Nutzung im Industriesektor

Stahlproduktion

Im Jahr 2020 produzierte Deutschland um die 36 Mio. t Rohstahl und ist damit Platz 8 in der weltweiten Produktionsliste (Statista 2021). Die Gewinnung von Eisen, und damit auch im weitesten Sinne von Stahl, ist ein Hochtemperatur-Prozess, der eine hohe Umweltbelastung nach sich zieht. Allein in Deutschland wurde im Jahr 2017 ungefähr 42 Mio. t CO2 im Industriesektor der Metallerzeugung und -bearbeitung freigesetzt (Destatis, 2021). Weltweit wird 28% des industriebedingten CO2 Ausstoßes der Stahl- und Eisenproduktion zugeschrieben (Agert, 2020). Dies liegt vor allem an der Verwendung von Koks als Brennmaterial und Oxidationsmittel von Eisenerzen im Hochofenprozess.
Im Hochofen wird Koks durch Zugabe von Sauerstoff bei 2000 °C verbrannt, wodurch CO2 entsteht, welches mit weiterem Koks zu CO reagiert. Dieses CO wird benötigt, um das Eisenerz (Fe2O3) zu Eisen zu reduzieren. Bei dieser Umwandlung wird CO2 freigesetzt (Schmidt, 2020).

Durch eine neue Herstellungsroute, der sogenannte Direktreduktion, kann die benötigte Temperatur während des Prozesses von ungefähr 2000°C auf eine Maximaltemperatur von 1600°C verringert werden. Bei diesem Verfahren wird Wasserstoff als Brennmaterial verwendet, wodurch kein Koks mehr gebraucht wird und das Nebenprodukt CO2 nicht entsteht. Als Nebenprodukt entsteht hierbei reines Wasser. Veranschaulicht ist dies in folgenden Reaktionsgleichungen (Bhaskar, Mohsen, & Nikpey Somehsaraei, 2022):

$$ \begin{aligned}3 \mathrm{Fe}_{2} \mathrm{O}_{3}(\mathrm{~s})+\mathrm{H}_{2}(\mathrm{~g}) & \rightarrow 2 \mathrm{Fe}_{3} \mathrm{O}_{4}(\mathrm{~s})+\mathrm{H}_{2} \mathrm{O}(\mathrm{g}) \\\end{aligned} $$

$$ \begin{aligned}(1-\mathrm{x}) \mathrm{Fe}_{3} \mathrm{O}_{4}(\mathrm{~s})+(1-4 \mathrm{x}) \mathrm{H}_{2}(\mathrm{~g}) & \rightarrow 3 \mathrm{Fe}_{1-x} \mathrm{O}(\mathrm{s})+(1-4 \mathrm{x}) \mathrm{H}_{2} \mathrm{O}(\mathrm{g}) \\\end{aligned} $$

$$ \begin{aligned}\mathrm{Fe}_{1-x} \mathrm{O}(\mathrm{s})+\mathrm{H}_{2}(\mathrm{~g}) & \rightarrow(1-\mathrm{x}) \mathrm{Fe}(\mathrm{s})+\mathrm{H}_{2} \mathrm{O}(\mathrm{g})\end{aligned} $$

 

Da der Reaktionsmechanismus der gleiche bleibt, sind die unterschiedlichen Stufen des Eisenoxides auch in der herkömmlichen Reduktion durch Koks zu finden. Wird H2 mit CO und H20 mit CO2 ausgetauscht, werden genau diese Gleichungen erhalten, da die Reaktionsgleichungen nahezu äquivalent zueinander sind.

 

Direktreduktion von Eisenerz durch Wasserstoff (Quelle: Cavaliere, P., 2019, Direct Reduced Iron)

Ammoniak- und Harnstoffsynthese

2019 wurde für die Herstellung von Ammoniak 31 Millionen Tonnen Wasserstoff verwendet, wodurch dieser Prozess den zweitgrößten Anwendungsfall, nach der Veredlung und Aufwertung von Rohöl, von reinem Wasserstoff darstellt (Hebling, et al., 2019). Das wohl bekannteste und meistverwendete Verfahren zu Herstellung von Ammoniak ist das Haber-Bosch-Verfahren. Hierbei wird der Stickstoff aus der Luft mit reinem Wasserstoff zur Reaktion gebracht, um Ammoniak herzustellen. Ammoniak ist ein wichtiges Edukt in vielen chemischen Herstellungsverfahren, unter anderem von Salpetersäure, Nitrobenzole und Harnstoff, die für die Produktion von Düngern, Kunstfasern, Sprengstoff, Farben und Lacken genutzt werden (Schmidt, 2020). Die hierfür nötige Reaktionsgleichung ist im Folgenden dargestellt:

Ammoniak-Synthese:  $$ 3 \mathrm{H}_{2}+2 \mathrm{~N}_{2} \rightarrow \mathrm{NH}_{3} $$   

 

Der für diesen Prozess benötigte Wasserstoff wird heutzutage größtenteils aus der Dampfreformierung gewonnen. Als Edukt wird Erdgas verwendet, was unweigerlich dazu führt, dass eine große Menge an fossilem CO2 ausgestoßen wird. Im Zuge der Energiewende wird angestrebt, den für diesen Prozess benötigten Wasserstoff aus alternativen und nachwachsenden Ressourcen zu gewinnen (siehe Kapitel Herstellung von Wasserstoff).

