Dilemmata der Entwicklung: Geopolitische Erschütterungen, sozial-ökologische Transformation und planetare Wende

 

10.-11. Oktober 2024, Augsburg

 

CC BY-NC-ND

Call for Paper

Die gegenwärtigen Verhältnisse, die auch als „Vielfachkrise“ (Bader et al. 2011), „Endzeit“ (Žižek 2011) oder „katastrophale Zeit“ (Stengers 2015) bezeichnet werden, führen weltweit zu Verunsicherung und Zukunftsängsten. Verschiedenste Dilemmata fördern allgemein die Sorge um die indi-viduelle Zukunftssicherung, führen aber auch zu Nabelschau und Egoismus sowohl in den Staaten des Globalen Nordens wie des Globalen Südens. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat zu geopolitischen

Erschütterungen geführt, die universale Forderungen nach einer nachhaltigen Entwicklung zugunsten neuer

Blockbildungstendenzen in Frage stellen. Debatten um die geforderte sozial-ökologische Transformation werden zunehmend

ideologisch geführt und werfen die Frage auf, welche Art von „Entwicklung“ vor dem Hintergrund des Klimawandels überhaupt noch denkbar ist. Und schließlich stellt sich aus wissenschaftsphilosophischer Perspektive die Frage, ob erfolgversprechende Klimaanpassungsstrategien nicht ein fundamental neues Verständnis des „Planetaren“ voraussetzen, das versucht, Anthropozentrismen zu überwinden und Platz schaffen möchte für einen Fokus auf mehr als menschliche Zeithorizonte.
Im Rahmen des diesjährigen Treffens des Geographischen Arbeitskreises Entwicklungstheorien (GAE) wollen wir gemeinsam über die zentralen Dilemmata debattieren, die sich im Kontext gegenwärtiger Dynamiken für die geographische Entwicklungsforschung ergeben. In parallelen Arbeitsgruppen möchten wir über folgende Themen diskutieren:

 

Themenblock 1: Entwicklung und geopolitische Erschütterungen

 

Weltweit verschieben sich geopolitische Gewichte hin zu einer multipolaren Weltordnung (Stuenkel 2016): Der Aufstieg Chinas und die Ausweitung seiner Einflusssphäre, der relative Machtverlust des „Westens“ und die Krise des liberal-demokratischen Modells, die imperialistische Politik Russlands, vielfache geopolitische Neupositionierungen, neue Allianzen (z.B. die BRICS+) und die Abkehr von einer regelbasierten Weltordnung sind nur einige Beispiele. Oft geht dies mit einem intensiven Werben um die Länder des Globalen Südens und zunehmender Konkurrenz um Einflusssphären einher. Angesichts dieser Prozesse fragen wir, welche Bedeutung diese Machtverschiebungen für die Entwicklungsperspektiven im Globalen Süden haben. Welche alternativen Entwicklungsansätze und -ziele begleiten eine multipolare Weltordnung? Was bedeutet das offenbare Ende der politischen, wirtschaftlichen, moralischen und diskursiven Hegemonie des Westens für den Globalen Süden (Forough et al. 2023)? Sind die „alten“ Entwicklungsziele (v.a. im Sinne nachholender Entwicklung) auch die aktuellen bzw. zukünftigen? Inwiefern bieten alternative Entwicklungspfade emanzipatorisches Potenzial im Globalen Süden? Und gibt es überhaupt (noch) den Globalen Sü-den in einer multipolaren Welt (Haug et al. 2021)?

