Nachruf zum Tod
In tiefer Dankbarkeit und Anerkennung blicken wir zurück auf das Leben und Wirken von Prälat Prof. Dr. phil. Dr. theol. Anton Ziegenaus, Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg von 1977 bis 2004, der am 7. August 2024 nach längerer Krankheit im Alter von 88 Jahren verstorben ist.
Professor Ziegenaus hat an unserer Fakultät eine ganze Generation von Priestern, Laientheologen und Religionslehrern im Fach Dogmatik unterrichtet. Mit der ihm eigenen Verbindung von hervorragender wissenschaftlicher Kompetenz und tiefer persönlicher Frömmigkeit hat er die Inhalte seiner Disziplin für den späteren Dienst der Studierenden in Pastoral, Schule und Wissenschaft erschlossen. Unter seiner Betreuung wurden an unserem Lehrstuhl 19 Dissertationen und vier Habilitationen abgeschlossen. Mit seinen zahlreichen wissenschaftlichen Büchern und Aufsätzen, aber auch unzähligen vermittlungsorientierten Vorträgen und Publikationen ist Anton Ziegenaus als Vertreter einer heilsgeschichtlich ansetzenden Dogmatik weit über den deutschen Sprachraum hinaus bekannt geworden. Die von ihm verfassten Bände der „Katholischen Dogmatik“ (konzipiert gemeinsam mit seinem Lehrer Leo Scheffczyk) und zahllose Fachbeiträge, vor allem zur Mariologie und Sakramententheologie, bezeugen beispielhaft seine Fähigkeit, auf der Grundlage einer umfassenden Vertrautheit mit der Heiligen Schrift und der Vätertradition die katholische Glaubenslehre für die heutige Zeit differenziert, ausgeglichen und klar zur Darstellung zu bringen.
Das theologische Werk, das Anton Ziegenaus uns hinterlässt, wird weit über seinen Tod hinaus in der Lage sein, die Forschung zu befruchten und lebendige Orientierung zu vermitteln. Der Lehrstuhl Dogmatik weiß sich diesem reichen Erbe bleibend verpflichtet.
Prof. DDr. Thomas Marschler
Im Folgenden geben wir mit freundlicher Genehmigung des Verfassers eine ausführliche Würdigung wieder, in der Prof. Dr. Manfred Hauke (Lugano), vormals Habilitand und Wissenschaftlicher Assistent von Anton Ziegenaus am Augsburger Lehrstuhl, auf Leben und Werk des Verstorbenen zurückblickt (veröffentlicht erstmals auf der Homepage der Zeitung „Die Tagespost“, 08.08.2024):
Der Dogmatiker Anton Ziegenaus ist tot. Er verstarb am Mittwoch im Alter von 88 Jahren in seinem Haus in Bobingen. Er war vorbereitet mit den Gnadenmitteln der Kirche und wurde liebevoll betreut von Angehörigen sowie einer Pflegekraft.
Ziegenaus wurde am 15. März 1936 in Höfarten (Gemeinde Schiltberg, heute Landkreis Aichach-Friedberg) geboren. Er studierte Philosophie und Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Seit 1956 war er Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.D.St.V. Aenania München im CV. Sein besonderes Interesse galt der altchristlichen Geisteswissenschaft. Das Philosophiestudium schloss er mit einer Dissertation unter der Leitung von Alois Dempf zum Thema „Das Menschenbild des Theodor von Mopsvestia“ (1963) ab. In der Münchner Stadtpfarr- und Universitätskirche St. Ludwig empfing Ziegenaus am 21. Juli 1963 nach dem Tod des Diözesanbischofs durch Weihbischof Joseph Zimmermann die Priesterweihe. Von 1963 bis 1966 wirkte er als Stadtkaplan in der Krumbacher Pfarrei St. Michael.
