Adam-Mickiewicz-Denkmal
Beitrag von Michael Ilg
Das dem polnischen Nationaldichter Adam Mickiewicz gewidmete Denkmal bildet den südlichen Abschluss des Boulevards der Freiheit. Das Monument steht auf dem nach ihm benannten Platz. Die Existenz einer polnischen intellektuellen „Lobby“ zur Errichtung eines Monuments war eindeutig. Im Jahr 1898 wurde anlässlich des 100. Geburtstags Mickiewiczs ein Architekturwettbewerb zur Errichtung eines Monuments an dieser Stelle ausgelobt. Diesen Wettbewerb entschied der aus dem südpolnischen Szczakowa stammende Bildhauer Antoni Popiel für sich. Der Bau des Denkmals dauerte von 1902 bis 1904 an. Bei der feierlichen Einweihung des Denkmals am 30. Oktober 1904 hieß der Adam-Mickiewicz-Platz noch Marienplatz. Popiel hatte in Krakau und Wien studiert. Zudem gestaltete er die Allegorien an der Fassade der Lemberger Oper. Somit war er an beiden abschließenden Bauwerken des Boulevards der Freiheit beteiligt. Obwohl bereits Adam-Mickiewicz-Denkmäler in Warschau und Krakau existierten, ließ er sich offensichtlich von Viktor Tilgners Mozart-Denkmal im Wiener Burggarten inspirieren. Den Ukrainern hingegen fehlte es an einer unabhängigen Gruppe von Intellektuellen, die bereit waren, mit den Behörden in Angelegenheiten des architektonischen Symbolismus zusammenzuarbeiten. Die Beziehung zu den habsburgischen Behörden konnten als misstrauisch und im frühen zwanzigsten Jahrhundert als feindlich beschrieben werden.
Das Denkmal zeigt eine Skulptur von Adam Mickiewicz vor einer 21 Meter hohen Säule, die aus italienischem Granit besteht. Über der Skulptur schwebt eine Allegorie des geflügelten Genius. Dieser Genius symbolisiert die Genialität Adam Mickiewiczs. Außerdem hält der geflügelte Genius eine Lyra in seiner Hand, welches ein Zupfinstrument ist und das antike Symbol der Dichter und Denker darstellt. Die Säule selbst wird durch eine vergoldete Nachbildung des ewigen Feuers abgeschlossen. Die brennende Fackel soll die Erinnerung an Mickiewicz wachhalten. Das Adam-Mickiewicz-Denkmal ist eines der wenigen polnischen Denkmäler, die das 20. Jahrhundert völlig unversehrt überstanden haben.
Permanente Denkmäler für Habsburger Herrscher existierten nur wenige in Lemberg. Sie bevorzugten bei Besuchen der Stadt temporäre Triumphpforten in der Tradition römischer Kaiser. Einzige Ausnahme bildete ein Denkmal des galizischen Gouverneurs Erzherzog Ferdinand Karl Joseph d´Este, das bis 1862 auf dem Ferdinandplatz am Ende des heutigen Boulevards der Freiheit stand. Dann wurde der Platz in Marienplatz umbenannt und das weltliche Monument durch eine Marienfigur ersetzt, vor dem Lemberger noch heute innehalten und beten. Seit das Denkmal Mickiewiczs über dem Platz thront, heißt dieser Adam-Mickiewicz-Platz. In Krakau beispielsweise ließ die deutsche Besatzung im August 1940 das große Denkmal des Dichters auf dem Marktplatz stürzen, um die Polen zu demütigen und die deutsche Überlegenheit zu demonstrieren. Der Sturz ihres Nationaldichters war für patriotische Polen ein Schock und veranlasste viele, sich der polnischen Untergrundarmee anzuschließen. Als die Wehrmacht 1941 Lemberg besetzt, ließ sie daher das Mickiewicz-Denkmal unangetastet.
Die Sowjets standen Mickiewicz wohlwollend gegenüber, da er viel über das Leid der einfachen Bauern verfasst hat. Das Denkmal des Dichter Aleksander Fredo, eher durch bürgerliche Lustspiele bekannt, wurde nach der Vertreibung der Polen aus Lemberg gestürzt. Das gleiche Schicksal widerfuhr der Reiterstaue des polnischen Königs Jan III. Sobieski und vielen weiteren polnischen Denkmälern.
Das Denkmal des Königs, der die Habsburger 1683 in Wien vor den Türken rettete, steht heute auf dem Holzmarkt in Danzig. Das Monument Fredros steht auf dem Breslauer Marktplatz. An Sobieskis Stelle vor der Oper stand zu Sowjetzeiten eine Statue Lenins, heute herrscht dort hingegen Leere. An Fredros Stelle am Ende der damaligen Akademikerstraße steht seit 1994 eine Statue des ukrainischen Historikers und Staatsgründers Hruschewskyj.
Seit dem Ende der Sowjetunion wurden in Lemberg zahlreiche Denkmäler und Gedenktafeln des ukrainischen Nationaldichters Ivano Franko aufgestellt. Unzähligen anderen Persönlichkeiten, die sich um die Ukraine verdient gemacht haben wie etwa Taras Schewtschenko, wurden ebenso Monumente in Lemberg gewidmet. Auch ein junger Mann, der im Februar 2014 auf dem Kiewer Majdan ums Leben kam, wurde bereits mit einer lebensgroßen Bronzestatue unweit des Mickiewicz-Denkmals verewigt. Adam Mickiewicz ist der letzte Pole, dem in der Stadt Lemberg heute noch ein Denkmal gewidmet ist. Es ist umso verblüffender, dass die Ukrainer ihn bis heute verschont haben, da Ivano Franko ihn 1897, also kurz vor Mickiewiczs 100. Geburtstag, in einem Artikel der Zeitung Wiener Zeit als einen „Dichter des Verrats“ bezeichnete.
Zunächst verehrte Franko Mickiewicz und sein Werk, doch schon bald warf er ihm vor, die Köpfe der Polen vergiftet zu haben. Durch sein Gedicht Wallenrod wurden seiner Meinung nach die Polen zu rücksichtslosen Nationalisten. Mit diesem Angriff verstärkte Franko die schon vorherrschenden Konflikte zwischen Polen und Ukrainern im damals von Polen dominierten Lemberg. Die heutigen mehrheitlich ukrainischen Lemberger stören sich nicht weiter an dem Denkmal oder sie wissen gar nicht mehr, wer Mickiewicz eigentlich war.
Literatur
- Hofer, A.; Leitner, E.; Tscherkes, B.: Lemberg. Architektur & Stadt. 100 Bedeutende Bauwerke, Wien 2012.
- Kleveman, L.: Lemberg: Die vergessene Mitte Europas, Berlin 2017.
- Klijanienko-Birkmann, A.: Lemberg. Das kulturelle Zentrum der Westukraine, Berlin 2015.
- Prokopovych, M.: Habsburg Lemberg. Architecture, Public Space, and Politics in the Galician Capital, 1772-1914, West Lafayette 2009.