Quellen zur Bedeutung der elektrischen Telegrafie, 19. Jahrhundert

Quellen zur Bedeutung der elektrischen Telegrafie

entnommen aus: Standage, Tom: Das Viktorianische Internet, St.Gallen/ Zürich 1999, chronologisch geordnet


Q1: Der St. Louis Republican berichtete schon 1847:

"Die Telegraphie ist aus den kommerziellen Transaktionen nicht mehr wegzudenken. Wo immer es Leitungen gibt, wird der Handel über diese abgewickelt, und es ist naturgemäß unmöglich, dass die Geschäftsleute von St. Louis mit jenen anderer Städte handeln können, wenn diese nicht an das Telegraphennetz angeschlossen sind. Der Dampf ist ein Hilfsmittel für den Handel - und nun gibt es ein zweites, den Telegraphen. Man könnte ebenso gut versuchen, mit einem Ruderboot gegen ein Dampfschiff zu konkurrieren wie sich mit der Post gegen einen Telegraphen zu stellen."

Standage, S. 184/185.
 

Q2: Gedicht anlässlich der Verlegung des Transatlantikkabels 1866, unbekannter Autor:

"Es ist vollbracht! Die wilde See bezwungen ist,
nicht mehr getrennt die Nationen sind;
mit verschränkten Händen die Kontinente fühlen
wie das Herz des anderen schlägt.
Schnell, schnell, Kabel und rolle "
einen Gürtel der Liebe um die Erd'
bis alle Nationen der unter der Sonne
Brüder sind an einem Herd."

Standage, S. 90.
 

Q3: Zeitungsberichte 1866:

"In London verglich die Times die Verlegung des Kabels mit der Entdeckung der Neuen Welt: Seit der Entdeckung von Kolumbus wurde keine vergleichbare Erweiterung des menschlichen Wirkungsbereiches erzielt. Ein anderes weithin zum Ausdruck gebrachtes Gefühl, das ebenfalls in der Times artikuliert wurde, war, dass das Kabel eine Wiedervereinigung des britischen und des amerikanischen Volkes bewirkt hätte. Der Atlantik ist ausgetrocknet, und wir werden nicht nur in unseren Wünschen, sondern auch in der Realität zu einem Land. Der atlantische Telegraph hat die Deklaration des Jahres 1776 halb rückgängig gemacht und viel dazu beigetragen, um uns allen Widrigkeiten zum Trotz wieder zu einem Volk zu machen."

Standage, S. 92.
 

Q4: Cyrus Fields, US-amerikanischer Geschäftsmann und wesentlicher Finanzier des Transatlantikkabels, in einem Brief an seinen Bruder Henry:

"Er [der Telegraph] bringt die Länder der Welt zusammen. Er verbindet die getrennten Hemisphären. Er vereint entfernte Nationen und gibt ihnen das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein []. Ein Meereskabel ist keine Eisenkette, die kalt und tot in den eisigen Tiefen des Atlantiks begraben ist. Es ist eine lebendige Verbindung aus Fleisch und Blut, die getrennte Teile der menschlichen Familie vereint, und die stets von Liebe und Zärtlichkeit durchpulst ist. Diese starke Bande tragen dazu bei, die menschliche Rasse in Frieden und Einmütigkeit zu einen []. Es scheint, als wäre diese Meeresnymphe, die sich aus den Wellen erhebt, geboren worden, um vom Frieden zu künden."
 

Q5: Der britische Botschafter Edward Thornton auf einem Bankett zu Ehren von Samuel Morse in New York, Dezember 1868:

"Was kann den [Frieden] stärker fördern als ein ständiger und uneingeschränkter Diskurs zwischen allen Nationen und Menschen der Welt? [] Die Dampfkraft war der erste Olivenzweig, den uns die Wissenschaft reichte. Dann kam ein noch vielversprechenderer Zweig" dieser wundervolle elektrische Telegraph, der jeden, der sich in Reichweite eines Kabels befindet, in die Lage versetzt, sofort mit seinen Mitmenschen in Kontakt zu treten, wo immer auf der Welt sie sich auch befinden mögen."

Standage, S. 100.
 