Das Thema der philosophischen Doktorarbeit zeigt bereits ein intensives Interesse an der Theologie. Seit 1966 studierte Ziegenaus in München für seine theologische Doktorarbeit, die er 1971 abschloss. Der Titel lautete: „Die trinitarische Ausprägung der göttlichen Seinsfülle nach Marius Victorinus“ (1972). Die Dissertation wurde betreut von Leo Scheffczyk (1920-2005), den der heilige Johannes Paul II. 2001 zum Kardinal erhob und dem Ziegenaus über mehrere Jahre hinweg als Assistent zur Seite stand. Dem theologischen Denken Scheffczyks blieb er eng verbunden.
Die theologische Ausbildung vollendete Ziegenaus 1974 durch die Habilitation in Dogmatik mit einer Arbeit über „Umkehr – Versöhnung – Friede. Zu einer theologisch verantworteten Praxis von Bußgottesdienst und Beichte“ (1975). In dieser Schrift zeigt Ziegenaus, dass die Sakramente Ausfaltungen und Lebensvollzüge der Kirche sind, die gerade dort, wo es um Sünde, Lossprechung und Wiederversöhnung geht, als sakramentale Größe ins Spiel kommt. Die persönliche Beichte wird dabei in ihrer geschichtlichen Begründung und ihren systematischen Grundzügen zur Geltung gebracht.
Bald nach der Habilitation erreichte den Theologen ein Ruf an die Universität Augsburg, wo er ab 1976 als Wissenschaftlicher Rat und Professor sowie von 1977 bis 2004 als Ordinarius für Dogmatik wirkte. Von 1986 bis 1988 war er Dekan der Katholischen Fakultät. Als Forschungsschwerpunkte traten heraus die Christologie, die Mariologie, die Sakramentenlehre (insbesondere zur Buße und Krankensalbung), die Kanongeschichte und die Eschatologie. Von 1989 bis 2005 war Ziegenaus Vorsitzender der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Mariologie“, eine Aufgabe, die mit der Herausgabe der „Mariologischen Studien“ verbunden war. Von 2005 bis 2018 wirkte er als Sekretär der Arbeitsgemeinschaft. Er war Mitglied der „Pontificia Academia Mariana Internationalis“, die regelmäßig mariologische Weltkongresse organisiert.
Intensiv mitgewirkt hat er als Sektionsleiter des Bereiches „Dogmatik“ an dem von Leo Scheffczyk und Remigius Bäumer herausgegebenen „Marienlexikon“, dem umfangreichsten mariologischen Nachschlagewerk der neueren Theologiegeschichte. Dieses Jahrhundertprojekt wurde erstellt im Auftrag des „Institutum Marianum Regensburg“, dessen Vorstand Ziegenaus angehörte. Gemeinsam mit Scheffczyk und Kurt Krenn begründete er 1985 die Zeitschrift „Forum Katholische Theologie“ und war deren Mitherausgeber bis zu seinem Tode (zuletzt gemeinsam mit dem Autor dieses Textes und Michael Stickelbroeck).
Das Verzeichnis seiner wissenschaftlichen Schriften umfasst etwa 550 Titel. Dazu gesellen sich zahlreiche Predigten und andere geistliche Beiträge, vor allem in der homiletischen Zeitschrift „Praedica Verbum“, deren Schriftleitung Ziegenaus über viele Jahre hinweg angehörte. Die didaktische Fähigkeit, die systematische Theologie auf anschauliche Weise weiten Kreisen nahezubringen, zeigt sich nicht zuletzt in einer großen Zahl von Radioansprachen, insbesondere für Radio Horeb.
Stets begleitet war die wissenschaftliche Arbeit von dem seelsorglichen Einsatz als Priester, vor allem in Bobingen, dem Wohnort von Anton Ziegenaus. Bevor sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte, beging er im Jahre 2021 das 45. Jubiläum seines Wirkens als nebenamtlicher Seelsorger im Krankenhaus Bobingen. Diese reiche pastorale Erfahrung zeigt sich etwa in den Veröffentlichungen zur Krankensalbung, zur Buße und zu den „Letzten Dingen“. Dem Bistum Augsburg ist der wissenschaftliche und seelsorgliche Eifer des Verstorbenen besonders zugutegekommen. Viele Jahre war er Mitglied der Kommission für die Zweite Dienstprüfung der Priester im Bistum Augsburg.
