Sachverhalt der Hausarbeit im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene
Hausarbeit in der Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene
Sommersemester 2025
Sachverhalt
Inmitten des Paartals auf dem Gebiet der kreisangehörigen Stadt Friedberg (Landkreis Aichach-Friedberg, Regierungsbezirk Schwaben) betreibt der B in bereits siebter Generation einen Hof, auf dem er gemeinsam mit seiner Frau und zwei Kindern lebt. Der Hof und die ihn umgebenden Felder und Wiesen, für die kein Bebauungsplan existiert, umfassen ein Areal von mehreren Hektar. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von B liegt beim Ackerbau. Auf dem Ackerland baut er in wechselnder Fruchtfolge verschiedene Getreidesorten, Hülsenfrüchte und Kartoffeln an, um aus dem Verkauf seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die restlichen Wiesenflächen nutzt er für die Haltung von ein paar Schafen, für die er nur in den Wintermonaten ab und an Futter zukaufen muss. Auf dem Hofgelände befinden sich das Wohnhaus des B sowie eine Maschinenhalle, zwei Scheunen und ein Silo, im umliegenden Bereich ein paar kleinere Schuppen, ein Pferch samt Unterstand für die Schafe und eine Schäferkate (einzelne einfache Wohnbehausung für Schäfer nahe der Herde). Bis zum Ortsgebiet, wo die nächste zusammenhängende Bebauung beginnt, sind es mehrere Kilometer. B hatte den Hof vor einigen Jahren von seinem Vater V übernommen, der daraufhin in der nicht weit entfernten „Pro Seniore“ Residenz im Stadtzentrum, einem Pflegeheim, ein Zimmer bezogen hat. Aufgrund seines hohen Alters und seines Gesundheitszustands (Pflegegrad 4) ist V auf ständige Betreuung angewiesen, die er dort erhält. Da sein einziger Sohn B, der mit der Bewirtschaftung des Hofes alle Hände voll zu tun hat, diese nicht selbst leisten kann, kommt er stattdessen vollumfänglich für die Lebenshaltungskosten des V auf.
Am Heiligabend 2024 ereignet sich ein Großbrand in dem Pflegeheim, das infolgedessen auf nicht absehbare Zeit unbewohnbar wird. V hielt sich zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise bei B auf, um gemeinsam mit der Familie Weihnachten zu feiern, und wurde daher nicht verletzt. Er hat jedoch seine Bleibe verloren und muss nun vorübergehend bei B unterkommen. Die Wohnsituation im Haus des B wird dadurch enorm erschwert, zumal dieses nicht barrierefrei ausgebaut ist und täglich eine externe Pflegekraft zur Betreuung des V an- und wieder abreisen muss, obwohl der V permanente professionelle Betreuung benötigt. B hält dies auf Dauer für keinen tragbaren Zustand. Andere bezahlbare Seniorenheime mit demselben Betreuungsniveau gibt es in der Umgebung allerdings nicht. Der Kauf einer Wohnung oder gar eines Hauses im Stadtgebiet zusätzlich zum Engagement einer Pflegekraft sprengt die finanziellen Möglichkeiten des B, zumal seine Frau mit dem dritten Kind und einem errechneten Entbindungstermin im Herbst schwanger ist und daher eine weitere Verschärfung der Wohn- und Finanzsituation droht. Ein Wegzug des tief in der Heimat verwurzelten V an einen weiter entfernten Ort kommt für die ganze Familie, die dadurch auseinandergerissen würde, nicht in Frage. Auf der Suche nach einem Ausweg aus diesem Dilemma kommt B eine Idee: Seine Grundstücksflächen sind doch groß genug, warum den V also nicht einfach dort samt einer Vollzeitpflegekraft unterbringen? Eine bezugsfertige Wohnung von angemessener Größe und Ausstattung (2-3 ZKB, barrierefrei) existiert zwar noch nicht, aber das ließe sich durch entsprechende Baumaßnahmen leicht und kostengünstig bewerkstelligen. Konkret erwägt er die folgenden drei Optionen:
- Option 1: Eine der beiden Scheunen auf dem Hofgelände, die dort erst vor drei Jahren und gedeckt durch eine Baugenehmigung errichtet wurde, steht nahezu leer. B benötigt sie für den wirtschaftlichen Betrieb nicht (wie er auch später gegenüber der Behörde beteuert) und könnte sie daher zu einem Wohnhaus umfunktionieren. Wesentliche äußerliche Veränderungen wären dafür nicht erforderlich.
- Option 2: Die etwas abseits gelegene Schäferkate wurde infolge einer Flut vergangenen Sommer, bei der die Paar über die Ufer trat, zerstört und unbewohnbar. Da der Tierbestand des B nicht mehr so groß ist, als dass er einen Schäfer engagieren müsste, beließ er das Gebäude zunächst in dem Zustand. Nun aber könnte man es von Grund auf renovieren bzw. neu aufbauen, um dem V und einer Pflegekraft eine Unterkunft zu bieten. Auch hier wären Bauvolumen, Nutzung und Funktion weitgehend identisch, gegebenenfalls geringfügige Erweiterungen zum barrierefreien Ausbau angezeigt, etwa eine Rollstuhlrampe. Der Urgroßvater des B, der die Kate vor vielen Jahren errichten ließ, als dort noch eine größere Siedlung stand, tat dies damals zwar ohne Baugenehmigung, aber im Einklang mit den einschlägigen materiellrechtlichen Vorschriften.
