Eine Geschichte des Theaters in Lemberg

Beitrag und Foto von Heike Strobl

 

Das Lemberger Theater gehörte, nach Prag und Budapest, zu den bedeutendsten Provinzbühnen der Monarchie. Ihm wurde lange Zeit eine wichtige politische Rolle zugeschrieben, da es sich einem besonderen Interesse der Regierung erfreuen konnte.

 

© Universität Augsburg

 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in den 20er und 30er Jahren, konnte das künstlerische Niveau seinem hohen Ansehen auch entsprechen. Ab den 1840er Jahren gewann die Oper immer mehr an Bedeutung und das Sprechtheater war zeitweise nur präsent, um den Schauspielern der Oper einen freien Abend zu gönnen. Durch diese vielen Auftritte litt die Qualität der Aufführungen, da selbst die besten Schauspieler den hohen Anforderungen nicht Stand halten konnten. Das vorwiegend polnische Publikum führte dazu, dass ab den 1860er Jahren die Operette im Vordergrund stand. Schon jetzt lässt sich erkennen, dass das Lemberger Theater seine Bedeutung vor allem durch das Musiktheater erlangte. Sein großer Einfluss wird an der musikalischen Bevölkerung der Stadt sichtbar: Die Oper förderte die Musik und Musiker, außerdem verbreitete es die Musikpflege.

 

 

Polnisches oder österreichisches Theater?

Vermutlich errichteten die Polen im Jahr 1781 das erste Theatergebäude in Lemberg. Es handelte sich um ein Amphitheater; ob es ein Neubau war, ist jedoch umstritten.

 

Der Gründer eines ständigen österreichischen Theaters in Lemberg (1791) war ein Tscheche: František Jindřich – später Franz Heinrich Bulla, der zum deutschen Schauspieler und Theaterleiter wurde.

 

Die Geschichte des polnischen Theaters in Lemberg lässt sich nicht vom österreichischen Theater trennen und umgekehrt, denn sie standen in einer engen Beziehung zueinander. Sie nutzten die ganze Zeit über dasselbe Theatergebäude, mit denselben technischen Bedingungen. Zwischen 1842 und 1872 teilten sie sogar Administration, Dekorationen, Kostüme, Requisition, Orchester und technisches Personal.

 

 

Das (erste) neue Theatergebäude

Das (erste) neue Theater in Lemberg wurde von Graf Skarbek erbaut. Er entstammte einer der ältesten Adelsfamilien aus Polen und verlor sein gesamtes ererbtes Vermögen bei Kartenspielen. Fortan widmete er sich der Aufgabe, das Familienvermögen wiederherzustellen. Nach dem Theaterbau wurde sein Vermögen im Jahr 1843 auf etwa fünf Millionen Gulden geschätzt.

 

Bereits im Jahr 1818 reichte Skarbek ein erstes Angebot im Gubernium ein. In diesem Bauplan bildeten die Bühne und der Zuschauerraum nur einen kleinen Teil eines riesigen Gebäudes. Mit Kaffeehaus, Einkehrhaus, Kasino, Wohnungen und Stallungen sollte sich die Investition erhalten, denn alleine aus Theateraufführungen würde sich der Bau nie finanzieren.

 

Diesen ersten Plan gab er schließlich wieder auf und reichte im Jahr 1833 erneut einen Antrag ein. Die Pläne dafür zeichnete der Wiener Architekt Ludwig Pichl. Skarbek kaufte die Zeichnungen auf und reichte sie ein. Danach passte Johann Salzmann, Zeichner der Lemberger Baudirektion, die Pläne nach Skarbeks Vorstellungen an.

 

Der Bau des Theaters begann im November 1833 mit der Beschaffung des Materials. Die entscheidende Genehmigung des Baus wurde jedoch erst am 10. September 1835 getroffen. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen deswegen erst am 8. Oktober 1835.

 

Erst zwei Jahre nach Baubeginn waren die Verhandlungen mit den Lemberger Behörden abgeschlossen. Unter anderem behielt sich Skarbek das Recht vor, abgesehen von deutschen auch französische, polnische und italienische Aufführungen geben zu dürfen. Bereits im Jahr 1845 schloss Skarbek ein Abkommen mit dem Ständeausschuss, indem er sich verpflichtete, wenigstens 110 Aufführungen in polnischer Sprache pro Jahr zu geben. Die Eintrittspreise für die polnischen Aufführungen blieben jedoch deutlich teurer und Skarbek blieb bei der polnischen Bevölkerung unbeliebt. Gebaut wurde das Skarbek-Theater auf dem Castrum-Platz.

