Große Werke/ Vorträge etc.
Ringvorlesungen/ Vorträge
Aktuelle Vorträge
Ringvorlesung NAS (Nordamerikastudien)
November 12, 2024
17:30 till 19:00 h
Buildung D, Room 2122
Britta Waldschmidt-Nelson (Universität Augsburg)
"Gender and the Civgil Rights Movement: The Role of Black Women in the African American Freedom Struggle"
November 19, 2024
17:30 till 19:00 h
Buildung D, Room 2122
Sebastian Jobst (John F. Kennedy Institute, F'U Berlin)
"Hiding in the Plain Sight - Resistance and the Oppositional Gaze of Enslaved People in the Nineteenth-Century U.S. South"
November 26, 2024
17:30 till 19:00 h
Building D, Room 2122
Linda Hess (Universität Augsburg)
"It's so easy to take nature for granted, because it's always there" Parody, Satire and Cringe - the Tole of Humor in Ecocriticism."
December 3, 2024
17:30 till 19:00 h
Building D, Room 2122
Katja Sarkowsky (Universität Augsburg)
"Water is Liefe: Environmental Activism and/as Cultural Survivance in North American Indigenous Literatures"
December 11, 2024
18:15 till 19:45 h
Building D, Romm 2129
Alexandra Schenke (LMU München)
"Let's Make America Great Again: Political Communication in the Reagann Era!
December 17, 2024
17:30 till 19:00 h
Building D, Room 2122
Annika McPherson (Universität Augsburg)
"From Anarres to Gilead and Back? Revisiting Ambiguous Utopianism in the 21st Century"
January 14, 2025
17:30 till 19:00 h
Building D, Room 2122
Joachim Steffen (Universität Augsburg)
"An Early Vision of the Clash of civilizations: El Inca's Account of the History of Florida"
January 28, 2025
17:30 till 19:00 h
Building D, Room 2122
Anna Lindmair (Universität Augsburg)
"'Slavery and Freedom Cannot Exist Together': European Immigrant Women in the US-Abolitionist Movement, 1820-1865"
Große Werke des Films und der Literatur
Große Werke der Literatur XVIII
Schwerpunktthema: Wasser
Wintersemester 2024/2025
Genauere Infos finden Sie auf der Seite "Große Werke Literatur/Film".
Große Werke der Literatur XVIII
Schwerpunktthema: Wasser
Veranstaltungsort-/Zeit: Stadtbücherei Augsburg, 18:30-20:00 Uhr
16.10.2024 | Rotraud von Kulessa: Der Untergang Venedigs in zeitgenössischen Dystopien – Paolo Malaguti: L'ultimo Carnevale (2019)
Es vergeht keine Woche, dass nicht auch in der deutschsprachigen Presse vom ‚Untergang‘ Venedigs die Rede ist: acqua alta, Kreuzfahrtschiffe, overtourism, Eintrittsgebühren und Korruptionsskandale bestimmen das Bild einer Stadt, die aufgrund ihrer Geschichte, ihres Kulturerbes und vor allem auch aufgrund ihrer geographischen Lage einzigartig ist. Wie keine andere Stadt ist das Leben in Venedig vom Wasser bestimmt, das zugleich Reichtum aber auch Bedrohung bedeutet. Die Auswirkungen des Klimawandels, des Massentourismus, die menschlichen Eingriffe in ein einzigartiges Ökosystem scheinen sich in der Metapher des Untergangs Venedigs gleichsam zu verdichten und finden nicht nur in der Presse, sondern auch in der zeitgenössischen italienischen Literatur ihren Niederschlag, die zumeist im Genre der Dystopie die Zukunft Venedigs verhandelt.
Resilienz, personifiziert durch den alten Giobbe, sowie Rebecca, die junge Aktivistin, ist das Thema des dystopischen, hypermodernen Romans Paolo Malagutis, L’ultimo carnevale (2019), der vor dem Hintergrund aktueller venezianischer Stadtpolitik den schon seit langem prophezeiten Untergang der Lagunenstadt mit ihrem besonders fragilen ökologischen Gleichgewicht inszeniert.
13.11.2024 | Eva Ries: Caleb Azumah Nelson, Open Water / Freischwimmen
Caleb Azumah Nelson, eine der wichtigsten neuen Stimmen der britischen Gegenwartsliteratur, erzählt in seinem Debütroman Open Water von der Liebe zweier junger Schwarzer Künstler im London des 21. Jahrhunderts und der Wirkmacht der Kunst vor dem Hintergrund eines von Rassismuserfahrungen geprägten Alltags. Das titelgebende ‘open water’ wird dabei zur zentralen Metapher einer Freiheit, die immer schon prekär ist und nur durch das Anerkennen der eigenen Vulnerabilität und die Öffnung hin zum ungewissen Ausgang einer affektiven Bindung an Andere, erlangt werden kann. Diese primäre Relationalität des Subjekts wird durch den seltenen Modus des Erzählens in der zweiten Person Singular illustriert und vom Text vollzogen. Das ‘Du’ der Erzählerstimme impliziert nicht nur die Selbst-Evaluation des Protagonisten nach einer gescheiterten Beziehung, sondern auch den Aufruf zur Identifikation durch die Leserschaft. Damit wird der Text gerade durch seine Externalisierung der Interiorität des Erzählers sowie einer damit verknüpften intermedialen Sicht- und Hörbarmachung Schwarzer Kunst zum dezidierten Akt der Widerständigkeit gegenüber der Ausblendung innerhalb weißer hegemonialer Diskurse.
11.12.2024 | Kerstin Knopf: John Steinbeck, The Log from the Sea of Cortez / Logbuch des Lebens
Am 11. März 1940 brachen der Schriftsteller und Philosoph John Steinbeck und sein Freund, der Meeresbiologe Edward Ricketts, zu einer sechswöchigen Expedition von Monterey, Kalifornien, in die mexikanischen Gewässer rund um Baja California bis zur „Sea of Cortez“, dem Golf von Kalifornien, auf. Sie charterten ein 76-Fuß-Sardinenfischerboot, die Western Flyer, für ihre eher unprofessionelle Reise – 4.000 Meilen rund um Baja California, in den Golf und zurück. Ihr Ziel war, Proben von allen wirbellosen Tieren, kleinen Fischen und anderen kleinen Lebewesen zu sammeln, die in den Gezeitenzonen der damals noch wenig erforschten Küsten des Golfs leben. Steinbeck und Ricketts veröffentlichten gemeinsam ein Buch über ihre Expedition, Sea of Cortez: A Leisurely Journal of Travel and Research (1941), eine Mischung aus Naturgeschichte, taxonomischen Beschreibungen der gesammelten Meerestiere und einem Reisebericht. Zehn Jahre später veröffentlichte Steinbeck den Reiseberichtteil dieses Buches als The Log from the Sea of Cortez (1951). Der Vortrag wird diese wissenschaftliche Forschungsreise vorstellen und mehrere Aspekte beleuchten: Ricketts und Steinbecks Ideen und Methoden des Forschens, ihr neues Verständnis von Ökologie aus der Perspektive der Meeresforschung, ihre Begegnungen mit dem „Anderen“, den einheimischen mexikanischen UreinwohnerInnen, und ihr Forschen und Leben mit den Gezeiten.