- Option 3: Ferner ließe sich das Wohnhaus des B um eine zusätzliche Wohneinheit erweitern. Ein Anbau bestehend aus zwei bis drei Zimmern, Küche und Bad würde den vorhandenen Gebäudebestand um ca. 25 % vergrößern. Das Wohnhaus, ebenfalls zurückgehend auf den Urgroßvater des B, ist von einer Baugenehmigung gedeckt, die damals allerdings rechtswidrig erteilt wurde.
Zur Erhöhung seiner Chancen reicht B gleich für alle drei Vorhaben in der Hoffnung, für seine Vorhaben die benötigten Baugenehmigungen zu erhalten, ordnungsgemäße Bauanträge beim Landratsamt Aichach-Friedberg ein. Dort ist man im Einvernehmen mit der Stadt Friedberg jedoch anderer Ansicht. Die Schäferkate liege in einer hochwassergefährdeten Senke, die von dem für dieses Gebiet erarbeiteten wasserrechtlichen Plan als Risikogebiet (§ 73 WHG) deklariert wird. Die entsprechende Gefahrenkarte nach § 74 WHG mit qualifizierten Darstellungen zur Hochwassersituation attestiert dem Areal eine statistisch hohe Wahrscheinlichkeit der Überflutung bei Hochwasserereignissen und hält es daher für Bebauung ungeeignet. Die Renovierung der Kate zu Wohnzwecken widerspreche mithin dem wasserrechtlichen Plan. Zudem sei das Gebiet in der „Überschwemmungsgebietsverordnung für das Überschwemmungsgebiet der Paar von Flusskilometer 64,2 bis Flusskilometer 122,2 auf den Gebieten der […] Stadt Friedberg vom 10.01.2025“, die vom Landratsamt Aichach-Friedberg als Reaktion auf das letzte Flutereignis gem. § 76 II WHG erlassen worden war, in Orientierung an der wasserrechtlichen Planung als Überschwemmungsgebiet festgesetzt worden. Dort gelte also nun ein Bauverbot gem. § 78 IV WHG; Ausnahmen könnten angesichts der Beeinträchtigung des bestehenden Hochwasserschutzes nicht zugelassen werden. Unabhängig davon sei bei allen drei Vorhaben eine Zersiedelung der Umgebung zu befürchten. Der Scheunenumbau entfalte eine gewisse negative Vorbildwirkung für zukünftige Wohnbauprojekte. Bei der Renovierung der Schäferkate folge dies aus der Wiederaufnahme und Intensivierung der ehemaligen Wohnnutzung. Durch den Einbau einer zweiten Wohneinheit in das Wohnhaus des B käme es zwar zu keiner Ausdehnung einer Streubebauung nach außen, aber zu einer Verdichtung nach innen. Unter gewissen Voraussetzungen unterlägen zwar auch nicht privilegierte
Vorhaben einem erleichterten bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsmaßstab. Allerdings sei die Scheune erst vor wenigen Jahren errichtet worden, was eine Begünstigung zur Vermeidung von Missbrauch ausschließe. Zudem könne nur die Familie von einer Begünstigung profitieren. Es sei also ausgeschlossen, die Ansprüche zugunsten des Einzugs einer Pflegekraft durchzusetzen. Gleiches gelte, wenn die ursprünglichen Gebäude seinerzeit illegal errichtet wurden.
Am 14.3.2025 werden die entsprechenden Ablehnungsbescheide zur Post aufgegeben, die dem B bereits am 15.3.2025 per Einwurf in seinen Briefkasten zugehen. Da zu dieser Zeit die Aussaat des Sommerweizens seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht, befasst er sich erst am 19.4.2025 wieder mit der Sache. Die Begründung der Behörde hält er für nicht tragbar. Zumindest der Umbau der Scheune und der Ausbau seines Wohnhauses zu einem „Altenteilerhaus“ bzw. einer „Altenteilerwohnung“ dienten als „mitgezogene“ Nutzung zumindest im weiteren Sinne seinem landwirtschaftlichen Betrieb und seien daher als privilegierte Vorhaben prinzipiell zulässig. Dass V nach der Hofübergabe zwischenzeitlich im Pflegeheim gelebt hat, könne daran nichts ändern. Zudem seien die geltend gemachten Bedenken hinsichtlich womöglich beeinträchtigter Belange unbeachtlich. Es müsste nämlich die besondere Situation seiner Vorhaben berücksichtigt werden, die diese im Ergebnis begünstige: die Umfunktionierung der Scheune zu einem Wohnhaus, mit der keine wesentliche äußerliche Veränderung einhergehe; die Neuerrichtung einer durch Hochwasser zerstörten, ehemals bewohnten Hütte; die Erweiterung eines Wohngebäudes zur Nutzung durch die eigene Familie, wozu aufgrund der besonderen Bedürftigkeit des V (Pflegegrad 4) auch eine Pflegekraft zu zählen sei. Mag die Errichtung der Schäferkate ohne Baugenehmigung und des Wohnhauses wider das geltende Recht seinerzeit auch unter fragwürdigen Umständen geschehen sein, jetzt jedenfalls könne das dem B nicht mehr vorgehalten werden.
