Workshop in Augsburg: „Postkoloniale Erinnerung und Zeitgeschichte"
Der zweitägige Workshop „Postkoloniale Erinnerung und Zeitgeschichte“ (07. und 08.10.2024) wurde vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung und vom Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Augsburg im Rahmen des BMBF-Forschungsverbunds Bayerisches Zentrum für Friedens- und Konfliktforschung: Deutungskämpfe im Übergang (BeZFK) organisiert. Er hat Forschende aus den Geschichts- und Sozialwissenschaften sowie Personen aus der bildungspolitischen Praxis aus Bayern und darüber hinaus zusammengebracht. Der inhaltliche Schwerpunkt für den inter- bzw. transdisziplinären Austausch lag auf Deutungskämpfen um Formen und Inhalte postkolonialer Erinnerung, wobei auch die Rolle der Zeitgeschichtsforschung näher betrachtet wurde. Im Rahmen des Workshops wurden Möglichkeiten für Austausch und Vernetzung geschaffen. Begleitet von einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm (themenübergreifender Abendvortrag, postkolonialer Stadtrundgang) eröffnete der Workshop insbesondere Räume zur intensiven Diskussion aller Teilnehmenden. In dem ersten von drei interaktiven Panels – „Was heißt ‚postkolonial‘? Sozialwissenschaftliche und zeithistorische Perspektiven“ – haben die Teilnehmenden ausgehend von Impulsen von Prof. Dr. Simone Derix (FAU Erlangen-Nürnberg) und Prof. Dr. Jana Hönke (Universität Bayreuth) zusammen zentrale Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Sozialwissenschaften und Geschichtswissenschaften, aber auch innerhalb der Disziplinen, herausgearbeitet. Deutlich wurden die unterschiedlichen Forschungsgegenstände und -perspektiven, aber auch divergierende Forschungshaltungen, die mit postkolonialer wissenschaftlicher Praxis verknüpft werden. Angesprochen wurden zudem aktuelle Herausforderungen, die mit einer häufig verkürzenden und homogenisierenden Rezeption postkolonialer Ansätze einhergehen. Für den Abend des ersten Workshoptages hatte der Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung zum Vortrag von Prof. Dr. Claudia Brunner (Universität Klagenfurt) „Erinnerung für alle? Deutungskämpfe zwischen Wissenschaftsfreiheit und Staatsräson“ mit anschließender Diskussion eingeladen. Der zweite Workshop-Tag begann mit einem postkolonialen Stadtrundgang, bei dem Christina Pauls (Universität Augsburg) an ausgewählten Stationen der Augsburger Innenstadt Einblicke in kolonial-historische Verstrickungen und postkoloniale Kontinuitäten der Stadt gewährte – etwa an der Welsertafel und dem Hans-Jakob-Fugger Denkmal. Auf dem sich inhaltlich anschließenden zweiten Panel „Erinnerungskultur und postkoloniales (Ver-)Lernen“ führte Prof. Dr. Tanja Seider (HSAP Berlin) in Grundlagen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit (kollektivier) Erinnerungsarbeit und -kultur ein. Henriette Seydel, Mitbegründerin von Augsburg Postkolonial, hat über die Arbeit des Netzwerks berichtet, unter anderem über zugrundliegende Motivationen und strukturelle Herausforderungen. In der Diskussion ging es darum, wie eine mit Blick auf Ressourcen mitunter als ‚Erinnerungskonkurrenz‘ ausgetragene plurale Erinnerungskultur gestaltet werden kann: Wie können wir verschiedenen Facetten der deutschen (und global-verwobenen) Geschichte angemessen gerecht werden? Im dritten Panel „Postkoloniale Erinnerungslandschaften, Rassismus und Antisemitismus“ wurde bereits anhand der beiden Impulse von Dr. habil. Urs Lindner (Universität Duisburg-Essen) und Dr. Sebastian Voigt (IfZ München/Berlin) deutlich, wie unterschiedlich das Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus bestimmt werden kann – sowohl hinsichtlich begrifflich-definitorischer Fragen (z.B.: Ist Antisemitismus eine spezifische Form von Rassismus oder nicht?), als auch hinsichtlich der Wahrnehmung und Offenheit gegenüber Argumenten des jeweils anderen Forschungsansatzes in Antisemitismusforschung respektive (postkolonialer) Rassismusforschung. In der produktiv-kontroversen Diskussion wurde übergreifend der Appell und Wunsch formuliert, stärker Möglichkeiten der Zusammenarbeit gegen erstarkende geschichtsrevisionistische Kräfte im Kontext deutscher Erinnerungspolitik zu eruieren und nutzen.