15.01.2025 | Matthias Schmidt: Tschingis Aitmatow, Der Junge und das Meer / Pergij pjoss begutschij krajem morja (1977)
Der elfjährige Kirisk fährt mit seinem Großvater, Vater und Onkel in einem selbstgebauten Kajak zur Robbenjagd auf das Ochotskische Meer hinaus. Wie es der alte Brauch fordert, soll der Junge das Jägerhandwerk erlernen und Freundschaft mit dem Meer schließen. Die Drei Männer geltern als hervorragende Jäger, geraten jedoch in einen zähen Nebel, aus dem sie tagelang nicht herausfinden. Umgeben von Stille und Wasser gehen die eigenen Vorräte an Trinkwasser und Nahrung zur Neige und ein Kampf ums Übeleben beginnt. Diese Fahrt wird das Leben des Jungen für immer verändern. Sie lehrt ihn aber auch Ehrfurcht vor der Natur und was es heißt, Mensch zu sein.
In kraftvoller Sprache schildert der kirgisische Schriftsteller Tschingis Aitmatow die Schönheit und Unberechenbarkeit des Meeres und entwirft eine packende Erzählung übder den Überlebenskampf der Niwchen, einem Volk von Fischern und Robbenjägern im äußersten Osten Sibiriens. Selbst in höchster Not inmitten einer überwältigenden und bedrohlichen Natur zeigen die Jäger allergrößte Menschlichkeit.
Tschingis Aitmatow (1928-2008) war einer der bedeutendsten Schriftsteller der Sowjetunion. Kultur und Tradition der ehemaligen Nomadenvölker Zentralasiens, der Zusammenprall mit der sowjetischen Modernisierung sowie die Fragilität und Schönheit der Natur spielen in seinen Werken eine zentrale Rolle.
Schwerpunktthema: Wasser
Veranstaltungsort/-zeit: Stadtbücherei Augsburg, 18:30-20:00 Uhr
23.04.2025 | Kerstin Schlögl-Flierl (Augsburg): Kathrin Röggla, Das Wasser (2023)
In diesem hochaktuellen Theaterstück wird die Katastrophe des Klimawandels am Beispiel des Wassers sehr eindrücklich veranschaulicht. Theologisch ist spannend, wie mit der biblischen Erzählung "Jona und der Wal" gespielt wird. Climate Fiction wird Realität.
14.05.2025 | Simone Müller (Augsburg): Delia Owens, Where the Crawdads Sing / Der Gesang der Flusskrebse (2018)
25.06.2025 | Friedmann Harzer (Augsburg): Christoph Ransmayr, Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten (2021)
Der Vortrag stellt Ransmayrs Roman im Spannungsfeld von postmodernem Erzählen und Nature Writing vor, auch mit Blick auf das Thema ‚Wasser' im Gesamtwerk des österreichischen Dichters.
09.07.2025 | Caroline Rosenthal (Jena): Henry David Thoreau, Walden; or, Life in the Woods / Walden oder Leben in den Wäldern (1854)
Große Werke des Films IV
25.10.2023 | Petra Löffler: Lucien Castaing-Taylor / Véréna Paravel, Leviathan.
"Leviathan" löste ein Beben des Sehens aus, als er 2012 in die Kinos kam. Castaing-Taylor/Paravel betreiben das Filmemachen als Feldforschung. Sie setzen GoPro-Kameras ein, um die industrielle Hochseefischerei aus Perspektiven zu zeigen, die den menschlichen Sinnen zumeist entgehen.
22.11.2023 | Monica Biasiolo: Roberto Rossellini, Roma città aperta.
Ein nüchterner Blick auf ein unter deutscher Besatzung stehendes Rom des Jahres 1943: Mit seinem effektvollen Meisterwerk "Roma città aperta" (1945) legt Roberto Rossellini einen der wichtigsten Grundsteine des italienischen Neorealismus, einer neuen medialen Ausdrucksform, die aus einer genauen Beobachtung der Fakten entsteht und das Reale wiedergibt. Rossellini erzählt in seinem Drama von Einzelschicksalen und gleichzeitig von der Geschichte eines zerschlagenen Landes, vom kollektiven Leid sowie von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Hintergründe, Aufbau und Strategien der Darstellung werden im Vortrag anhand von Schlüsselszenen analysiert, um Besonderheiten und Spezifika dieses Klassikers der Filmgeschichte zu erarbeiten.
13.12.2023 | Maximilian Gröne: Gianni Amelio, Lamerica.
Seit den 1990er Jahren befindet sich Italien im Brennpunkt der Migrationsbewegungen nach Westeuropa. Gianni Amelios "Lamerica" aus dem Jahr 1994 gelingt es als einer der ersten Filmproduktionen, die Komplexität der Situation vor Augen zu führen und um eine postkoloniale Perspektive zu erweitern – ein Klassiker des italienischen Migrationskinos.
17.01.2024 | Martin Middeke: Damien Chazelle, La La Land.
Damien Chazelles Meta-Musical "La La Land" (2016) ist vordergründig eine Romanze wie eine Hommage an Hollywood, zugleich aber eine konsumkritische Reflexion des Showbusiness und der Traumfabrik selbst. Auf den zweiten Blick stellt sich gerade die Wiederbelebung des Musical-Genres als Folge einer experimentellen Ästhetik heraus, die hinreißende Musik darbietet und zugleich die traditionellen Normen des Musicals wie des Filmemachens in Frage stellt. Der Vortrag wird sich insbesondere der kreativen Hybridität von Genres, Beispielen von parodie- und pastichehafter Intertextualität und Intermedialität, der Gegenüberstellung von metafiktionalen und realistischen Elementen, der fluiden Erzähl- und Zeitstruktur sowie Ambiguitäten im Erzählen und in der Choreographie des Films annehmen.
07.02.2024 | Annina Klappert: Chloé Zhao, Nomadland.
Wo können Menschen ein Zuhause finden, wenn sie ihr Haus verloren oder aufgegeben haben? Der Film „Nomadland“ von Chloé Zhao (2020) erzählt von einer Frau namens Fern (gespielt von Frances McDormand), die sich nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch ihrer Heimatstadt in ihrem Van auf eine Reise durch die USA begibt, um eine Antwort für sich zu finden. Fern ist eine von vielen „Nomaden der Arbeit“ (so die deutsche Übersetzung der Buchvorlage von Jessica Bruder) oder auch „vandweller“, die besonders seit der US-Immobilienkrise 2008 in ihren beweglichen Unterkünften durch das Land fahren und – teils aus der Not heraus, teils die Freiheiten schätzend – ihre eigenen Räume und Lebensweisen erschaffen. Eine bewegte Kamera, viele Perspektivwechsel und phasenweise schnell aufeinanderfolgende Szenen einerseits und lange Nah- und Panoramaaufnahmen andererseits erzeugen einen Wechsel von Verweilen und Driften, die dem Versuch Ferns, sich im ‚Nomadland‘ zu orientieren, entsprechen. Der Vortrag führt eine Lektüre dieses Films vor, die ihrerseits Oberflächen erzeugt durch ein Verweilen und Driften in Bezügen zwischen dem Film, architekturalem Denken und Raumtheorie.
17.04.2024 | Matthias Krumpholz: Quentin Tarantino, Pulp Fiction (entfallen!).
Quentin Tarantino gilt als einer der wichtigsten Vertreter des amerikanischen Autorenkinos der 1990er Jahre, um dessen Person und insbesondere seinen zweiten Film Pulp Fiction ein regelrechter Kult entstanden ist. In Rezensionen gleichermaßen verehrt, wie auf Grund vermeintlich exzessiver Darstellungen von Gewalt und Drogenkonsum harsch kritisiert, markiert der Film aber gleichsam einen Wendepunkt vom Independent-Film hin zu einer Form des Indie-Blockbusters.