B will die Ablehnungen nicht hinnehmen und fragt sich, wie er gerichtlich dagegen vorgehen könnte. Zu diesem Zweck ruft er am 19.4.2025 den befreundeten Rechtsanwalt R an, schildert ihm den Sachverhalt und bitten ihn um eine gutachterliche Einschätzung.
Was wird R antworten?
Zusatzfrage ca. 25 % der Bewertung
Ausgehend von der Einschätzung des R überlegt B, ob man das gerichtliche Verfahren, das seines Wissens Monate oder gar Jahre dauern kann, beschleunigen und eine richterliche Entscheidung schneller herbeiführen könnte. Die Zeit drängt angesichts der Schwangerschaft seiner Frau. Den Kauf einer neuen Wohnung im hochpreisigen Friedberg könne B sich dann erst recht nicht mehr leisten, aber den V weit entfernt in ein Heim zu geben oder einfach auf die Straße zu setzen kommt für ihn auch nicht in Frage.
Es müsse doch möglich sein, mit Blick auf die drohenden wesentlichen Nachteile möglichst schnell günstigen Wohnraum für V auf dem Hofgelände zu schaffen. Ihm sei bewusst, dass der Staat ein Interesse daran habe, Rechtssicherheit im Baugenehmigungsverfahren zu wahren, damit nicht unmittelbar auf einen vorschnell erteilten, tatsächlich rechtswidrigen Genehmigungsbescheid die Abrissverfügung folgt – sofern der Abriss überhaupt in Frage kommt. Die Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung
stehe dem womöglich entgegen, sodass eine Erosion der bauplanungsrechtlichen Ordnung zu befürchten sei. Hier aber habe er ja aller Wahrscheinlichkeit nach einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Außerdem werde im Falle der Versagung einer einstweiligen Regelungsanordnung gegebenenfalls die Staatskasse durch Sozialhilfeleistungen für den V belastet, was auch nicht im Interesse des Staates liegen könne.
Eine unzulässige Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache sieht B in einer Eilentscheidung nicht. Zwar würde die Erteilung einer (vorläufigen) Baugenehmigung im Eilverfahren einer Maßnahmevorwegnahme gleichkommen, aber seines Wissens gebe es Ausnahmen vom Vorwegnahmeverbot, deren Voraussetzungen in seiner Situation erfüllt seien. Ferner sei bereits zweifelhaft, ob man überhaupt auf das Vorwegnahmeverbot, das eine überzeugende dogmatische Begründung vermissen lasse, abstellen könne oder eine vorläufige Maßnahmevorwegnahme nicht vielmehr generell zulässig und vom Gesetzgeber auch intendiert sei.
Wie wird sich R hierzu äußern?
Allgemeine Hinweise
- Die Bearbeitung darf – Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Aufgabenstellung, Literaturverzeichnis und Abkürzungsverzeichnis nicht mitgezählt – einen Umfang von maximal 60.000 Zeichen inkl. Fußnoten und Leerzeichen nicht überschreiten. Überschreitungen des Umfanges werden bei der Bewertung negativ berücksichtigt.
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- Die Arbeit ist bis zum 20.03.2025 (11:00 Uhr) in digitaler Form als Word-Dokument in den, dafür eingerichteten Ordner in Digicampus unter folgender Bezeichnung hochzuladen: Nachname-Vorname-ÖR-Hausarbeit.
Zusätzlich ist die Arbeit bis zum 20.03.2025 (11:00 Uhr) in gedruckter Form beim Prüfungsamt der Universität (Briefkasten für Hausarbeiten im Foyer des Gebäudes der Juristischen Fakultät) einzureichen. Alternativ kann die Arbeit postalisch (Poststempel 20.03.2025) an folgende Adresse versendet werden:
Universität Augsburg
Juristische Fakultät
Prüfungsamt
(Hausarbeit Große Übung Kment)
Universitätsstr. 24
86159 Augsburg
- Besprechung und Rückgabe der Arbeit finden in einer der Sitzungen zur Großen Übung statt.
- Die Ergebnisse werden von der Universität in STUDIS eingetragen. Die Prüfung der Teilnahmevoraussetzungen erfolgt ebenfalls über STUDIS. Die Teilnehmenden müssen sich über STUDIS anmelden. Der Anmeldezeitraum beginnt am 15.02.2025 (12:00 Uhr) und endet am 15.03.2025 (12:00 Uhr).
- Alle Teilnehmenden melden sich außerdem bereits zu Beginn der Bearbeitungszeit im Digicampus zu der Veranstaltung „Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene“ an, da die Kommunikation, etwa zur Besprechung und Rückgabe der Arbeit oder auch zu kurzfristigen Änderungen von Bearbeitungsmodalitäten, über Digicampus stattfinden wird.