Seit 1999 oblag ihm, in Verbindung mit dem „Initiativkreis katholischer Laien und Priester in der Diözese Augsburg“, die Leitung der Theologischen Sommerakademie in Dießen (Ammersee) und später in Augsburg. Seit dem Jahre 2000 war er außerdem Kuratoriumsmitglied des „Forum Deutscher Katholiken“ und ein gefragter Referent auf den Kongressen „Freude am Glauben“. Viel beachtete Vorträge hielt er auch auf der Theologischen Sommerakademie des Linzer Priesterkreises, zu deren wissenschaftlichem Beirat er gehörte.
Ziegenaus betreute eine beachtliche Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere für die Promotion und Habilitation. Die Ausstrahlung seines theologischen Werkes geht dabei weit über den deutschsprachigen Bereich hinaus. Dies zeigt unter anderem die internationale Vortragstätigkeit in italienischer, spanischer und portugiesischer Sprache. Erwähnenswert sind hier vor allem die Einsätze als Gastprofessor in Pamplona (Universität von Navarra) und Rom (Päpstliche Universität vom Heiligen Kreuz). Seine mannigfachen Verdienste wurden von Seiten der Kirche gewürdigt durch die Ernennung zum Bischöflich Geistlichen Rat (1982), zum Kaplan Seiner Heiligkeit mit dem Titel Monsignore (1983) und zum Päpstlichen Ehrenprälaten (1989). 2008 erhielt er in Budapest den Stephanuspreis als Anerkennung für sein wissenschaftliches Lebenswerk.
Ein repräsentativer Zugang zum wissenschaftlichen Werk von Ziegenaus findet sich in zwei Sammelbänden mit Aufsätzen („Verantworteter Glaube“, 1999 – 2001). Eine ganz besondere Bedeutung für die theologische Rezeption kommt der gemeinsam mit Leo Scheffczyk verfassten „Katholischen Dogmatik“ zu. Vier der acht Bände stammen aus der Feder von Anton Ziegenaus: die Christologie (Bd. IV), die Mariologie (Bd. V), die Ekklesiologie und Sakramentenlehre (Bd. VII) sowie die Eschatologie (Bd. VIII).
Auch nach seiner Emeritierung im Jahre 2004 setzte Ziegenaus seine wissenschaftliche Tätigkeit fort mit Vorträgen, Publikationen, der Organisation von Tagungen und der Betreuung von Doktoranden. Er wirkte weiterhin als ordentlicher Professor an der Gustav-Siewerth-Akademie, die sich dem Gespräch zwischen Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften widmet.
Zu seinem 70. Geburtstag (2006) erschien eine ihm gewidmete Festschrift mit dem Titel: „Donum Veritatis. Theologie im Dienst an der Kirche“. Mit den Worten Donum Veritatis („Geschenk der Wahrheit“) beginnt auch die Instruktion der Glaubenskongregation über die kirchliche Berufung des Theologen (1990). Kirchlichkeit und Wissenschaftlichkeit prägen gleichermaßen das Lebenswerk des Verstorbenen. Das Leben von Anton Ziegenaus stand im Dienst der ewigen Wahrheit, die in Jesus Christus menschliche Züge angenommen hat und in der Kirche zugänglich ist.
Ein besonders origineller Gesichtspunkt seines Lebenswerkes ist die weltweit einmalige Sammlung von Marienmünzen, die vom 2. Oktober 2020 bis zum 10. Januar 2021 im Augsburger Diözesanmuseum St. Afra gezeigt wurde. Der 2020 veröffentlichte Katalog trägt den Titel „Mariengeprägt“, den wir auch auf das Leben des Verstorbenen anwenden können. Sein meines Wissens letzter Vortrag war für den Internationalen Mariologischen Kongress in Rom, der wegen der Corona-Pandemie im Jahre 2021 nach einjähriger Verzögerung digital gehalten wurde; Anton Ziegenaus hielt ihn mit Hilfe des Laptops eines Bekannten am 9. September 2021 vom Augsburger Haus St. Ulrich aus. Der Titel lautete: „Maria in der religiösen Kultur Bayerns“.