In Pulp Fiction (1994) verschmelzen Gewalt, schwarzer Humor und groteske Dialoge zu einem modernen Klassiker des Gangsterfilms. Die episodische Erzählweise ordnet konventionelle Strategien des Genres neu und macht das Kino selbst zum Thema. Intermediale Konstruktionen, die auf Musik, Film, Comic und Literatur (nicht nur) der amerikanischen Popkultur verweisen, erschaffen einen eigenen 'Tarantinoesken' Kosmos, dessen Spiel der Zeichen postmoderne Paradigmen bedient. In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Vortrag selbst – der Autoren- und Regisseur-Figur Tarantino einerseits und einer filmischen Ästhetik des Pastiche andererseits.
15.05.2024 | Heike Schwarz: François Truffaut, L'Enfant sauvage / Der Wolfsjunge.
L'Enfant sauvage wurde 1970 in Frankreich uraufgeführt und ein Überraschungserfolg, der nicht nur die Kinowelt beeinflusste. Regisseur François Truffaut verschmilzt in diesem Film die vergangene Ästhetik des Stumm- und frühen Tonfilms mit dem Genre des dokumentarischen Realismus und den Reformansätzen seiner Zeit. Zur Sensation wurde die Tatsache, dass der Film einen wahren Fall aus dem Jahr 1798 verarbeitete.
12.06.2024 | Martin Kaufhold: Sergio Leone, Once Upon a Time in the West / Spiel mir das Lied vom Tod.
Spiel mir das Lied vom Tod ist wohl der bekannteste Italo-Western: voller ikonischer Szenen, Landschaften und Gesichter in opulenter Slow Motion, der Soundtrack von Ennio Morricone. Charles Bronson, Henry Fonda und Jason Robards in Hollywoods klassischen Männerrollen. Wortkarg, geübt mit der Waffe, mit dominanten Auftritten. Der Regisseur Sergio Leone sprach von einem „Tanz mit dem Tod“, in dem die Witwe McBain (Claudia Cardinale) nach einer anderen Melodie tanzt.
Die beiden zentralen Männerfiguren sind durch ein finsteres Ereignis schicksalhaft verbunden, das sich erst im Laufe des Filmes langsam offenbart. Für den liberalen Henry Fonda ist die Rolle des Killers Frank eher untypisch, Charles Bronson hingegen ist als schweigsamer Rächer ganz in seinem Element. Ihre Gegnerschaft hält die Spannung in dieser archaischen Rachegeschichte bis zum Ende aufrecht. Die klassische Westernerzählung ist eingebettet in eine Welt des Wandels, verkörpert im Eisenbahnbau. In dieser Welt werden die Rollen neu verteilt. Die Witwe McBain ist der eigentlich starke Charakter des Films. Anders als die männlichen Protagonisten wird sie durch demütigende Erfahrungen nicht traumatisiert und beherrscht am Ende die Bühne, auf der die Schießkünstler zu Nebendarstellern werden. Diese zweite Ebene lässt den Film auch nach mehr als 50 Jahren noch knistern. Ein Abgesang auf die Männerwelt. Zu coolen Bildern. Manchmal fragwürdig. Immer lohnend.
17.07.2024 | Kirsten Twelbeck: Richard Fleischer, Soylent Green.
1973 zeigte der Hollywoodregisseur Richard Fleischer, dass er weit mehr war als ein Virtuose des massenwirksamen Kinospektakels. Mit Soylent Green (1973) schuf er den ersten Film über die globale Erderwärmung und deren politische und gesellschaftliche Folgen.
Soylent Green ist eine filmische Reaktion auf den Club of Rome Bericht zu den „Grenzen des Wachstums“ und eine Einladung zum Neudenken von zwischenmenschlichen Beziehungen, kulturellen Wertungen und Vorstellungen einer ökologischen Gerechtigkeit, die nicht-menschliche Lebenskontexte mit einbezieht.
Große Werke der Literatur XVII
02.11.2022 | Klaus Vogelgsang: Carmina Burana. Carl Orff und der Codex Buranus
O Fortuna! Carl Orffs ‚Carmina Burana‘-Komposition verbindet ganz außergewöhnliche Popularität mit einem maximal abgelegenen Sujet – nämlich profaner Lyrik in mittelalterlichem Latein. Welches Bild von dieser Dichtung vermittelt Orffs Werk? Ich möchte nachzeichnen, wie Orff zusammen mit seinem philologischen Dramaturgen Michel Hofmann Material aus der großen Sammlung der Benediktbeurer Handschrift auswählt und montiert – und ich kann die eine oder andere Überraschung versprechen: Das bei Orff übergroße O Fortuna ist im Original fast nur eine Randnotiz. Mit Estuans interius versteckt sich ein hochstehender Dichter zwischen derben Saufliedern. Chramer, gip die varwe mir singt ursprünglich die unheilig-heilige Maria Magdalena. Und das schmachtende Bariton-Solo Dies, nox et omina hat eigentlich zum Thema den studentischen Blues im Auslandssemester. Es gilt also doch: O Fortuna!
30.11.2022 | Bernd Oberdorfer: Mario Vargas Llosa. Der Krieg am Ende der Welt
Ein charismatischer Wanderprediger, der eine christliche Basisgemeinde sammelt, ein europäischer Anarchist, der seine revolutionären Visionen in Lateinamerika umgesetzt sehen möchte, eine Republik in Kinderschuhen, die gerade die Monarchie abgelöst hat, Weltanschauungskämpfe, Fake News und Intrigen - alles mündet in einen blutigen "Krieg am Ende der Welt". In seinem gleichnamigen Roman entfaltet Mario Vargas Llosa 1981, ausgehend von realen Ereignissen, ein vielperspektivisches Panorama der brasilianischen Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts, das transparent ist für soziale Dynamiken, politische Diskurse und ideologische Konflikte der Gegenwart.
07.12.2022 | Klaus Arntz: Annie Ernaux. Das Ereignis
Die jüngst mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnete Schriftstellerin Annie Ernaux schildert in Ihrem Buch ein „Ereignis“, das sie selbst als junge Studentin in den 1960er Jahren betroffen hat. Nicht nur durch die jüngst erfolgte Auszeichnung ihres Werkes, sondern auch angesichts der aktuellen politischen Ereignisse zum Thema Schwangerschaftsabbruch verleihen dem Text eine unerwartete neue Brisanz.
18.01.2023 | Stephanie Waldow: Alois Hotschnig. Der Silberfuchs meiner Mutter (Vortrag entfallen, Nachholtermin 14.06.2023)
Hotschnig ist ein Meister der kleinen Werke. In einer bis aufs Äußerste reduzierten Sprache lässt er Bilder entstehen, die weit über den Erzählrahmen des Textes hinausgehen. So auch in seinem aktuellen Roman Der Silberfuchs meiner Mutter. Den Echoraum des Textes bildet die Schauspielkarriere der Figur Heinz Fritz, innerhalb dessen große Themen, wie die Traumata des zweiten Weltkriegs, Flucht, Migration und Mißhandlung scheinbar nebenbei verhandelt werden. Entstanden ist ein Text voller Erinnerungslücken, sprachlicher Stolpersteine und abweichender Versionen der eigenen Lebensgeschichte. Auch wenn Hotschnig für seinen Roman über fünf Jahre mit dem Schauspieler Heinz Fitz Gespräche über sein Leben geführt hat, handelt es sich dennoch nicht um eine Biografie, denn am Ende steht die große Frage: Was ist überhaupt noch stimmig? Eine Frage, auf die nicht nur die Figur des Romans, sondern auch die Leser*innen zurückgeworfen sind.
