Bericht zum GBL Brown Bag Lunch vom 3.2.2020
Im zweiten Teil der interdisziplinären Vortragsveranstaltungen GBL Brown Bag Lunch im laufenden Wintersemester fand am Montag, 03.02.2019, ein Vortrag von Professor Dr. Robert Nuscheler zur Frage, ob Organspender bei der Vergabe von Spenderorganen bevorzugt werden sollen, statt.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Brown Bag Lunch des Kompetenzzentrums Global Business and Law (GBL) treffen sich Angehörige von rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Fakultät zweimal pro Semester, um über ein aktuelles Thema der interdisziplinären Forschung zu diskutieren.
Im Mittelpunkt stand dieses Mal der Vortrag von Professor Dr. Robert Nuscheler, Lehrstuhl für Finanzwissenschaft, insbesondere Gesundheitsökonomik zum Thema „Organspende – Sollen Spender als Empfänger bevorzugt werden?“.
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entscheidung für die Zustimmungs- und gegen die Widerspruchslösung im Rahmen der Organspende-Diskussion, stellte Professor Nuscheler mit der sog. Reziprozität einen weiteren regulierenden Aspekt bei der Verteilung von Spenderorganen vor. Eine solche Regelung sieht vor, dass Personen, die einer Organspende zustimmen bzw. dieser nicht widersprechen, bei eigenem Bedarf bevorzugt berücksichtigt werden. Da bei der Organverteilung auch andere Faktoren berücksichtigt werden, wie Gewebeverträglichkeit, Erfolgsaussicht und Wartezeit, bedeutet Reziprozität letztlich, dass potenzielle Spender auf der Warteliste (etwas) noch vorne rutschen.
Der Referent argumentierte, dass ein solcher Mechanismus den Anreiz erhöht (potenzieller) Organspender zu sein. Reziprozität trägt so zur Reduktion der Knappheit von Spenderorganen bei. Derzeit versterben jedes Jahr allein in Deutschland etwa 1000 Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten. Diese Zahl könnte durch die Einführung von Reziprozität bei der Organverteilung spürbar gesenkt werden. „Dies ist umso wichtiger, da mit der Ablehnung der Widerspruchslösung durch den Deutschen Bundestag eine Chance vertan wurde, das Organaufkommen zu erhöhen“, so Professor Nuscheler.
Ob ein solches Konzept tatsächlich seine Wirkung entfalten kann, hängt von der konkreten Umsetzung ab. So muss das Ausmaß der Bevorzugung potenzieller Spender hoch genug gewählt werden. Auch wird man darauf achten müssen, dass sich ein solches System nicht durch Nebenabsprachen austricksen lässt. So könnte man selbst der Organspende zustimmen, um bei der Organverteilung bevorzugt berücksichtigt zu werden, gleichzeitig aber die Angehörigen beauftragten, im Falle eines Falles der Organspende zu widersprechen. Diese Möglichkeit wird als ein Grund vermutet, warum die Einführung der Reziprozität in Israel nur zu einer geringen Erhöhung der Spendebereitschaft geführt hat.
Aufgrund der Tagesaktualität der gesamten Thematik – wenige Wochen zuvor stimmte der Bundestag stark medial begleitet in einer Gewissensentscheidung gegen die Einführung einer sog. Widerspruchslösung ab – schloss sich eine lebhafte Diskussion an, die allen Beteiligten weitere wertvolle Denkanstöße lieferte. Insbesondere wurde die Verzahnung von ökonomischen Erkenntnissen mit rechtsstaatlichen und rechtsethischen Anforderungen thematisiert.
Der nächste GBL Brown Bag Lunch findet von 12:00 bis 13:00 Uhr am 27.04.2020 statt. Dabei wird wieder ein Vortrag mit rechtswissenschaftlicher Prägung im Vordergrund stehen. Der Vortragende und das Vortragsthema werden noch zu gegebener Zeit bekannt gegeben.