Schreibende Frauen aus dem Umfeld des Prager Kreises – Binationales Projekt in Kooperation mit der Westböhmischen Universität Pilsen

Der Freundeskreis um Franz Kafka, der sogenannte „Prager Kreis“ (ca. 1900 bis 1938) bestand ausschließlich aus Männern. Neben Kafka waren dies Max Brod, der dem Kreis in seiner 1964 verfassten Darstellung seine Konturen und seinen Namen gab, Felix Weltsch, Ludwig Winder und Oskar Baum. Frauen spielten in diesem Kreis und seinem Umfeld keine wesentliche Rolle – obgleich einige von ihnen nicht nur Gattinnen und Geliebte waren, sondern auch als Autorinnen, Journalistinnen und Übersetzerinnen einen eigenen Namen hatten, wie etwa Elsa Taussig, die erste Frau Max Brods, Milena Jesenská, Kafkas Gefährtin oder Irma Singer, die als junge Frau mit dem Prager Kreis in Berührung kam. Doch die deutschsprachige Prager Literatur, so fasst es Ingeborg Fiala-Fürst nicht ohne Ironie zusammen, ist voll von „tschechischen Geliebten, Dienstmädchen, Ammen, die den deutsch-jüdischen, skepsis- und vernunftkranken, lebensunfähigen Helden der Prager deutschen Literatur selbstlos den Weg ins Leben weisen.“ Es gebe „in der Prager deutschen Literatur fast keinen Dichter [...], der in seinem belletristischen Werk den Zugang zum tschechischen Volk anders gefunden hätte, als durch eine tschechische Geliebte.“ Das gilt selbst noch für die Wahrnehmung der Vorläuferinnen und Nachkommen des Prager Kreises.

 

Eine der wichtigsten Vorläuferinnen des Prager Kreises, die in Prag und Berlin lebende Auguste Hauschner, wird bis heute eher in ihrer Rolle als „Freundin bedeutender Männer“ und Cousine Fritz Mauthners wahrgenommen, als für die gesellschaftspolitische Sprengkraft ihrer literarischen und journalistischen Arbeiten gewürdigt. Nachkommen wie die aus Prag stammende Libuše Moníková oder die gebürtige Brünnerin Alena Wagnerová reflektieren diese verengten Perspektiven und nehmen in ihren literarischen Auseinandersetzungen mit Kafka und anderen Prager deutschen Autoren dieser Zeit spezifisch genderkritische Perspektiven ein. Wagnerová bezieht sich prononciert auch auf Autorinnen und Mäzeninnen bekannter männlicher Autoren (Milena Jesenská), Moníkovás Werk kann man chronologisch als Emanzipation von ihrem Vorbild Kafka lesen.


Das binationale Projekt fragt nach schreibenden Frauen aus dem Umfeld des Prager Kreises: nach Vorläuferinnen, Zeitgenossinnen und Autorinnen, die sich in der zweiten und dritten Generation mit dem (erweiterten) Prager Kreis auseinandersetzen.

 

Es untersucht Wahrnehmungen und Konstruktionen des Geschlechterverhältnisses in ihren Arbeiten – in journalistischen, essayistischen und literarischen Texten – und nach der Verschränkung emanzipatorischer Diskurse in diesen Texten. In welches Verhältnis wird der Emanzipationsdiskurs von Frauen zu dem von Juden gesetzt, in welcher Weise werden diese Fragen wiederum mit sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen verbunden. Im vergleichenden Blick auf die Verhandlungen der Verschränkung dieser Diskurse werden auch die Arbeiten der männlichen Autoren in die Überlegungen einbezogen.

"Ein irrender Mensch mit dem anderen". Internationale Tagung und Lesung zu Leben und Werk Auguste Hauschners

Anlässlich des 100. Todestages der deutsch-tschechisch-jüdischen Autorin und Journalistin Auguste Hauschner (1850-1924) widmete sich an der Universität Augsburg von 9.-11. April eine internationale Tagung mit dem Titel „Ein irrender Mensch mit dem anderen“ deren Leben, literarischem, publizistischem und sozialengagiertem Werk. 