01.02.2023 | Mita Banerjee: Henry James. Turn of the Screw
Henry James' Novelle The Turn of the Screw gilt als ein Klassiker des amerikanischen Realismus. Im Realismus gibt es nicht nur eine, sondern viele Realitäten; diese stehen nicht selten für widerstreitende Gesellschaftsformen und Moralvorstellungen. Bemerkenswert ist nun aber, dass James diese Fragen in seiner Erzählung auf die Darstellung von Geisteszuständen bezieht. Was ist „wahr“ in dieser Geschichte? Wird die Gouvernante, um die die Erzählung kreist, durch zwei durchtriebene Kinder in den Wahnsinn getrieben? Oder ist es ihr eigener Gemütszustand, der ihr die unschuldig aussehenden Kinder als hinterhältige Manipulatoren erscheinen lässt? Heute mutet The Turn of the Screw beinahe prophetisch an. Henry James nimmt darin Ende des 19. Jahrhunderts Einsichten vorweg, wie sie uns die Neurowissenschaften erst jetzt über bipolare Störungen eröffnen. Ziel des Vortrags ist es, diese Vorausschau unter die Lupe zu nehmen. Wie konnte ein amerikanischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts derart tiefe Einblicke in die menschliche Psyche erlangen?
26.04.2023 | Mathias Mayer: Johann Wolfgang von Goethe. Dichtung und Wahrheit
Goethes Autobiographie gilt als eines der großen Monumente dieser Gattung. Aber wie monumental, wie monologisch, wie "männlich" ist dieses Werk überhaupt, das über einen Zeitraum von zwanzig Jahren entstanden ist? Welche Indizien sprechen dafür, hier von einem Text der Moderne zu sprechen, im Sinne einer dialogischen Offenheit? Der Vortrag wird zunächst eine Einführung in die Entstehungsgeschichte, die Hintergründe und den Aufbau von Dichtung und Wahreit" liefern, dann aber einzelne Strategien der Darstellung genauer beleuchten und zuletzt versuchen, Goethes Autobiographie aus dem Horizont unserer Gegenwart zu würdigen.
10.05.2023 | Katja Sarkowsky: Louise Erdrich. Der Nachtwächter
Es ist 1953, und in den USA beginnt die sog. "Terminationpolitik", die die Reservate auflösen und die indigene Bevölkerung in die US-amerikanische Mehrheitskultur und vor allem den Arbeitsmarkt assimilieren soll. Thomas Wazhashk - der epoynme Nachwächter in einer Fabrik, der gleichzeitig auch Mitglied des Stammesrats der Turtle Mountain Chippewa ist - will um jeden Preis verhindern, dass deren Reservat auf die Terminierungsliste gesetzt wird. Um diesen realen Rechtstreit herum erzählt Louise Erdrich - eine der prominentesten amerikanische Romanautorinnen der Gegenwart und selbst ein Mitglied der Turtle Mountain Chippewa - meisterhaft und multiperspektivisch die Geschichte unterschiedlicher Familien auf dem Reservat und das Ringen der Gemeinschaft um eine Zukunftsvision von Selbstbestimmung.
14.06.2023 | Stephanie Waldow: Alois Hotschnig. Der Silberfuchs meiner Mutter
Hotschnig ist ein Meister der kleinen Werke. In einer bis aufs Äußerste reduzierten Sprache lässt er Bilder entstehen, die weit über den Erzählrahmen des Textes hinausgehen. So auch in seinem aktuellen Roman Der Silberfuchs meiner Mutter. Den Echoraum des Textes bildet die Schauspielkarriere der Figur Heinz Fritz, innerhalb dessen große Themen, wie die Traumata des zweiten Weltkriegs, Flucht, Migration und Mißhandlung scheinbar nebenbei verhandelt werden. Entstanden ist ein Text voller Erinnerungslücken, sprachlicher Stolpersteine und abweichender Versionen der eigenen Lebensgeschichte. Auch wenn Hotschnig für seinen Roman über fünf Jahre mit dem Schauspieler Heinz Fitz Gespräche über sein Leben geführt hat, handelt es sich dennoch nicht um eine Biografie, denn am Ende steht die große Frage: Was ist überhaupt noch stimmig? Eine Frage, auf die nicht nur die Figur des Romans, sondern auch die Leser*innen zurückgeworfen sind.
28.06.2023 | Maren Haufs-Brusberg: Kaneshiro Kazuki. GO!
Mit seinem Roman GO gelingt dem japankoreanischen Autor Kaneshiro Kazuki im Jahr 2000 ein regelrechter Verkaufserfolg. Bereits ein Jahr nach seinem Erscheinen wird GO (benannt nach dem englischen Verb „go“) in Japan verfilmt und liegt seit 2011 auch in deutscher Übersetzung vor. Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Jugendliche Sugihara, dessen koreanische Eltern im Zuge der Kolonialisierung Koreas nach Japan emigrierten. Humorvoll und temporeich verknüpft Kaneshiro unter dem Deckmantel einer Liebesgeschichte und in Form einer coming-of-age-Story diverse aktuelle Themen wie die Diskriminierung der koreanischstämmigen Minderheit in Japan, das Erbe des Kolonialismus und die Kritik von Nationalismen und ethnischen Identitätszuschreibungen. Der Fokus des Vortrags liegt auf diesen politischen Aspekten und deren literarischer Verhandlung unter Berücksichtigung postkolonialer Perspektiven.
12.07.2023 | Peter A. Kraus: Pier Paolo Pasolini. Freibeuterschriften
Fünf Jahrzehnte nach der Ermordung Pier Paolo Pasolinis hat dessen vielschichtiges und verschiedene Genres umspannendes Werk nichts an Aktualität eingebüßt. Dies gilt sowohl für das filmische als auch für das literarische Schaffen eines Autors, der Zeit seines Lebens für Polemiken und Kontroversen sorgte. Pasolinis Aktualität zeigt sich nicht zuletzt in seinen journalistischen und essayistischen Arbeiten, für die die Scritti corsari emblematisch stehen. Aus heutiger Perspektive erweisen sich die dort enthaltenen Beiträge als von geradezu prophetischer Natur. Sie sind ein lauter Aufschrei gegen das unaufhaltsame Vordringen einer auf Konsumismus und Konformismus gebauten Massenkultur; einer Kultur, deren zerstörerische Effekte heute nicht nur in Italien, sondern überall in einem unter der Hegemonie des Neoliberalismus uniformierten Europa sichtbar sind.
19.07.2023 | Susanna Layh: Irmtraud Morgner. Amanda: Ein Hexenroman
Hexen, Teufel, Fabelwesen tummeln sich Anfang der 1980er Jahre in Ost-Berlin. Historische und mythologische Frauenfiguren werden als gesellschaftskritische Kommentatorinnen in Sirenengestalt zu neuem literarischen Leben erweckt. Am Pranger steht das Ungleichgewicht der Geschlechter in der zeitgenössischen DDR wie das präapokalyptisch anmutende Weltgeschehen. Die Sirenen berichten über Kriege, Armut und Ausbeutung. Sie warnen vor der drohenden Selbstzerstörung der Menschheit und einer Vernichtung des Planeten durch einen atomaren Krieg oder potenzielle ökologische Katastrophen. In diesem vielschichtigen, multiperspektivischen Roman der DDR-Autorin mischt sich realistische Alltagsdarstellung mit Wunderbarem, Phantastischem und Utopisch-Dystopischem. Irmtraud Morgners „Amanda: Ein Hexenroman“ (1983) kann damit als ein zeitdiagnostisches dystopisches Erzählexperiment wie als metafiktionales Gedankenspiel über die Wirkmacht der Literatur gelesen werden, das seine Aktualität bis heute nicht verloren hat.
