Das Weltkabelnetz im Jahr 1914
Mit der erfolgreichen Verlegung von Interkontinentalkabeln trat die Geschichte der Telekommunikation in eine neue Phase. Die Verlegung von Überseekabeln war seit Mitte der 1860er Jahre prinzipiell möglich. Die Transferzeiten (weitere Karte) von Nachrichten reduzierten sich gegenüber den konventionellen Übertragungsgeschwindigkeiten auf minimale Zeiteinheiten von Stunden und Minuten.
Die ersten Erfolge bei der Verlegung von Seekabeln hatte man bereits seit Beginn der 1850er Jahre erzielt und zwar zunächst auf kurzen Entfernungen, wie z.B. dem Ärmelkanal (1851), an Küsten entlang oder zwischen Inseln. Seit dieser Zeit engagierte man sich auch in Vorhaben zur Überbrückung interkontinentaler Distanzen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts schlossen interkontinentale Kabelverbindungen die wichtigsten Plätze der Welt immer mehr in einem Netz zusammen, das im Jahre 1902 erstmals den Globus vollständig umspannte.
Die führende Rolle beim Aufbau des Telegraphenweltnetzes spielten britische Telegraphengesellschaften, und London entwickelte sich zum Zentrum des Weltnachrichtenverkehrs. Auf den Haupttransferrouten des Weltverkehrs ermöglichten Mehrfachkapazitäten eine zunehmend effizientere Bewältigung des Massenbedarfs vor allem der international agierenden Wirtschaft.
Kabelprojekte im Mittelmeer, die auf eine kommunikationstechnische Anbindung Indiens gerichtet waren, und die Herstellung eines nordatlantischen Telegraphenkabels gelangen erst später. Seit der zweiten Hälfte der 1860er Jahre konnten nach zahlreichen Rückschlägen und der Überwindung technischer Probleme erste große Durchbrüche erzielt werden.
Man baute nicht nur die Hauptrouten des Weltverkehrs mit Mehrfachkapazitäten aus, sondern band auch neue Räume in das Netz eingebunden (vgl. das Weltkabelnetz im Jahre 1870, 1880, 1890, 1902 und 1914), wobei sich die durchweg von Privatgesellschaften realisierten Kabelprojekte im Wesentlichen an der weltwirtschaftlichen Relevanz der angebundenen Räume orientierten.
Dementsprechend folgte der Kabelverlegung im Nordatlantik und nach Indien die Anbindung Chinas, Japans, Australiens und Südamerikas. Afrika wurde erst in den 1880er Jahren vernetzt. Zuletzt wurde der Pazifik am Beginn des 20. Jahrhunderts mit zwei Kabelverbindungen durchquert, wodurch eine direkte Verbindung zwischen Nordamerika mit Südostasien und Australien hergestellt wurde.
Das Welttelegraphennetz, das vor dem Ersten Weltkrieg entstanden ist, war kein Internet (vgl. Server-Klient-Beziehung in dezentralem Netzwerk). Somit besteht auch keine direkte Kontinuität zwischen jenem Welttelegraphennetz und den Kommunikationsnetzwerken der Gegenwart; allenfalls kann man partielle Parallelen im Rahmen einer übergreifenden Kontinuität der Telekommunikationsgeschichte der letzten 200 Jahre benennen, wobei man jedoch den fundamentalen medientechnischen Fortschritt im 20. Jahrhundert wie auch die komplexe Wechselwirkung zwischen Medientechnik und Gesellschaft berücksichtigen muss.
Das Weltkabelnetz im Jahr 1914
Der Aufbau des Weltseekabelnetzes war am Beginn den 20. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen. Alle Erdteile waren in das Netz eingebunden. Die Kapazitäten an Kabeln waren auf den wichtigsten Routen des Weltverkehrs mit Mehrfachverbindungen ausgebaut worden. Nahezu alle wichtigen Plätze des Weltgeschehens konnten telegraphisch erreicht werden. Täglich wurden hohe fünfstellige Telegrammzahlen übertragen. Der Telegrammverkehr bestand zu über 90 Prozent aus Wirtschaftstelegrammen.
Bis 1914 standen im Nordatlantik 17 Kabelverbindungen zur Verfügung. Die Ansprüche an Zuverlässigkeit und Leistung der Telegraphenkabel in diesem Raum waren sehr hoch. Besonders Fernhandel und Börsen stellten höchste Anforderungen an eine zeitgenaue Übertragung ihres Nachrichtenaufkommens. Der Telegrammbetrieb war eng auf die speziellen Bedürfnisse der atlantischen Wirtschaft abgestimmt. So erfolgte regelmäßig eine zeitgenaue Übertragung der Anfangs- und Schlußkurse der atlantischen Börsen. Zu bestimmten Tageszeiten wurden Kabelkapazitäten für die Durchführung bestimmter Geschäftstypen (z.B. Arbitragegeschäfte) freigehalten.
