbargen sich unterschiedliche Vorstellungen davon, welche sozialen Rechte gewährt, wie Zugänge zu globalen Märkten ermöglicht und Arbeitsbedingungen geschützt werden sollten.
Kornelia Rung, die an der Universität Augsburg promovierte, blickt dabei auf Akteure in Deutschland, Europa sowie im Globalen Süden. Sie untersucht Initiativen der Zivilgesellschaft wie „Terre des Femmes“ und internationaler Organisationen wie der International Labour Organization und macht, wie es in der Begründung der Jury heißt, auf „innovative und hervorragende“ Weise den Wandel transnationaler Arbeitswelten seit den 1970er-Jahren deutlich – die Vorgeschichte dessen, worüber derzeit im Streit um das Lieferkettengesetz in Europa gerungen wird.
Die Arbeit entstand als Teil eines interdisziplinären Forschungsverbandes des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Thema „Praktiken der Solidarität: Strukturen und Dynamiken transnationaler Solidarität im 20. und 21. Jahrhundert“, das von Prof. Dr. Dietmar Süß, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Augsburg, koordiniert wurde.
Der Professor, der auch die Arbeit betreute, freut sich sehr über die Auszeichnung: „Die Arbeit von Kornelia Rung ist ein beindruckender Beitrag zu Labour History, methodisch anregend, breit recherchiert und in der historischen Analyse sehr aktuell. Wer ihre Studie gelesen hat, versteht besser, wie sich unsere Vorstellungen davon, was als ‚fair‘ und ‚gerecht‘ in der globalen, kapitalistischen Arbeitswelt gilt, seit den 1970er-Jahren verändert haben – und wie sehr diese Entwicklungen unsere Gegenwart prägen.“
Über die Preisträgerin
Kornelia Rung hat in Augsburg Geschichte und Englisch studiert, sie war bis August 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte und ist seitdem Lehrbeauftragte und in der freien Wirtschaft tätig. Bei der Preisverleihung, die am 14.11.2024 in Dortmund stattfand, betonte sie, wie wichtig ihr der Begriff der Solidarität sei: Eine, wie sie betont, „komplexe, soziale Idee und Praxis, in der verschiedene Krisendiskurse und politische Utopien der 1970er-Jahre und 1980er-Jahre verschmolzen. Solidarität hat eine eigene Geschichte, und es war eine der spannenden Erfahrungen unseres Projektes, ihre verschiedenen Dimensionen zu entschlüsseln.“
Über den Preis
Die German Labour History Association (GLHA) vergibt den Thomas-Welskopp-Dissertationspreis für inhaltlich, methodisch und theoretisch innovative Dissertationen auf dem Gebiet der Labour History. In der GLHA sind Historikerinnen und Historiker sowie alle anderen Interessierte zusammengeschlossen, die sich an Universitäten, in Museen und anderen Erinnerungseinrichtungen, in Archiven, in Vereinen oder auch in der schulischen und außerschulischen Bildung mit Labour History befassen. Der Namensgeber, Thomas Welskopp, zuletzt Lehrstuhlinhaber an der Universität Bielefeld, gehörte zu den wichtigsten Historikern der Labour- und Gesellschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Er verstarb 2021. Der Preis erinnert an sein Lebenswerk.
Kornelia Rung erhielt den Preis gemeinsam mit dem Schweizer Historiker Philipp Krauer, der an der ETH Zürich forscht. Der Titel seiner ebenfalls prämierten Arbeit lautet „Swiss Mercenaries in the Dutch East Indies: A Transimperial History of Military Labour, 1848-1914“.