Große Werke des Films III
Große Werke des Films
...in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei Augsburg
Ringvorlesung der Universität Augsburg
Wintersemester 2021-22
Mittwochs, 18:30 Uhr
Bereits zum dritten Mal findet die Augsburger Ringvorlesung „Große Werke“ nun online statt. An verschiedenen Terminen zwischen November 2021 und Februar 2022 stellen unsere Vortragenden bemerkenswerte filmische Werke des 20. und 21. Jahrhunderts vor. Den Auftakt macht Julian Werlitz am 10.11. mit seinem Vortrag über Caden Cotards Synecdoche, New York.
Termine im Wintersemester 2021-22 im Überblick:
- 10. November 2021, 18:30 Uhr | Julian Werlitz: Charlie Kaufman, Synecdoche, New York (2008)
- 24. November 2021, 18:30 Uhr | Michael Sauter: Andrej Tarkovskij, Solaris (1972)
- 08. Dezember 2021, 18.30 Uhr | David Kerler: Black Mirror: Bandersnatch (2018)
- 19.Januar 2022, 18:30 Uhr/ Linda Heß (Augsburg): Leo McCarey, Duck Soup (Die Marx Brothers im Krieg)(1933)
- 02. Februar 2022, 18:30 Uhr/ Annika McPherson (Augsburg): Steve McQueen, Small Axe (2020)
Gegenwärtig sind pandemiebedingt alle Vorträge als digitale Veranstaltungen geplant. Die Zugangsdaten finden Sie jeweils am Veranstaltungsabend auf unserer Startseite.
Sehr gerne nehmen wir Sie auch in unseren Verteiler zur Veranstaltungsreihe auf. Schreiben Sie uns dafür eine kurze Mail an shk.amerikanistik@philhist.uni-augsburg.de oder sekretariat.amerikanistik@philhist.uni-augsburg.de.
10.11.2021 | Julian Werlitz (Augsburg): Charlie Kaufman, Synecdoche, New York (2008)
Kann es einen Film über alles geben? Über das Leben, Tod und Krankheit, über Liebe, Familie, Glück und Schmerz? Kann man von einem Leben erzählen, ohne auch die Biografien aller Menschen, die darin vorkommen, zu berücksichtigen? Wie manchem literarischen Vorgänger bleibt auch dem US-amerikanischen Filmemacher Charlie Kaufman nur ein Umweg, indem er das Scheitern eines solchen Anspruchs zeigt: in Synecdoche, New York von 2008 versucht der Theaterregisseur Caden Cotard, sich sein Leben begreiflich zu machen, indem er es auf der Bühne inszeniert. Die Verwirrungen zwischen Imagination und Realität, die sich daraus entwickeln, stellen uns dann doch die Frage nach dem Kern des Lebens: liegt er nicht im fortwährenden, tragisch-komischen Versuch von Regie?
24.11.2021 | Michael Sauter: Andrej Tarkovskij, Solaris (1972)
Andrej Tarkovskij (1932-1986) zählt zu den bedeutendsten russischen Regisseuren des 20. Jahrhunderts. Der Sohn des renommierten Dichters Arsenij Tarkovskij entwickelte eine ganz eigene Bildsprache, die sich der Stilmittel der Langsamkeit und der Entschleunigung bedient und so die aktive Beteiligung des Publikums einfordert. Virtuose Kameraführung und sehr lange Einstellungen prägen Tarkovskijs Filme, die sich auf meditative Weise mit zentralen Menschheitsfragen befassen. Solaris basiert auf einem Science-Fiction Roman des polnischen Autors Stanisław Lem aus dem Jahr 1961. Namensgebend ist der Planet Solaris, von dem angenommen wird, es handele sich um eine bewusste Lebensform. Der Psychologe Kris Kelvin reist zu einer diesen Planeten umkreisenden Raumstation, um in Kontakt zu treten, sieht sich aber unter Einfluss dieser rätselhaften Präsenz mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Bereits in Lems literarischer Vorlage sind die Begegnung mit einem radikal Anderen und die Grenzen menschlicher Kommunikation als Themen angelegt. In Tarkovskijs Händen gerät die Verfilmung zu einem oft widersprüchlichen und rätselhaften Meisterwerk, das sich auf kunstvolle Weise mit existenziellen Fragen auseinandersetzt.
08.12.2021 | David Kerler (Augsburg): Black Mirror: Bandersnatch (2018)
Bandersnatch (2018) ist ein für die Streaming-Plattform Netflix exklusiv produzierter interaktiver Film. Er ist Teil der britischen Serie Black Mirror (2011–2019; bisher 5 Staffeln), deren, weitestgehend eigenständige, Episoden in dystopischen Zukunftsszenarien die negativen Auswirkungen gegenwärtiger technologischer Entwicklungen und der zunehmenden Digitalisierung kritisch ausloten. Der daraus hervorgehende längere Film Bandersnatch spielt hingegen im Jahr 1984 und erzählt die Geschichte des jungen Computerspielentwicklers Stefan Butler. Dieser arbeitet fieberhaft an einem neuen Computerspiel, das nicht linear verläuft und dadurch eine Vielzahl unterschiedlicher Verläufe bzw. Enden ermöglicht. Im Laufe der Handlung wird Stefans prekärer psychischer Zustand zunehmend manifester und stellt die Unterscheidung zwischen Realität, Fiktion und Wahnvorstellung in Frage. Die Konzeption des fiktiven Computerspiels ist insofern eng mit der interaktiven Struktur des Films verknüpft, als die Zuschauer:innen dabei selbst den Fortgang der Geschichte durch diverse Entscheidungsknoten und narrative Verästelungen in vielfältiger Art und Weise beeinflussen können. Die innovative Gestaltung des Films wirft ästhetisch-strukturelle Fragen zum Genre sowie zu Aspekten des seriellen und non-linearen Erzählens auf, zur Medialität/Materialität und deren selbstreflexiven Thematisierung, und impliziert nicht zuletzt auch philosophische Themen, wie etwa die Frage nach dem freien Willen und/oder den medial-diskursiven Einfluss auf unsere Lebenswelt.
19.01.2022 | Linda Heß (Augsburg): Leo McCarey, Duck Soup – Die Marx Brothers im Krieg (1933)
In den 1930ern wurden die US-Amerikanischen Komiker Marx Brothers, Groucho, Chico, und Harpo (und Zeppo) durch ihre Filme bekannt, nachdem Sie zunächst jahrelang mit Vaudeville Shows durch die USA getourt waren und in den 1920ern am Broadway auftraten. Ihr Filmdebüt fiel zusammen mit der Ausbreitung des Tonfilms und von 1929 bis 1941 produzierten die Marx Brothers jedes Jahr einen neuen Film (mit Ausnahme von 1936). Vor Groucho, dem schlagfertigen Redner mit dem aufgemalten Schnurrbart, Chico, dem gutherzigen Trickbetrüger, und Harpo, dem stummen Harfenspieler, der sich ausschließlich durch hupende und pfeifende Pantomime verständlich macht, sind keinerlei Autoritäten sicher. Die Komik der Marx Brothers wird immer wieder als „anarchisch“ bezeichnet. Ihre Filme vereinen Slapstick, Wortwitz, Musiktheater und absolutes Chaos mit satirischer Kritik an den Institutionen der amerikanischen Gesellschaft. Duck Soup (Die Marx Brothers im Krieg, 1933), der fünfte Film der Marx Brothers, ist wahrscheinlich ihr politischster Film und seine Aufführung wurde von Mussolini in Italien verboten.