 

Die Tagung wurde ergänzt und bereichert durch eine öffentliche Lesung im Annahof Augsburg  aus Texten Hauschners mit Schauspielerinnen des Augsburger Staatstheaters.

 

Die Tagung wurde organisiert und geleitet von Prof. Dr. Bettina Bannasch (Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Universität Augsburg)

in Kooperation mit Magr. Markéta Balcarovà Ph.D. (Germanistik, Universität Pilsen)

 

Beschreibung:

 

Das Werk der Schriftstellerin, Journalistin und ‚Salonnière‘ Auguste Hauschner (1850-1924) thematisiert und gestaltet das enge Wechselverhältnis der Emanzipationsbewegungen und -diskurse von Juden, Frauen und sozial Benachteiligten um 1900. In ihrem Werk artikuliert sich eine Stimme des liberalen deutschsprachigen Judentums, die angesichts der religiösen Erneuerungsbewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, insbesondere der Jüdischen Renaissance, dezidiert säkulare Auffassungen vertritt. Dabei beruft sich Hauschner emphatisch auf die Errungenschaften der Aufklärung und auf die emanzipatorische Kraft von Bildung. Ihre Stimme darf als repräsentativ gelten; zu ihrer Zeit war Hauschner nicht nur eine viel gelesene, sondern auch eine von der Kritik außerordentlich geschätzte Autorin.

Ziel der internationalen Tagung ist es, die Bedeutung und spezifische Charakteristik des heute kaum mehr erforschten Hauschnerschen Werks aufzuzeigen und seine eigenständige Originalität herauszustellen, insbesondere im Kontext religionsphilosophischer, frauenrechtlicher und gesellschaftspolitischer Debatten.

 

 

 

Workshops des binationalen Forschungsprojekts

Workshop "Kafkas Erbinnen. Spuren Kafkas in der deutschsprachigen Literatur"
25.-27.11.2022

Untersucht werden deutschsprachig-tschechische Autorinnen, die sich in ihren Werken auf Kafka beziehen und sich literarisch mit ihm auseinandersetzen. Bei aller Unterschiedlichkeit setzen sich die Autorinnen in ihren Texten mit der Frauenproblematik und Fragen der Emanzipation auseinander.

 

Diese sollen in enger Verschränkung mit der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in der Tschechoslowakei und der Heimatfrage bei Libuše Moníková, mit Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg, die kommunistische Ära und bekannte Intellektuelle und Künstler aus Prag bei Lenka Reinerová, mit Biographien über bekannte deutschsprachige Persönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit tschechischem Hintergrund bei Alena Wagnerová näher betrachtet werden.

 

CC BY-NC-ND
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Workshop "Kafkas Schwestern. Schreibende Frauen aus dem Umfeld des Prager Kreises" 

13.-15.10.2023

Unter den schreibenden Frauen um Kafka ist die Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin Milena Jesenská (1986-1944) ohne Zweifel am bekanntesten und bisher am intensivsten erforscht. Neben ihrem Werk widmet sich der Workshop dem Leben und Arbeiten weiterer Autorinnen, die dem Umfeld des Prager Kreises zugehören. Dazu gehört die Journalistin Elsa Taussig (1883-1942), die erste Frau Max Brods, oder Irma Singer (1898-1989), die als junge Frau Zugang zum Kreis um Franz Kafka, Felix Weltsch und Max Brod fand und dort das Judentum für sich entdeckte.

 

Während die Werke der Autoren des Prager Kreises, namentlich Max Brods vor allem von tschechischen Dienstmädchen bevölkert werden – auch diesem Topos und seiner Ausgestaltung soll ein eigener Beitrag gewidmet werden – sollen in den übrigen Beiträgen Leben und Werk schreibender Frauen aus dem Umfeld des Prager Kreises erkundet werden.

 

Ansprechpartner

Prof. Dr. Bettina Bannasch
Professorin
Neuere Deutsche Literaturwissenschaft 2

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Lehrbeauftragte
Neuere Deutsche Literaturwissenschaft 2

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