Der nordatlantische Nachrichtenmarkt war schwer umkämpft. Die Telegraphengesellschaften standen in Kartellen formiert in starker Rivalität zueinander. Der Bedarf nach weiteren Kapazitäten war groß. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Kapazitäten weiter ausgebaut.
Auch auf der Route nach Indien waren weiter Kapazitäten geschaffen worden. Der Telegrammverkehr richtete sich nicht nur auf Britisch-Indien. Zur Jahrhundertwende hatte der hinterindische Telegrammverkehr den auf Indien gerichteten Telegrammverkehr übertroffen. Die hinterindischen Räume waren in die Weltwirtschaft hineingewachsen. Das internationale Telegrammaufkommen dieser Räume wurde auf verschiedenen Routen realisiert. Ein großer Teil der Telegramme wurde, sofern diese auf Europa oder die USA gerichtet waren, über die Mittelmeerrouten realisiert.
Aus diesem Anlaß hatte Großbritannien auch ein transpazifisches Kabel in Betrieb genommen. Ein Teil des Telegrammverkehrs der hinterindischen Räume konnte, sofern er auf Großbritannien gerichtet war, über Kanada und den Nordatlantik realisiert werden. Auch die USA hatten 1906 ein Pazifikkabel realisiert, das an Südostasien und Japan angebunden war.
Von Südafrika wurde vor dem Ersten Weltkrieg eine Kabelverbindung nach Australien über Mauritius und die Cocos-Inseln in Betrieb genommen. Der Telekommunikationsbedarf der Kap-Kolonie war seit dem Burenkrieg am Beginn des Jahrhunderts stark gestiegen.
Die Kabelverbindungen nach Südamerika waren von St. Vincent und Dakar aus erweitert worden. Vor dem Ersten Weltkrieg bestanden 5 Kabelverbindungen. Entlang der Südamerikanischen Ost- und Westküste bestanden Mehrfachkapazitäten.
Das bis zum Ersten Weltkrieg aufgebaute Kabelnetz war ein unverzichtbares Hilfsmittel der Weltwirtschaft, die zu der Zeit einen nie da gewesenen Stand erreicht hatte.
Am Beginn des Ersten Weltkriegs wurden mit dem Zeitpunkt wechselseitiger Mobilmachungen große Teile des Netzes zerstört. Die Kabel wurden nach dem Krieg, soweit als möglich, wieder in Betrieb gestellt. Auch in der Zwischenkriegszeit wurden weitere Kabel zur Ergänzung des Netzes verlegt.
Literaturhinweise:
- Barthy-King, Hugh: Girdle Round the Earth. The Story of Cable and Wireless and its predecessors to mark the group's jubilee 1929-1979, London 1979.
- Neutsch, Cornelius: Erste "Nervenstränge des Erdballs": Interkontinentale Seekabelverbindungen vor dem Ersten Weltkrieg, in: Teuteberg, Hans-Jürgen/ Neutsch, Cornelius (Hrsg.) Vom Flügeltelegraphen zum Internet. Geschichte der modernen Telekommunikation, Stuttgart 1998, 47-66.
- Röper, August: Unterseekabel, Leipzig 1910.
- Roscher, Max: Die Kabel des Weltverkehrs hauptsächlich in volkswirtschaftlicher Hinsicht, Berlin 1911.
- Wobring, Michael: Die Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert. Pläne, Projekte und Kapazitätsausbauten zwischen Wirtschaft und Politik. Frankfurt/M 2005.
Das Weltkabelnetz im Jahr 1914 - Zentrum Pazifik
Der letzte Ozean, der mit Telegraphenkabeln durchquert wurde, war der Pazifik. Erst am Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Aufbau des telegraphischen Weltnetzes weitgehend abgeschlossen war, wurden zwei transpazifische Kabel verlegt und in Betrieb genommen. Über diese Kabel konnte ein Teil des Telegrammverkehrs der hinterindischen Räume realisiert werden.
Obwohl die Idee zur Herstellung einer telegraphischen Verbindung über den Pazifik bereits seit den 1870er Jahren formuliert und bei den Regierungen zur Kenntnis genommen wurde, erfolgte die Verwirklichung der Kabel erst drei Jahrzehnte später. Anlaß waren die Strukturveränderungen der Weltwirtschaft und unmittelbare Anlässe in der Konlonialpolitik.