 

Themenblock 2: Dilemmata und Ambivalenzen der sozial-ökologischen Transformation

 

In diesem Themenblock wollen wir die grundsätzliche Frage aufwerfen, welche Art von „Entwicklung“ im Kontext der globalen Umweltkrise und bereits mehrfach überschrittener planetarer Grenzen (Folke et al. 2021; Richardson et al. 2023; Steffen et al. 2015) für wen und wo überhaupt noch möglich ist (Fanning et al. 2022). Wie wirkt sich der Globale Wandel (im Erdsystem, aber auch geopolitisch, technologisch und ökonomisch) auf die Entwicklungschancen im Globalen Süden aus? Was impliziert dies für den Globalen Norden? Welche Dilemmata und Ambivalenzen treten bei der Umsetzung der erforderlichen sozial und ökologisch gerechten Transformation auf (Raworth 2012)? Trägt das Versprechen einer „nachhaltigen Entwicklung“ in diesem Kontext noch (Randers et al. 2018; Randers et al. 2019), und welche „Entwicklung“ ist gemeint und möglich? Welche Rolle spielen dabei Überlegungen zu Umwelt- und Klimagerechtigkeit, inner-ökologischen Konflikten, postkolonialen Perspektiven und systemisch-strukturellen Aspekten sowie Macht- und Wohlstands-Asymmetrien auf unterschiedlichen Skalen? Welche Lösungsansätze gibt es, um die Dilemmata und Ambivalenzen aufzulösen oder zu entschärfen?

 

Themenblock 3: Entwicklung und planetare Wende

 

Im Gegensatz zur Globalisierung fordert das „Planetare“ ein Denken ein, das nicht anthropozent-risch ist und somit auch mehr-als-menschliche Zeitlichkeiten und Verflechtungen mitdenkt (Chakrabarty 2021; Nigel & Bronislaw 2020; Latour 2018; Schroer 2022). Ein Subjekt zu sein bedeutet nicht mehr autonom zu handeln, sondern die Handlungsfähigkeit mit anderen Subjekten zu teilen, die ihre Autonomie partiell eingebüßt oder gar verloren haben (Mbembe 2019). Doch die noch immer hegemoniale Idee der „Modernisierung“ betrachtet bislang mehr-als-menschliche Entitäten als leblos und passiv, als Ressourcen „ready-to-be-used“. Unter dem Stichwort des Planetaren soll diese ontologische Reduktion von Materialität aufgelöst werden. Im Rahmen dieses The-menblocks möchten wir der Frage nachgehen, was das Planetare für die Geographische Entwicklungstheorie bedeutet. Inwiefern verändert das planetare Denken unser Verständnis vom „Menschsein in der Welt“? Welchen Beitrag kann eine solche Denkweise für die Bewältigung von ökologischen und sozialen Ungerechtigkeiten leisten? Wie lassen sich Gesellschaften im Sinne Bruno Latours (2017) „reterrestrialisieren“?

Das Treffen des Geographischen Arbeitskreises Entwicklungstheorien (GAE) findet am 10. und 11. Oktober 2024 (jeweils ganztags) an der Universität Augsburg statt. Neben Keynotes und individuellen Vorträgen wollen wir die Zeit insbesondere für den gemeinsamen Austausch in Arbeitsgruppen zu den genannten drei Themenblöcken nutzen. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Weitere Einzelheiten zum Programm sowie einen Reader mit relevanter Literatur werden wir im Vorfeld der Tagung zirkulieren.

Wir freuen uns auf zahlreiche Anmeldungen und aufschlussreiche Diskussionen.

Andreas Benz, Markus Keck, Sebastian Purwins, Matthias Schmidt, Niklas Völkening

 

Hier können Sie den Call for Paper herunterladen

 

Programm

Sobald das Programm fertiggestellt ist, wird es an dieser Stelle veröffentlicht.

Anmeldung

Bitte melden Sie sich bis zum 31.07.2024 per E-Mail an gae2024@geo.uni-augsburg.de zur Teilnahme am Treffen des GAE an. Weitere Informationen erhalten Sie nach Ihrer Anmeldung per E-Mail.

Literatur/Tagungsreader

An dieser Stelle veröffentlichen wir alsbald einen Reader mit relevanter Literatur zur inhaltlichen Vorbereitung auf die Tagung.

Lagepläne und Anfahrt

Tagungsort
Zentrum für Klimaresilienz - ZfK
Universität Augsburg
Universitätsstraße 12

86159 Augsburg

 

Kontakt

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