In seiner Bloßstellung der Absurditäten der Kriegsführung und politischer Eliten hat Duck Soup (7 Jahre vor Erscheinen von Charlie Chaplins Der große Diktator) auch fast ein Jahrhundert später noch Relevanz. Während Harpo als einfacher Soldat sein Leben riskieren muss, befindet sich Groucho, als korrupter Präsident Freedonias, in Sicherheit und schießt planlos auf die eigenen Leute. Doch die Satire trifft nicht nur zentrale Machtfiguren, sondern auch die breite Bevölkerung, die ihren Präsidenten trotz Inkompetenz weiterhin ernst nimmt und sich innerhalb kürzester Zeit von nationalistischen Parolen begeistern lässt.
02.02.2022 | Annika McPherson (Augsburg): Steve McQueen, Small Axe (2020)
Die fünfteilige Filmanthologie Small Axe (2020) des vielfach preisegekrönten britischen Regisseurs und Videokünstlers Steve McQueen porträtiert Lebensgeschichten und soziokulturelle Bewegungen aus dem Kontext der westindischen Migration im London der 1960er bis 1980er Jahre. Einem Bob Marley Song entlehnt ist nicht nur der Titel der Reihe, sondern karibische Musik spielt in allen Teilen eine zentrale ästhetische und politische Rolle und verbindet die Thematiken des antirassistischen Widerstands, der kulturellen Vergemeinschaftung und der (Selbst-)Bildung.
Besonders der Film Lovers Rock, von McQueen mit dem britischen Schriftsteller Courttia Newland geschrieben, wird auditiv wie bildlich von einer Ästhetik getragen, die zentrale Motive aus Klassikern des britischen und karibischen Reggae-Films aufgreift und eine Hommage nicht nur an ein Genre und eine Kultur des Widerstands darstellt, sondern auch den Einfluss ‚großer‘ Filmemacher auf McQueens Werk rekontextualisiert.
Große Werke des Films
...in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei Augsburg
Ringvorlesung der Universität Augsburg
Sommersemester 2022
Mittwochs, 18:30 Uhr
An verschiedenen Terminen zwischen Mai und Juli 2022 stellen unsere Vortragenden bemerkenswerte filmische Werke des 20. und 21. Jahrhunderts vor. Den Auftakt macht am 18. Mai Klaus Maiwald mit seinem Vortrag über Eberhard Fechners „Tadellöser & Wolff“.
Termine im Sommersemester 2022 im Überblick:
- 18. Mai 2022, 18:30 | Klaus Maiwald: Eberhard Fechner: Tadellöser & Wolff (1975)
Universität Augsburg, HS II
Vortrag findet in Präsenz statt. - 08. Juni 2022, 18:30 | Franz Fromholzer: Paul Wegener: Der Golem, wie er in die Welt kam (1920)
Stadtbücherei Augsburg, nähere Infos folgen - 22. Juni 2022, 18:30 | Günter Butzer: David Cronenberg, Shivers (1975)
Universität Augsburg, HS II
Vortrag findet in Präsenz statt. - 06. Juli 2022, 18:30 | Nora Weinelt: Claire Denis: Beau Travail (1999)
Stadtbücherei Augsburg, nähere Infos folgen - 20. Juli 2022, 18:30 | Johanna Hartmann (Halle/Saale): Billy Wilder: Sunset Boulevard (1950)
Stadtbücherei Augsburg, nähere Infos folgen
Sehr gerne nehmen wir Sie hierzu auch in unseren Verteiler zur Veranstaltungsreihe auf. Schreiben Sie uns dafür eine kurze Mail an shk.amerikanistik@philhist.uni-augsburg.de oder sekretariat.amerikanistik@philhist.uni-augsburg.de.
18.05.2022 | Klaus Maiwald: Eberhard Fechner, Tadellöser & Wolff (1975)
„Genauso war es---“ – so empfand ein großer Teil der Leserschaft von Walter Kempowskis Roman Tadellöser & Wolff (1971). Der stark autobiographische Text erzählt aus der Sicht eines 9- bis 15-Jährigen den Alltag einer bürgerlichen Familie im Nationalsozialismus, zwischen Distanziertheit und Verstrickung. Der Roman war ebenso erfolgreich wie umstritten, denn „genauso“ war es vielleicht doch nicht nur gewesen. Im Jahr 1975 entstand eine Verfilmung, mit der Eberhard Fechner wahrhaft gelang, was heute inflationär als TV-Event bezeichnet wird. Der gleichnamige Zweiteiler besticht einmal durch die wirkungsvolle Darstellung, mit der er den Erzählstoff in das filmische Medium übersetzt. Darüber hinaus steht Fechners Tadellöser & Wolff exemplarisch für herausragende, teils epochale Produktionen, mit denen das Fernsehen in den 1970er Jahren dem Kino den Rang ablief.
08.06.2022 | Franz Fromholzer: Paul Wegener, Der Golem, wie er in die Welt kam (1920)
Die Geschichte des von Rabbi Löw erschaffenen Golem, der zum Schutz der jüdischen Gemeinde vor ihrer Vertreibung aus dem Prager Ghetto zum Leben erweckt wird, hat nicht nur literarisch zahlreiche Bearbeitungen erfahren. Mit „Der Golem, wie er in die Welt kam“ gelang eine bildgewaltige, düstere Umsetzung jener Paradoxien um ein aus Lehm geschaffenes Wesen – göttliche Prophezeiung und dämonisches Werk, Beschützer und Vernichter – kurz nach dem Ersten Weltkrieg, eine der erfolgreichsten Produktionen der deutschen Stummfilm-Ära. Für Paul Wegener, den von Max Reinhardt geförderten Berliner Star-Schauspieler, war es bereits die dritte filmische Bearbeitung des Golem-Stoffes, die in einer berühmten Szene schließlich ein Kind das künstliche Wesen zu Fall bringen lässt. Der unbeholfene Golem, selbst ein kindliches Geschöpf, ist hier ganz in einer Welt der Magie und des Horrors angesiedelt, eingefangen von einer zur Poesie erklärten Kameraführung (wie Wegener es forderte). Als kongenial kann hierzu nur die expressionistische Architektur bezeichnet werden, die Hans Poelzig für den Film entwarf: Sie inszeniert ein Stadtbild Prags im 16. Jahrhundert, das die sich darin bewegenden Figuren geradezu bedrohlich überwölbt oder vor ihnen entsetzt zurückzuschrecken scheint.