Q6: Aus einer Rede des New Yorker Geschäftsmanns W.E. Dodge (1868):

"Wenn Armee und Marine, Diplomatie, Wissenschaft, Literatur und Presse ihr spezielles Interesse an der Telegraphie bekunden, dann muss das der Handel mindestens im selben Maß tun, aber ich kann nicht behaupten, dass die neue Technik nur Gutes gebracht hat. [] es werden Zweifel laut, ob der Telegraph tatsächlich ein so guter Freund der Händler ist, wie dies weithin angenommen wird. Heute werden Berichte über die wichtigsten Weltmärkte täglich veröffentlicht, und unsere Kunden werden ständig telegraphisch kontaktiert. Statt einiger weniger Lieferungen pro Jahr muss der Händler nun permanent auf Trab sein und sein Geschäft kontinuierlich steigern. Er muss ständig mit seinen entfernten Partnern in Kontakt bleiben, erfährt innerhalb von Wochen die Ergebnisse von Lieferungen, die er vor einigen Jahren monatelang nicht erfahren hätte, und lässt die Erträge in Waren investieren, deren Wert wohl bekannt ist, und die schon vor ihrer Ankunft weiterverkauft werden. So wird er ständig auf Trab gehalten und findet keine Zeit für Ruhe und Entspannung.
Nach einem harten Arbeitstag geht er nach Hause, nimmt ein spätes Abendessen zu sich und versucht, im Familienkreis die Gedanken an die Arbeit aus seinem Kopf zu verscheuchen. Da trifft aber plötzlich ein Telegramm aus London ein, in dem er aufgefordert wird, in San Francisco 20 000 Scheffel Mehl zu kaufen. Nun muss der arme Mann seine Mahlzeit möglichst schnell beenden, um eine Botschaft nach Kalifornien zu senden. Der heutige Geschäftsmann muss ständig auf dem Sprung sein. Der langsame Expresszug wird dem neuen Tempo nicht gerecht, und dem Ärmsten, der den Lebensunterhalt seiner Familie finanzieren muss, bleibt keine andere Möglichkeit als sich dem neuen Stil anzupassen. Er muss sich der Telegraphie bedienen."

Standage, S. 182/183.
 

Q7: In der Zeitschrift 'Scientific American' erschien 1881 ein Artikel, der sich mit dem moralischen Einfluss der Telegrafie auf das menschliche Leben befasste. Kurz zuvor war der amerikanische Präsident James Garfield nach monatelangem Leiden gestorben:

"[] Die Berührung der telegraphischen Tastatur ruft menschliches Mitgefühl hervor, das seine Manifestation in einem universellen, gemeinsamen Herzschlag findet. Wir haben soeben gesehen, wie sich die zivilisierte Welt wie eine Familie um ein Krankenbett versammelte, wie Hoffnung und Sorge abwechselnd die Welt überfluteten, wenn elektrische Impulse hoffnungsvolle oder alarmierende Bulletins über Kontinente und Meere schickten []. Es war ein noch nie dagewesenes Spektakel; ein Spektakel, das in so großem Maßstab bisher nicht möglich gewesen wäre, und das von dem Tag kündet, an dem die Wissenschaft die menschlichen Gedanken und Interessen so miteinander vermischt, verwoben und vereint haben wird, dass das Gefühl, alle Menschen seien Brüder, keine einzelne Emotion mehr sein wird, sondern eine stetige Empfindung, welche die alltägliche Grundeinstellung der Menschen zueinander prägt und beherrscht."

Standage, S. 179/180.
 

Q8: Sir John Pender, Vorsitzender der Gutta Percha Company, zur Bedeutung des Telegrafen 1894:

"Die Telegraphie hat oftmals den Abbruch der diplomatischen Beziehungen und damit Dauerkriege verhindert. Sie stellt ihre Bedeutung für Frieden und Glück auf der Welt immer wieder unter Beweis []. Es besteht kein Anlass für böse Gefühle oder auch nur den kleinsten Grund zur Klage. Das Kabel hat das Übel der Missverständnisse, die zum Krieg führten, bereits im Keim erstickt."

Standage, S. 176.

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