(...) Die Europäische Union versteht sich neben der Friedens- und Wirtschaftsunion auch als Rechtsgemeinschaft. Gerade in Krisensituationen muss und sollte sich das Selbstverständnis der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft bewähren.

 

Zunächst beleuchteten die Referenten die Grundlagen, die Europa als Rechtsgemeinschaft qualifizieren. Prof. Dr. Rudolf Streinz (München) und Prof. Dr. Markus Kotzur (Hamburg) betonten, dass sowohl dem EuGH mit der in Art. 19 EUV definierten Aufgabe „Wahrung des Rechts“ als auch der Kommission „als Hüterin der Verträge“ bedeutende Rollen im Rahmen der Währungsunion zukämen. Die Kontrollkompetenzen der Kommission seien aber an entscheidender Stelle durch die in Art. 126 Abs. 10 AEUV angeordnete Nichtjustiziabilität von Verstößen der Mitgliedstaaten gegen die Haushaltsdisziplin stark eingeschränkt, obwohl gerade in diesem Bereich durch die bloße Kompetenzübertragung der Währungspolitik und nicht der Finanz- und Wirtschaftspolitik ein besonderes Spannungsverhältnis bestehe.

 

Bundesfinanzminister a.D. Dr. Theodor Waigel stellte anschließend die Einführung des Euro und die Umsetzung des Stabilitätspaktes auf der Basis des Vertrags von Maastricht aus politischer Sicht dar. Die konkreten Verstöße gegen das EU-Recht ließen sich wie ein roter Faden festhalten.

 

Der erste Fehler sei bereits bei der Aufnahme einzelner Mitgliedstaaten in die Währungsunion begangen worden. Griechenland, Italien und Belgien erfüllten die sich aus dem Stabilitätspakt ergebenden Konvergenzkriterien nicht und verstießen gegen den zum Zeitpunkt der Aufnahme geltenden Art. 109 j EGV. Der Bruch des Stabilitätspaktes und damit der zweite Fehler sei bei der Umsetzung der Währungsunion durch Deutschland und Frankreich begangen worden, die nach Abschluss ebenfalls gegen die Vorgaben verstießen. Prof. Dr. Christoph Degenhart (Leipzig) nannte schließlich als dritten Fehler die Missachtung der Non-Bail-Out Klausel des Art. 125 AEUV. Schließlich ergänzte Prof. Dr. Helmut Siekmann (Frankfurt) die Fehler, die v.a. durch das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) und durch die EZB durch Verletzung der Art. 123 und 127 Abs. 5 AEUV begangen worden sind.

 

Um künftig einen belastbaren Rechtsrahmen für die Währungsunion zu schaffen, zeigte Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler verschiedene, zum Teil gegensätzliche Lösungswege auf: eine Variante seien extreme Reaktion wie ein Ausschluss bzw. Austritt der stark verschuldeten Staaten oder die Einführung einer Transferunion durch die Ausgabe von sog. Eurobonds. Vorzugswürdig sei aber die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Stabilitätspakts- und Wachstumspaktes und die Akzeptanz von „Euro-Rettungsschirmen“. Prof. Dr. Dr. Peter Sester (Karlsruhe) betonte, dass die Währungsunion ohne eine Fiskalunion keinen Bestand haben könne. Schließlich plädiert Prof. Dr. Christoph G. Paulus (Berlin) für die Einführung eines alternativen Resolvenzverfahrens für eine geordnete Staateninsolvenz.

 

Anschließend schilderten Prof. Dr. Peter Huber (München) und Prof. Dr. Ulrich Häde (Frankfurt (Oder)) die Perspektive des Bundesverfassungsgerichts zur Wahrung der rechtsstaatlichen Grenzen bei den genannten Lösungsvorschlägen. Den Abschluss der Tagung bildeten Prof. em. Dr. Charles Blankart (Berlin) und Prof. Dr. Christoph Ohler (Jena) mit Vorträgen zum künftigen verfassungsrechtlichen Rahmen der Union. So kämen die Erhaltung des status quo, die Herbeiführung eines Europäischen Bundesstaates oder ein Rückbau der Europäischen Währungsunion in Betracht.

 

Die Tagung gab wichtige Denkanstöße für verschiedene Lösungsansätze, um die Schuldenkrise zu bewältigen und die Integration in Europa weiter voranzutreiben. Die Beiträge erscheinen zeitnah in einem Tagungsband bei Mohr-Siebeck.

Suche