Ein industriell wichtiger Syntheseschritt ist die Umsetzung von Ammoniak zu Harnstoff:

Harnstoff-Synthese: $$ \mathrm{CO}_{2}+2 \mathrm{NH}_{3} \rightarrow\left(\mathrm{NH}_{2}\right)_{2} \mathrm{CO}+\mathrm{H}_{2} \mathrm{O} $$

 

Findet der gesamte Prozess der Umwandlung , wie in  Abbildung 1 gezeigt, in einer Großanlage statt, kann bis zu 2/3 des CO2, welches zuvor in der Dampfreformierung angefallen ist, für die Weiterreaktion zu Harnstoff verwendet werden. (Agert, 2020).

 

Vereinfachter Verfahrensverlauf zur Synthese von Ammoniak und Harnstoff (angelehnt an Agert, 2020)

 

Wasserstoff, Ammoniak und Harnstoff sind jetzt schon wichtige Grundbausteine für viele  chemische Prozesse von relevanten Produkten der Gesellschaft. Der Bedarf wird zukünftig durch eine steigende Bevölkerungszahl und dem damit verbundenen höheren Bedarf an Nahrung und Dünger stark ansteigen. Durch die Energiewende wird der Stellenwert des Ammoniaks durch den Einsatz als Energiemedium weiter gesteigert. Da Ammoniak in der Handhabung und Speicherung leichter ist als Wasserstoff, wird es als eine mögliche Alternative zur Langzeitspeicherung angesehen.

Synthetische Kraftstoffe

Wasserstoff spielt bereits bei der Herstellung herkömmlichen Kraftstoffen, wie Diesel, Benzin und Kerosin, eine große Rolle und dient zur Aufwertung und Aufbereitung der Kohlenwasserstoffe. Das Hydrocracking ist ein katalytisches Cracking-Verfahren, bei dem aus langkettigen Kohlenwasserstoffen des Erdöls kürzere Ketten mit Hilfe des Wasserstoffes gebildet werden für die Weiterverarbeitung und Herstellung von Dieselkraftstoff Fraktionen (Agert, 2020). Eine weitere Anwendung ist die Entschwefelung von Mineralölen mittels Wasserstoff, die dorthin gehend benötigt wird, um die Katalysatoren des Motors während des Verbrennungsvorgangs vor der Vergiftung durch Schwefel zu schützen. Wasserstoff bindet den Schwefel in Form von H2S Gas, wodurch der Schwefel entfernt werden kann.
Die Verarbeitung von Rohölen verbrauchte im Jahr 2015 ungefähr 5,2 Milliarden nm3 (Normkubikmeter; entspricht ca. 450 Millionen kg) Wasserstoff. Hierbei wurden 1,9 Milliarden nm3 (ca.171 Millionen kg) bereits als Nebenprodukt der Dampfreformierung gewonnen. Aber nicht nur die Verbrennung von herkömmlichen Kraftstoffen sondern auch deren Herstellung erzeugt als Nebenprodukt Treibhausgase. Wird der graue Wasserstoff durch Grünen ersetzt, lässt sich mit diesen Werten um die 1,72 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen (Agert, 2020).

Neben der Entwicklung von neuen Antriebstechnologien ist ein weiterer globaler Forschungsschwerpunkt das Ersetzen von herkömmlichen Kraftstoffen durch synthetische, die auch eFuels genannt werden. Die Synthese erfolgt durch Reaktion von CO2 mit Wasserstoff. Es wird hierbei versucht die unterschiedlichen Gemische aus denen Benzin, Diesel, Kerosin und ähnliche Kraftstoffe bestehen künstlich nachzustellen. Dieser Prozess kann aber nur dann als klimaneutral betrachtet werden, wenn das CO2 über bestimmte Methoden erzeugt oder gewonnen wurde. CO2 kann als Nebenprodukt von (Verbrennungs-) Reaktionen frühzeitig nach dem Carbon Capture and Storage (CCS) Verfahren eingefangenen und gespeichert werden. Zudem ist das Direct-Air-Capture ein neuartiges Verfahren, um CO2 direkt aus der Umgebungsluft einzufangen und zu speichern. Auch wenn dieses Verfahren noch in der Demonstrationsphase ist, existieren ausgearbeitete Pläne, um dieses Verfahren industriell und im großen Maßstab zu verwirklichen (Keith, Holmes, St. Angelo, & Heidel, 2018).
Der große Vorteil der eFuels gegenüber anderen alternativen Mobilitätslösungen ist ihre einfache Integrierung in die bereits vorhandene und heute genutzte Infrastruktur. Die eFuels sind den raffinierten Kraftstoffen nachempfunden, sodass sie wie diese einfach getankt werden können. Hohe Kosten und Energieverluste während der Produktion zeigen, dass die eFuels ein noch nicht vollkommen ausgereiftes System darstellen und viel Freiraum für zukünftige Entwicklungen und Forschungen lassen (Agert, 2020).

Weiterführende Literatur

Agert, C. (2020). Wasserstoff als Fundament der Energiewende, Teil 2. DLR e.V.

 

Bhaskar, A., Mohsen, A., & Nikpey Somehsaraei, H. (2022). Decarbonization of the Iron and Steel Industry with Direct Reduction of Iron Ore with Green Hydrogen. Energies(13). doi:10.3390/en13030758

 

Cavaliere, P. (2019). Direct Reduced Iron: Most Efficient Technologies for Greenhouse Emissions Abatement. Springer, Cham.

 

Hebling, C., Ragwitz, M., Fleiter, T., Groos, U., Härle, D., Held, A., . . . Müller, N. (2019). Eine Wasserstoff-Roadmap für Deutschland. Karlsruhe & Freiburg: Fraunhofer Gesellschaft.

 

Keith, D. K., Holmes, G., St. Angelo, D., & Heidel, K. (2018). A Process for Capturing CO2 from the Atmosphere. Joule. doi:10.1016/j.joule.2018.05.006

 

Schmidt, T. (2020). Wasserstofftechnik. Carl Hanser Verlag GmbH & Company KG.

 

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