Was ist Public-Health-Ethik?

Public-Health-Ethik bearbeitet alle Themen im Bereich Public Health, also populationsbezogener Gesundheit, aus ethischer Perspektive. Sie bezieht dabei empirische Erkenntnisse z.B. aus den Bereichen Public Health, Soziologie, Medizin, Psychologie, Politik mit ein und arbeitet selbst auch empirisch (z.B. mittels qualitativer Interviews). Sie bezieht immer auch normative Theorien und Konzepte mit ein (z.B. aus dem Bereich politische Philosophie, Gerechtigkeitstheorien, Ethik) und diskutiert ethische Werte und mögliche Spannungen.

 

Ein Kernthema der Public-Health-Ethik ist die Auseinandersetzung mit Gerechtigkeit, oder auch: „Health equity“. Was bedeutet Gerechtigkeit in Bezug auf Gesundheit? Welche gesundheitlichen Ungleichheiten sind ungerecht? Wie kann „Gerechtigkeit“ als Wert in der Gesundheit besser umgesetzt werden? Damit zusammenhängend wird auch die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft diskutiert. Wie stehen individuelle Werte in Beziehung mit kollektiven, gemeinschaftlich orientierten Werten? Wer trägt Verantwortung für Gesundheit oder für gesunde Lebensbedingungen und gerechte Chancen auf Gesundheit?

 

Public-Health-Ethik steht auch an der Schnittstelle zwischen Gesundheitspolitik und Gesundheit in der Bevölkerung und kann somit eine vermittelnde und konstruktive Rolle einnehmen.

 

Die Public-Health-ethische Perspektive ist in vielfacher Hinsicht besonders interessant mit Blick auf die Corona-Pandemie oder den Klimawandel. Die eher individualistisch orientierte Medizinethik kommt hier an Grenzen. Public-Health-Ethik mit ihrem populationsbezogenen Blick, einschließlich Themen wie Partizipation, Politik/Governance, Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen, Marginalisierung benachteiligter Gruppen, etc kann hier wesentlich beitragen. Aber auch die Rolle von Ärztinnen und Ärzten kommt in den Blick: Welche Verantwortung trägt diese Profession angesichts solcher gesellschaftlicher Krisen?

 

Prominente Themen der Public-Health-Ethik sind z.B.:

  • Ethische Fragen bei Umweltfaktoren und Klimawandel; Digitalisierte Gesundheit; Adipositas; Tabakkonsum; Übertragbare Erkrankungen; psychische Gesundheit; Migration, etc.
  • Ethische Diskussion von Interventionen: z.B. Prävention, Impfungen, Gesundheitsanreize, Nudging, Mobile Health Anwendungen (Health Apps, social media), Public Health Forschung, Surveillance, Screening, etc.
  • Theorien der Public-Health-Ethik
  • Methoden der Public-Health-Ethik
  • Geschichte der Public-Health-Ethik
  • Ab- und Eingrenzung der Public-Health-Ethik
  • Gesundheit und Eigenverantwortung
  • Paternalismus und Freiheit
  • Gesundheit und Gerechtigkeit
  • Vulnerabilität, Stigmatisierung, Diskriminierung in Public Health
  • Soziale Determinanten von Gesundheit und Gesundheitsgerechtigkeit
  • Recht auf Gesundheit / Gesundheit als Menschenrecht
  • Normen und Umsetzung von Health Policy und Governance
  • Ethik und Gerechtigkeit der Globalen Gesundheit
  • Ethik bei Humanitären Einsätzen und im Katastropheschutz
  • Allokation und Ressourcengerechtigkeit
  • Partizipation und Inklusion als substantielle und prozedurale Werte in Public Health

Public-Health-Ethik ist an der Universität Augsburg auch Bestandteil des Medizinstudiums. Ziel ist es, zu zeigen, dass Medizin immer in einem größeren gesellschaftlichen, politischen und gesundheitlichen Kontext stattfindet. Die Public-Health-ethische Perspektive öffnet den Blick über das individuelle klinische Setting hinaus und integriert die populationsbezogene Dimension. In Deutschland ist die Public-Health-ethische Perspektive im Medizinstudium noch ein Novum.

 

Public-Health-Ethik wird auch in Public-Health-Studiengängen unterrichtet. Allerdings gibt es bisher wenige strukturierte Curricula in Deutschland. Ein sehr gutes Beispiel findet sich an der Universität Bremen (https://www.ipp.uni-bremen.de/abteilungen/public-health-ethik-und-health-humanities/lehre/)

 

Public-Health-Ethik ist insbesondere im englisch-sprachigen Raum häufig auch Bestandteil der Philosophie/Ethik-Ausbildung.

Die englischsprachige Fachliteratur im Bereich Public-Health-Ethik ist bereits sehr ausdifferenziert, obwohl das Fach vergleichsweise jung ist. Der aktuelle Forschungsstand bildet sich im Journal Public Health Ethics ab ( https://academic.oup.com/phe). Der Eintrag in der Stanford-Encyclopedia über Public Health Ethics ( https://plato.stanford.edu/entries/publichealth-ethics/) ist ein sehr guter Einstieg in das Feld und listet auch viele relevante Literaturquellen. Die Fachexpertise in Deutschland wird derzeit noch ausgebaut, allerdings gibt es bereits gute deutschsprachige Quellen:

 

  • Mielck Andreas, Wild Verina. Gesundheitliche Ungleichheit – auf dem Weg von Daten zu Taten: Fragen und Empfehlungen aus Sozial-Epidemiologie und Public Health-Ethik. Weinheim: Juventa; 2021.
  • Schröder-Bäck, Peter, and Joseph Kuhn. 2016. Ethik in den Gesundheitswissenschaften: Eine Einführung. 1st ed. Weinheim Basel: Beltz Juventa.
  • Buyx, Alena, and Stefan Huster. 2010. Ethische Aspekte von Public Health. Themenheft Ethik in der Medizin. Band 22, Heft 3. Sept 2010
  • Schröder-Bäck, Peter. 2014. Ethische Prinzipien für die Public-Health-Praxis: Grundlagen und Anwendungen. 1st ed. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
  • Strech, Daniel, and Georg Marckmann. 2010. Public Health Ethik. 1., Aufl. Münster: LIT.

Suche