Dr. Sven Keller
Dr. Sven Keller ist Leiter der Dokumentation Obersalzberg
Wie sind Sie zum Fach Geschichte gekommen?
Das war eine Bauchentscheidung. Neben Deutsch war Geschichte das Fach, das mich schon in der Schule besonders interessiert hat.
Die Frage, die ich mir damals gestellt habe, war: Was interessiert dich, womit möchtest du dich ein Leben lang beschäftigen? Strategische Erwägungen haben da eher keine Rolle gespielt.
Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, da habe ich sehr viel Unterstützung erfahren, aber über akademische Karriereplanung haben wir nicht so viel nachgedacht. Aus heutiger Sicht mag das blauäugig erscheinen, und in meinem Umfeld hat das auch zu Fragezeichen geführt – zumal ich nicht auf Lehramt studiert habe. Was wird man denn später damit?
Welche Qualifizierungen und Initiativen während des Studiums waren wichtig für die spätere Berufswahl? Wie können sich Geschichtsstudierende auf mögliche spätere Berufsfelder vorbereiten?
Dass es bei einmal auf die Zeitgeschichte hinauslaufen würde, war nicht von Anfang an ausgemacht. Ich habe erst einmal Zeit gebraucht, mich zu orientieren. Die Germanistik habe ich bald gestrichen, aber zu Anfang war ich stark an der Alten Geschichte interessiert. Das hat sich im Laufe der ersten Semester verschoben, und ich glaube, dass man sich – bei aller Zielstrebigkeit – auch die Zeit dafür nehmen muss, eine gewisse Breite kennenzulernen. Dann kann man Schwerpunkte setzen.
Das gilt auch für die Praktika und später für die Berufswahl. Ich habe ein Praktikum im Archiv gemacht, später beim Institut für Zeitgeschichte in München. Beides hat mir für alle meine Zwischenstationen genützt, ebenso wie meine Tätigkeiten als Studentische Hilfskraft. Archivar bin ich nicht geworden, und ich habe auch keine klassische Wissenschaftskarriere gemacht – ich habe aber wichtige Netzwerke geknüpft.
Wer schon weiß, wo es hingehen soll, kann natürlich gezielt darauf hinarbeiten. Wer das noch nicht weiß, muss sich aber nicht grämen. Ich wusste das auch lange nicht, und würde es nicht als Ratlosigkeit interpretieren, sondern als Offenheit für verschiedene Möglichkeiten. Wir Historiker und Historikerinnen und unsere Denkstrukturen sind schließlich vielfältig verwendbar, könnte man sagen.
Wie sind Sie zu dieser Tätigkeit gekommen?
Dass ich letztlich im musealen Bereich landen würde, war lange Zeit nicht vorgezeichnet. Ich habe mich schon in der zweiten Hälfte meines Studiums und dann später in Magisterarbeit und Promotion auf die Geschichte des Nationalsozialismus und Fragen der Erinnerungskultur – damals sprach man noch oft von „Vergangenheitsbewältigung“ – spezialisiert.
Irgendwann stand ich vor der Frage, ob ich habilitieren und einen Lehrstuhl anstreben möchte, oder ob ich die Spezialisierung vertiefe und mich in alternativen Berufsfeldern umschaue. Ich habe mich für letzteres entschieden. Es folgten Projektstellen.
Als dann am Institut für Zeitgeschichte ein Kurator für die Neugestaltung der Dauerausstellung der Dokumentation Obersalzberg gesucht wurde, habe ich mich beworben. Meine bisherigen Arbeitsschwerpunkte deckten sich gut mit den Gebieten, die zu bearbeiten waren, und ich wurde genommen. Auch das war noch eine befristete Stelle. Einige Jahre später wechselte mein damaliger Chef an die Spitze der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, und ich habe meinen Hut für die Nachfolge in den Ring geworfen.
Worin besteht genau Ihre Aufgabe im Beruf? Wie sieht der konkrete Arbeitsalltag aus?
Ich freue mich immer, wenn ich selbst forschen und im Archiv sein kann. Dazu ist aber nur noch selten Gelegenheit. Dafür habe ich jetzt die Möglichkeit, historisches Wissen einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen. In Form unserer Dauerausstellung und von Sonderausstellungen etwa, für die man eine Erzählung entwickelt, Exponate auswählt und Texte schreibt.
Die wiederum sind von ganz anderer Art als die dicken Studien, die ich zuvor geschrieben hatte. Zwischen zwei Buchdeckeln ist viel Platz – ein Ausstellungstext dagegen muss kurz und prägnant sein. Diese Fähigkeit zur knappen Synthese und eine gewisse Sprachfertigkeit muss man mitbringen. Daneben gibt es allerdings auch jede Menge organisatorische und bürokratische Dinge zu erledigen, von personellen Leitungsaufgaben über die Abstimmung mit Kooperationspartnern bis hin zur Budgetkontrolle. Darauf wird man im historischen Studium eher nicht vorbereitet; wenn man aber bereit ist, sich darauf einzulassen, muss einen das nicht schrecken. Auch mit Zahlen kann man sich anfreunden – das sage ich, obwohl ich das geisteswissenschaftliche Klischee voll erfülle: Mathematik war nie meine Stärke.
Die Basis meiner Arbeit ist und bleibt aber der Inhalt. Für die Erarbeitung und die Durchdringung unserer Themen brauche ich meine Kompetenzen als Historiker. Ich könnte noch so ein guter Administrator sein: Man muss der aktuellen Forschung folgen können, wenn man dazu Ausstellungen auf hohem Niveau machen will.
Auch für erinnerungskulturelle Debatten ist die historische Kenntnis unabdingbar. Das gilt auch für andere Teile des museumsfachlichen Bereichs, die ich verantworte: Die pädagogische Vermittlungsarbeit und das Veranstaltungsprogramm etwa. Wir entwickeln kleine und große Projekte in ganz unterschiedlichen Bereichen. Unter dem Strich sind es die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die unser Team in ganz unterschiedlichen Bereichen hat, die mir besonders großen Spaß machen.
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