Zwischen Sinnlichkeit und Geist: Uwe Meixner auf der Suche nach Glück
„Tu alle Dinge fort!“, schrieb Plotin in seinen Enneaden und skizzierte damit den Weg zum seelischen Glück als Flucht des Geistigen vor der sinnlichen Welt: fort von allem Wahrnehmbaren, hin zu dem Einen. Doch ist das Glück damit für die Philosophie ausreichend definiert? U. a. diese grundlegende Frage stand im Mittelpunkt des Vortrags „Träume vom Glück – philosophisch“ von Professor Dr. Uwe Meixner im Rahmen der Vortragsreihe „Studium generale“ der Volkshochschule Augsburg in Kooperation mit der Universität Augsburg. Das Glück, so Thomas von Aquin, ist die „Sättigung des Willens“. Glück wurzelt in sinnlichem Wohlbefinden: animalischen Freuden, Sättigung; ja selbst der kurze Moment der Erleichterung nach einem Atemzug sind essenzielle Elemente menschlichen Glücksstrebens. Hinzu treten sinnlich-geistige Freuden, wie das Erleben eines Sonnenuntergangs oder der Genuss einer Theateraufführung. Doch ist das Glück allein in der Befriedigung sinnlicher Begierden zu finden? Ein rein sinnliches Glück wird von Epikur propagiert, der aber das Streben nach Lust unter die Lenkung der Vernunft stellt. Seine Maxime „Lebe im Verborgenen“ (lathe biosas) fordert Mäßigung und den Abschied von gesellschaftlich-öffentlichem Ehrgeiz. Doch scheint der Mensch dafür nicht geschaffen zu sein. Glück scheint mehr zu sein als der Zustand der Ataraxia, der völligen Seelenruhe. Es liegt in der aktiven Auseinandersetzung mit der Welt. Das Streben nach Glück wird dabei leicht unstillbar, wird leicht zu einem Prozess ohne Ziel, wie ihn Blaise Pascal beschreibt: „Sie bilden sich ein, nur diesen Rang müßten sie erreicht haben, um sich sofort mit Lust zur Ruhe setzen zu können, und sie ahnen nicht die Unersättlichkeit ihrer Begierde. Sie glauben ehrlich, die Ruhe zu suchen, und sie suchen in Wirklichkeit nur die Unruhe. […] So verrinnt das ganze Leben: man sucht die Ruhe, indem man einige Schwierigkeiten, die uns hindern, überwinden will; und hat man sie überwunden, dann wird die Ruhe unerträglich. (Pscal (1987): Gedanken, 169, 139) Ist das Glück also ein Ziel, das der Mensch nie erreicht? Oder besteht es in seinem beständigen Streben? Meixner lenkt den Blick auf eine Dimension des Glücks, die über die Sinnlichkeit hinausgeht: In seinem Gedicht „Einsamer Nie“ spricht Gottfried Benn (1886-1956) von einem rein geistigen Glück, dem „Gegenglück“, das der sinnlichen Befriedigung entgegengesetzt ist: Geistiges Glück ist das Erleben der dem Geist eignen freudhafen Erfüllungen. Schon in der Tradition der Platoniker wird das Glück in der Schau des Guten und Schönen verortet, in einer rein geistigen Dimension, die Benn als „Gegenglück“ fasst. Nach Meixner umfasst echtes menschliches Glück beide Aspekte: Als tief im animalischen verwurzeltes Lebewesen ist für den Menschen das Glück nicht ohne sinnliche Befriedigung komplett (und in Abwesenheit sinnlichen Zufriedenseins oft nicht erreichbar), aber zugleich strebt er auch darüber hinaus. Dieses Streben nach Höherem vollzieht sich in seiner geistigen Dimension, die ihn vom Tier unterscheidet. Wie ein Baumriese strebt der Mensch in seinem Bedürfnis nach Glück hoch ins Geistige hinaus, aber zugleich ist er immer schon durch seine animalischen Bedürfnissen im Sinnlichen verwurzelt – Bedürfnisse, die er zu stillen hat, um weiter nach oben streben zu können. Es bleibt die Frage: Was bedeutet Glück angesichts der Endlichkeit des Lebens? Ist das Streben nach Glück nicht auch ein Streben nach Dauerhaftigkeit, nach einem Zustand jenseits der Vergänglichkeit? Gewiss. Aber ob dieses Streben erfüllt werden wird, muss offen bleiben. Mit dem Ansprechen der Vergänglichkeit ist sehr deutlich auf die Sinnfrage verwiesen, die mit dem Streben nach Glück im Leben eng verbunden ist. Nach Meixner ist eine gute Antwort auf die Sinnfrage das Folgende: „Den Sinn deines Lebens findest du dort, wo deine Freude anderen hilfreich ist.“ In dieser einfachen Weisheit wird das Streben nach Glück mit der solidarischen Zuwendung zum anderen Menschen verbunden. Das Streben nach Glück weist damit über sich hinaus. - Ein Bericht von Etienne Dame -