22.06.2022 | Günter Butzer: David Cronenberg, Shivers (1975)
David Cronenberg ist der international wohl bekannteste Regisseur Kanadas und hat seine Ursprünge im Kurzfilm und experimentellen Film der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. Shivers ist sein erster kommerzieller Spielfilm und gilt als einer der ersten kanadischen Horrorfilme. Cronenberg erfindet hier das traditionsreiche Genre noch einmal neu, indem er nicht nur auf die Monster des klassischen Horrorfilms verzichtet, sondern darüber hinaus auch die Psychokiller des modernen Horrorfilms in der Nachfolge von Hitchcocks Psycho hinter sich lässt und das Subgenre des Body Horror begründet (der US-amerikanische Titel des Films lautete They Came From Within). Shivers ist situiert in einem modernen Wohnkomplex in der Nähe von Montreal und zeigt, wie ein Wissenschaftler, der die Menschen von ihren Zwängen befreien will, den eintönigen Alltag der Bewohner durch die Implantation eines Parasiten, der sich rasant verbreitet, sukzessive in eine lustlose Orgie verwandelt, der sich niemand entziehen kann. Der Parasit gerät dadurch, so der Regisseur, zum eigentlichen Helden des Films (Anklänge an aktuelle virale Seuchen sind rein zufällig). In der teils satirisch, teils karnevalesk gefärbten Darstellung bricht Cronenberg mit den ästhetischen Konventionen des klassischen wie des modernen Horrorfilms und es entsteht eine Art postmoderner Zitat-Horror, dessen Verfahren nachzugehen sich lohnt.
06.07.2022 | Nora Weinelt: Claire Denis: Beau Travail (1999)
Claire Denis (*1946) zählt zu den wichtigsten französischen Regisseur*innen der Gegenwart. Seit ihrem Kinodebüt mit Chocolat (1988) realisierte sie knapp zwanzig vielfach ausgezeichnete Filme unterschiedlichster Genres – von TV-Dokumentationen bis hin zum Vampirfilm war fast alles schon dabei. Zusammengehalten wird dieses auf den ersten Blick so disparate Œuvre von einer feingliedrigen, sinnlichen Filmsprache, die nicht auf Dialog, sondern auf Rhythmus setzt und narrativen Routinen die Inszenierung von Gesten, Blicken und vor allem Körpern entgegenstellt. Besonders prägnant umgesetzt findet sich dieses Verfahren im Kritiker*innenliebling Beau Travail (1999), in dem Denis, wie so oft in ihrem Werk, Bezug auf ihre Kindheit als Tochter eines Kolonialbeamten in Afrika nimmt: Der Film handelt von einer Gruppe in Dschibuti stationierter Fremdenlegionäre, deren Zusammenhalt durch den Neuling Sentain gestört wird. Das visuelle Zentrum des Films bildet die hyperästhetisierte Darstellung des ritualartigen Trainings der Männer: In ihr verdichten sich Momente von Eifersucht und homoerotischem Begehren, von Freundschaft und Gewalt, vor allem aber Momente der Zugehörigkeit und der Fremdheit: Die choreographische Inszenierung von Körpern ist hier – im Kleinen wie im Großen, in der Legion wie in Afrika – eine Inszenierung von Fremdkörpern.
20.07.2022 | Johanna Hartmann (Halle/Saale): Billy Wilder: Sunset Boulevard (1950)
“Mr. DeMille, I’m ready for my close-up” – Mit diesem mittlerweile berühmten Zitat endet Billy Wilders Film Noir "Sunset Boulevard " aus dem Jahr 1950, in dem Gloria Swanson die ehemalige Stummfilmberühmtheit Norma Desmond verkörpert. Dieser Film wurde interpretiert als Film über das Filmgeschäft in Hollywood, als Text über eine romantische Liaison zwischen einem alternden Filmstar und einem jungen Drehbuchschreiber, oder auch als schwarze Komödie. Insbesondere die Beziehung zwischen Norma Desmond und dem jüngeren Drehbuchautor Joe Gillis (William Holden) ist in der Forschung auf unterschiedlichste Weisen interpretiert worden. In meinem Vortrag werde ich an diese Diskussion anknüpfen und insbesondere die Figurenkonstellation, Thematik, und intermediale und intertextuelle Bezüge in den Blick nehmen.
Große Werke der Literatur XVI
Große Werke der Literatur XVI, Wintersemester 2020/21
Die traditionsreiche Augsburger Ringvorlesung „Große Werke der Literatur“ (XVI) fand bereits im Wintersemester 2020/21 wegen der anhaltenden Corona-Krise in digitaler Form statt. Die Vorträge wurden per Video über das Internet übertragen.
Große Werke der Literatur XVI
Aufzeichnung von Antje Kleys Vortrag zu Lincoln im Bardo am 21.10.2020
Am 21.10.2020 fand der Auftaktvortrag der diessemestrigen Ringvorlesung „Große Werke der Literatur“ statt, in dem Antje Kley (FAU Erlangen-Nürnberg) zu George Saunders’ preisgekrönten Roman Lincoln im Bardo sprach. Die Aufzeichnung des Vortrags über diese originell und satirisch erzählte, barock vielstimmige Geschichte einer einzigen Nacht mitten im amerikanischen Bürgerkrieg, in der Präsident Lincoln seinen gerade verstorbenen elfjährigen Sohn Willie betrauert, finden Sie unter folgendem Link:
Große Werke der Literatur XVI
Aufzeichnung von Dr. Hubert Zapfs Vortrag zu Emily Dickinsons Gedichten am 13.01.2021
Der dritte Vortrag von Herrn Prof. Dr. Hubert Zapf zu Emily Dickinsons Gedichten fand am 13.01.2021 statt. Den Link zur Aufzeichnung des Vortags auf YouTube finden Sie unter:
Aufzeichnung: Emily Dickinsons Gedichte (Hubert Zapf)
Emily Dickinson ist ein bemerkenswertes Beispiel für das in der Literaturgeschichte wiederkehrende Phänomen, dass »große Werke der Literatur« nicht zu Lebzeiten ihrer Autor/innen als solche erkannt, sondern vielmehr erst in der Langzeitrezeption entsprechend gewürdigt werden. Mittlerweile ist Dickinson zu einer Kultfigur eigen-ständiger experimenteller Lyrik geworden, die gerade in ihrer radikalen Mehrdeutigkeit ständig an Geltung und Aktualität gewonnen hat. Der Vortrag beleuchtete ausgewählte Gedichte Dickinsons aus verschiedenen Themen und Perspektiven, die sich in ihnen überkreuzen – Spätromantik und Frühmoderne, Tod und Transzendenz, Liebe und Selbstbestimmung, Frau und Gesellschaft, Kunst und Natur, Erkenntnis und Kreativität.
Große Werke der Literatur XVI
...in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei Augsburg
Ringvorlesung der Universität Augsburg
Sommersemester 2021
Mittwochs, 18:30 Uhr
Bereits zum zweiten Mal findet die Augsburger Ringvorlesung „Große Werke der Literatur“ nun online statt. An fünf Terminen zwischen Mai und Juli 2021 stellen unsere Vortragenden bemerkenswerte literarische Werke des 20. und 21. Jahrhunderts vor. Den Auftakt macht Alexander Wöll am 5.5. mit seinem Vortrag über Daniil Charms‘ poetisches Werk.
Die Termine im Sommersemester 2021 im Überblick:
05. Mai 2021, 18:30 Uhr | Alexander Wöll (Potsdam): Daniil Charms' poetisches Werk
19. Mai 2021, 18:30 Uhr | Lut Missinne (Münster): Louis Paul Boon, Der Kapellekensweg
09. Juni 2021, 18:30 Uhr | Doris Eibl (Innsbruck): Anne Weber, Annette, ein Heldinnenepos
23. Juni 2021, 18:30 Uhr | Martin Middeke (Augsburg): James Joyce, Ulysses
14. Juli 2021, 18:30 Uhr | Maximilian Gröne (Augsburg): Igiaba Scego, La mia casa è dove sono [Wo ich bin, bin ich zu Hause]
Programmflyer Große Werke der Literatur Sommer 2021
Gegenwärtig sind pandemiebedingt alle Vorträge als digitale Veranstaltungen geplant. Die Zugangsdaten finden Sie jeweils am Veranstaltungsabend auf unserer Startseite.