Zum Grundriss: Es ist ein rechteckiger Bau mit einer Breite von 75,86 Metern und einer Länge von 94,83 Metern. Das Theatergebäude liegt im Zentrum und ist umgeben von mehreren Gemächern und Sälen. Die Breite des Proszeniums beträgt 11,40 Meter. Zwei Innenhöfe gehören ebenso zu dem vierstöckigen Bau.

 

Der Zuschauerraum des Theaters ist vier Stockwerke hoch. Insgesamt 1.460 Plätze verteilen sich auf 58 Logen, Parterre und Bänke. Bei großem Andrang konnten bis zu 1.800 Zuschauer in dem Raum Platz finden.

Am 28. März 1842 wurde das Theater eröffnet. Mit dem fertigen Bau besaß Lemberg nach München und Dresden eines der größten Theatergebäude in Zentraleuropa. Heute trägt das Theater den Namen Mariya Zankovetska Theater.

 

 

Das (zweite) neue Theater

Da das Theaterprivileg der Skarbek-Stiftung 1892 auslief, musst eine neue Regelung gefunden werden. Deswegen beschloss der Stadtrat im Jahr 1891 ein neu errichtetes Stadttheater zu führen, wenn der Landtag den Bau finanzierte und eine Subvention zusicherte. Der Architekt Zygmunt Gorgolewski aus Polen wurde nach einem Wettbewerb beauftragt, das Gebäude zu errichten. Der Plan von Fellner & Helmer wurde abgelehnt, da der Stil als zu eklektizistisch und international galt. Die Kosten des neuen Theatergebäudes beliefen sich auf 2,5 Millionen Kronen.

 

Der Spatenstich war im Jahr 1896. Für die Errichtung des Theatergebäudes wurden einige städtebauliche Veränderungen vorgenommen: Der Fluss Pełtew wurde überdacht und kanalisiert. Dadurch wurde eine Verbindung zwischen Altstadt und den Stadtteilen in der Gegend des Ossolineums und des Landtages geschaffen, wodurch die Stadt eine prächtige Flaniermeile erhielt. Mit dem neu errichteten Theater sollte auch die polnische (vermeintliche) zivilisatorische Überlegenheit gegenüber den Ruthenen demonstriert werden.

Zu der Zeit dominierten Operetten sowie tschechische und deutsche Opern den Spielplan des Theaters in Lemberg. Ab dem Jahr 1896, als Ludwik Heller die Direktion übernahm, gab es zunehmend auch polnische Aufführungen. Die erste Direktion im neuen Theatergebäude wurde 1900 ausgeschrieben. Nach einigen Konkurrenzkämpfen zwischen Heller und Tadeusz Pawlikowski wurde sie letzterem übergeben. Der neue Direktor schaffte es, ein Repertoire auf die Bühne zu bringen, das den Anschein einer europäischen Kulturmetropole erweckte, doch finanziell scheiterte das Unternehmen bereits nach der ersten Saison.

 

Ludwik Heller hatte in der Zwischenzeit das Skarbek-Theater umbauen lassen und dort die Lemberger Philharmonie begründet. Er bewies hierbei sein Talent als Kulturunternehmer und Musikliebhaber und setzte damit wohl Pawlikowski unter Druck. 1906 schließlich wurde turnusgemäß die Direktion für das Stadttheater erneut ausgeschrieben und Heller war der einzige ernsthafte Bewerber, denn Pawlikowski gab angesichts seiner Verluste einfach auf. Mit Heller erlebte die Lemberger Oper eine Glanzzeit und er blieb bis zum Ersten Weltkrieg Direktor des Stadttheaters.

 

 

Literatur

  • Got, Jerzy: Das österreichische Theater in Lemberg im 18. und 19. Jahrhundert. Aus dem Theaterleben der Vielvölkermonarchie (Band 1 & 2). Wien 1997.
  • Ther, Philipp: In der Mitte der Gesellschaft. Operntheater in Zentraleuropa 1815-1914. Wien 2006.

Suche