Der Telekommunikationsbedarf Ostasiens, Südostasiens und Australiens war zum Ende des 19. Jahrhunderts hin permanent gewachsen. Der Bedarf gründete sich auf das Hineinwachsen dieser Räume in die Weltwirtschaft. Der Telegrammverkehr dieser Räume mußte vor der Schaffung der Pazifikkabel, sofern er auf die USA gerichtet war, über Europa und den Nordatlantik fließen. Die Kapazitäten auf diesen Routen, besonders im Mittelmeer, im Roten Meer und im Arabischen Meer, wurden über den gesamten Betrachtungszeitraum bis zum Ersten Weltkrieg ausgebaut.
Auch wenn es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine große Routine bei der Verlegung interkontinentaler Kabel gab, stellte der Pazifik die Zeitgenossen vor schwere technische Herausforderungen. Die großen Entfernungen zwischen den möglichen Kabel-Anlandepunkten und die großen Wassertiefen machten Kabel mit speziellen Eigenschaften erforderlich. Um nicht bereits bei der Verlegung am Eigengewicht zu zerreißen, mußten die Kabel sehr leicht und trotzdem sehr stabil konstruiert sein.
Der Telegrammverkehr der hinterindischen Räume belastete vor allem die britischen Indienkabel.(Karte: Anbindung Indiens) Ein transpazifisches Kabel konnte diese Routen entlasten. Es sollte, so die Forderung der britischen Regierung, unabhängig von anderen Mächten und von privaten Telegraphenbetriebsgesellschaften sein. Realisiert wurde das Kabel als staatliches britisch-kanadisch-neuseeländisch-australisches Gemeinschaftsprojekt (Pacific Cable Board). Die Telegramme aus dem pazifischen Raum sollten über kanadische Transitverbindungen nach Neufundland übertragen und dort über die britischen Atlantikkabel nach England geleitet werden.
Im Linienverlauf wurde das Kabel ausschließlich an Plätzen angelandet, die unter britischem Einfluß standen. Entsprechend ergab sich die Linienführung vom kanadischen Vancouver aus über die Fanninginseln, die Fidschiinseln, Neukaledonien, Norfolk, Neuseeland und Australien. Das Kabel wurde im Verlauf des Jahres 1902 fertiggestellt. Aufgrund der großen Distanz war es auf dem Teilstück zwischen Vancouver und den Fanninginseln sehr leistungsschwach. Durch diese partielle Beeinträchtigung war es auf der gesamten Linie schwach und konnte aufgrund dieses technischen Mangels nicht die Erwartungen erfüllen. Das Kabel arbeitete nicht rentabel und war ein großer finanzieller Mißerfolg.
Für die USA gab es einen umittelbaren Anlaß zur Verlegung eines Kabels. Mit dem Frieden von Paris waren die USA 1898 u.a. in den Besitz der Insel Guam und der Philippinen gekommen und als letzte westliche Großmacht in die Reihe der Kolonialmächte getreten. Die Inbesitznahme dieser Plätze, beides handelsstrategisch vorteilhafte Punkte für die Wirtschaftsbeziehungen mit China und Japan, machte die Schaffung eines Pazifkkabels wünschenswert. Das Kabel wurde von einer privaten Telegraphenbetriebsgesellschaft, der Commercial Pacific Cable Company, realisiert. 1903 wurde die Leitung zwischen San Francisco und Manila in Betrieb gestellt. Die Abzweige nach China und Japan wurden im Jahr 1906 vollendet.
Trotz der beiden Pazifikkabel wurde auch weiterhin der größte Teil des internationalenTelegrammaufkommens Ostasiens, Südostasiens und Australiens auf verscheidenen anderen Routen realisiert. Die Pazifikkabel bewältigten nur einen geringen Teil des wachsenden Telegrammverkehrs. Ein weiterer Teil floß über das transkontinentale Kabel der Großen Nordischen Telegraphengesellschaft. Die Masse des Telegrammaufkommens nahm seinen Weg über die Mittelmeerkapazitäten der Eastern Telegraph Company. Daneben stand die transkontientale Siemens-Linie zur Verfügung. Ein sehr geringer Teil wurde über die Cocos-Inseln, Mauritius und Kapstadt nach Europa übertragen.
Literaturhinweise:
- Ahvenainen, Jorma: The Far EasternTelegraphs, Helsinki 1981.
- Barthy King, Hugh: Girdle Round the Earth. The Story of Cable and Wireless and its Predecessors to Mark the Group's Jubilee 1929-1979, London 1979.