Vernetzungs-Workshop der Bayerischen Friedens- und Konfliktforschung in Augsburg
Mit der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, hatte der Workshop des Bayerischen Zentrums für Friedens- und Konfliktforschung (BZeFK) in Augsburg eine sehr prominente Impuls-Geberin zum Start in den zweiten Tag. Das Grußwort von Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber an die bayerischen Friedens- und Konfliktforscher*innen überbrachte der Referent für Kultur, Welterbe und Sport, Jürgen Enninger, zum Beginn des zweiten Workshop-Tags. Er hob Augsburgs Bedeutung als Friedensstadt hervor, die sich in akademischer Hinsicht auch in der engen Zusammenarbeit mit Wellers Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg niederschlage. Als aktuelles Beispiel verwies er auf die intensivierten städtischen Bemühungen um eine Erinnerungskultur, die auch postkoloniale Dimensionen einbezieht, und das Lehrstuhl-Projekt „Postkoloniale Perspektiven auf die Friedensstadt“ im vergangenen Jahr. Dieses Thema griff dann anschließend Claudia Roth in ihrem Impulsreferat mit Verweis auf die kürzlich erfolgte Rückgabe der Benin-Bronzen an die Bundesrepublik Nigeria unmittelbar auf: „Diese Kunstwerke und Artefakte besitzen nicht nur einen hohen kulturellen Wert, sie erzählen eine Geschichte, die geprägt ist von Gewalt, Raubzügen, Unterdrückung und Entfremdung. Eine Geschichte, aus der wir lernen können - und müssen! Die Bundesregierung hat sich zu dieser Verantwortung bekannt. Wir wollen lernen aus der Aufarbeitung unserer Kolonialgeschichte. Und wir wollen Verantwortung übernehmen“, so die Staatsministerin für Kultur und Medien beim Vernetzungsworkshop der Friedens- und Konfliktforschung in Augsburg. Damit werden auch Beiträge zum Frieden geleistet, denn nicht wenige der Konflikte im globalen Süden, so Roth, besitzen auch koloniale Wurzeln. So könne mit der Aufarbeitung der kolonialen und postkolonialen Vergangenheit auch der Dialog unter Konfliktparteien erleichtert werden. Prof. Weller knüpfte an die konkreten politischen Beiträge zur Etablierung einer postkolonialen Erinnerungskultur unmittelbar an und stellte sie in den Zusammenhang der inhaltlichen Ausrichtung des Forschungsverbunds, in dessen Zentrum „Deutungskämpfe im Übergang“ stehen. Gerade in Augsburg stehe die Perspektiven-Erweiterung auf die dunklen Seiten des Kolonialismus im Zusammenhang der frühen Handelsimperien der Welser und Fugger noch am Anfang. Dem pflichtete Christina Pauls, Wissenschaftlerin der Universität Augsburg, bei und veranschaulichte dies etwa anhand von Perspektiven aus Venezuela, wo in völlig anderer Weise an die gewaltsame Eroberung und Plünderung des Landes durch die Welser im kolonialen 16. Jahrhundert erinnert wird. Der für ein Augsburger Publikum mit deutschen Untertiteln versehene Film „Mamparo“ vermittle einige Perspektiven aus der venezolanischen Stadt Coro, ehemals „Neu Augsburg“ in sehr anschaulicher Weise, so Pauls. Sie betonte auch die Notwendigkeit weiterer Vernetzung mit venezolanischen Akteuren und ihrer lokalen Rezeption in Augsburg. Die insgesamt 16 wissenschaftlichen Beiträge der Teilnehmenden des
Vernetzungsworkshops
waren allesamt auf das Thema Konflikte ausgerichtet. Theorien und Methoden der Konfliktanalyse oder ihre Behandlung im Kontext der Lehre waren ebenso Themen der Workshop-Panels wie Konflikte im Zusammenhang sozialer Protestbewegungen, von Staatszerfall oder bei Differenzen in der Geschichtsschreibung. Die jeweils interdisziplinär zusammengesetzten Panels - beteiligt waren Forschende der Geographie, Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Regionalstudien, Sozialen Arbeit, Sozialpsychologie, Soziologie, Technikfolgenforschung und Theologie - produzierten viel Diskussionsbedarf und zugleich reichhaltige Anregungen, die jeweiligen Konflikte in disziplinär unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Das
„Bayerische Zentrum für Friedens- und Konfliktforschung: Deutungskämpfe im Übergang" ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für vier Jahre gefördertes Regionalcluster der Friedens- und Konfliktforschung. Seit April 2022 bringt der Verbund Wissenschaftler*innen der Universitäten Augsburg, Bayreuth und Erlangen-Nürnberg sowie des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) zusammen, die ihre Forschung vernetzen sowie die Friedens- und Konfliktforschung in Bayern stärken und strukturell weiter verankern. Hierzu macht er auch Vernetzungsangebote für alle Wissenschaftler*innen, die in Bayern Friedens- und Konfliktforschung betreiben. Die inhaltliche Klammer des interdisziplinären Forschungsverbunds mit insgesamt acht sozial- und geschichtswissenschaftlichen Einzelprojekten sind „Deutungskämpfe im Übergang“ (
conflicts.meanings.transitions), also gesellschaftspolitische Konflikte um Deutungen, die besonders am Ende einer Gewaltherrschaft, beim Übergang vom Krieg zum Frieden oder im Zuge der Neubewertung gewaltvoller Vergangenheiten stattfinden. Deren Verlauf und Ergebnisse sind – so die im Verbund geteilte Ausgangsannahme – von großer Bedeutung für den aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Frieden. Im Fokus stehen verschiedene thematische Schwerpunkte wie „Deutungskämpfe um Friedensstrategien nicht-staatlicher Akteur*innen“, „Deutungskämpfe um Gewalt“ sowie „Deutungskämpfe um universale Rechte und Diversität“.
Über 20 Friedens- und Konfliktforscher*innen aus ganz Bayern waren für 2. und 3. Februar 2023 auf Einladung des von Prof. Christoph Weller geleiteten
Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg in die Friedensstadt Augsburg gekommen, um sich über ihre aktuellen Forschungsprojekte auszutauschen und für neue Projekte zu vernetzen. Bei der Eröffnung am ersten Workshop-Tag war auch die bayerische Landtagsabgeordnete Anne Franke anwesend, die bereits 2021 die Bayerische Initiative für Friedens- und Konfliktforschung angestoßen und gemeinsam mit der
Bayerischen Universitätenkonferenz zu einer Tagung in den Bayerischen Landtag eingeladen hatte.