Sehr gerne nehmen wir Sie auch in unseren Verteiler zur Veranstaltungsreihe auf. Schreiben Sie uns dafür eine kurze Mail an shk.amerikanistik@philhist.uni-augsburg.de.
05.05.2021 | Alexander Wöll (Potsdam): Daniil Charms' poetisches Werk
Daniil Charms‘ genial-absurde Texte sind bis heute unübertroffen. Alte Omas fallen wie in Christian Morgensterns von schwarzem Humordurchzogenen „Galgenliedern“ aus dem Fenster. Kinder als Lebend-Tote erinnern an Monster aus den Gothic novels von Nikolaj Gogol‘. In seinen vermeintlich autobiografischen Texten parodiert Charms lustvoll Lev Tolstoj’s moralische Erziehungsfantasien und schreibt doch selbst Kinderliteratur völlig anderer Art. Wie in Lewis Carrolls verrücktem Wunderland wird die gesamte Logik der Welt mit mathematischer Präzision auf den Nullpunkt fokussiert. Über seine Begeisterung für Koffer, Schränke, Kisten und Truhen entwickelt er seine Maxime "Die Kunst ist ein Schrank", die jeder als eine Verballhornung des berühmten Slogans der russischen Formalisten "Die Kunst ist ein Verfahren" durchschaut. Einer Zeit des stalinistischen Terrors setzt er seine poetische Freiheit der Gedanken entgegen und schafft mit der Figur des kleinen Vova auf der Weihnachtsfeier, der mit einer Kinderrassel glücklich Lärm macht, eine Allegorie auf Russland zwischen Allem und Nichts. Sein sprachliches Meisterwerk voller Witz, Humor und Ironie soll in diesem Vortrag erkundet werden.
Dieser Vortrag wurde aufgezeichnet. Über folgenden Link gelangen Sie zur Aufzeichnung des Vortrags auf YouTube:
Aufzeichnung: Daniil Charms' poetisches Werk (Alexander Wöll)
19.05.2021 | Lut Missinne (Münster):
Louis Paul Boon, Der Kapellekensweg
Der Kapellekensweg (1953, orig. De Kapellekensbaan of de 1ste illegale roman van Boontje) stammt aus der Feder des flämischen Schriftstellers Louis Paul Boon (1912–1979) und bildet mit Sommer in Ter-Muren (1956, orig. Zomer te Ter-Muren) eine zweiteilige Buchreihe. Der Kapellekensweg, vom Autor „eine Pfütze, ein Meer, ein Chaos“ genannt, ein „Roman, in den du alles holterdipolter reinkippst“, ist einer der großen Klassiker der niederländischsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. Die Haupthandlung spielt sich im 19. Jahrhundert ab, zur Zeit des aufkommenden Sozialismus, und handelt von der zehnjährigen Ondine, die in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufwächst und vom sozialen Aufstieg träumt. Ihre Bemühungen, ihr Scheitern und auch der Entstehungsprozess des Romans selbst werden von einer Gruppe von Freunden kommentiert, zusätzlich wird ein Pastiche auf den mittelalterlichen „Vos Reynaerde“ in den Text gewoben. Der Roman wurde mit dem Wort „onfatsoenlijk” – unverschämt – bedacht, und wurde mit seiner wirbelnden Sprache und seinem Reichtum an Wortspielen und volkstümlichen Redensarten bereits drei Mal ins Deutsche übersetzt.
Über den folgenden Link gelangen Sie zur Aufzeichnung des Vortrags:
Aufzeichnung: Louis Paul Boon, Der Kapellekensweg (Lut Missinne)
09.06.2021 | Doris Eibl (Innsbruck):
Anne Weber, Annette, ein Heldinnenepos
In ihrem 2020 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Heldinnenepos zeigt die 1964 in Offenbach am Main geborene und seit 1983 in Frankreich lebende literarische Übersetzerin und Autorin Anne Weber, wie man eine vergessene Figur der Zeitgeschichte der flüchtigen Erinnerung entreißt und ihr literarisch neues Leben einhaucht. Der eigenwillige Gesang, der das außergewöhnliche Leben der 1923 in der Bretagne geborenen Kommunistin, Widerstandskämpferin und Ärztin Anne Beaumanoir, genannt Annette, als eine von politischem Kampf und Gefahr, Hoffnung und Enttäuschung geprägte Odyssee erzählt, erteilt der klassischen Biographie eine klare Absage. Die versifizierte und verdichtete epische Form des Textes lässt keine Zweifel offen: Anstatt eine ohnehin nicht fassbare Wahrheit des Lebens der Anne Beaumanoir vorzugeben, verwebt die Autorin erinnerte Nahaufnahmen (aus Gesprächen mit Anne Beaumanoir und deren Autobiografie Wir wollten das Leben ändern, 2 Bde., 2019 und 2020) und überantwortet Leerstellen ihrer Vorstellungskraft.
Die Aufzeichnung des Vortrags finden Sie unter folgendem Link:
Aufzeichnung: Anne Weber, Annette, ein Heldinnenepos (Doris Eibl)
23.06.2021 | Martin Middeke (Augsburg):
James Joyce, Ulysses
Ulysses, vollständig zum ersten Mal im Jahre 1922 erschienen, stellt das monumentale Meisterwerk des irischen Schriftstellers James Joyce (1882-1941) dar. Der Roman gilt zu Recht als einer der bedeutendsten und formalästhetisch radikalsten und innovativsten Romane der Weltliteratur. Die Irrfahrt von Joyces modernem Odysseus Leopold Bloom findet an einem einzigen Tag, am 16. Juni 1904 in Dublin statt. Folgen wir nun Joyces und Blooms Weg durch Dublin, so wird sich eine Sinnsuche, eine archetypische und bei aller strukturellen und erzähltechnischen Komplexität zugleich tief bewegende und lebensbejahende Reise durch das Menschliche zeigen, der keine Seite eben dieser Menschlichkeit fremd ist.
14.07.2021 | Maximilian Gröne (Augsburg):
Igiaba Scego, La mia casa è dove sono [Wo ich bin, bin ich zu Hause]
Igiaba Scego ist eine der profiliertesten Autorinnen der zeitgenössischen interkulturellen und postkolonialen Literatur Italiens. Sie selbst ist in Rom geboren und italienische Staatsbürgerin, ihre Eltern waren zuvor nach dem Staatsstreich von Siad Barre aus Somalia geflohen. Als Journalistin, Verfasserin von Romanen, Erzählungen und Kinderbüchern wie auch als Herausgeberin interveniert sie regelmäßig in der Diskussion um die gesellschaftliche Rolle und Identität von Zuwanderern in Italien und setzt sich für ein neues Geschichtsbewusstsein ein, das die von der Öffentlichkeit lange Zeit ausgeblendete Kolonialpolitik des Faschismus berücksichtigt. In dem autobiographischen Roman La mia casa è dove sono aus dem Jahr 2010 verbindet Scego Erinnerungen an den familiären Ursprungsort Mogadiscio mit ihrer Erfahrung der aktuellen Stadtlandschaft Roms. In dieser Überblendung gelingt es ihr, nicht nur die eigene Familiengeschichte in ihre Selbstwahrnehmung zu integrieren, sondern auch die im Zuge der Kolonialgeschichte entstandenen Verbindungen zwischen Italien und Somalia aufzudecken.