Die Landnutzung durch den Menschen – der wahre Treiber für Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen?
Zweifellos sind Maßnahmen gegen den Klimawandel durch die Reduzierung der CO2-Emissionen unerlässlich und zu einem globalen politischen Ziel geworden. Eine ausschließliche Fokussierung auf dieses Ziel lässt jedoch andere wichtige Minderungsmaßnahmen außer Acht, die dringend umgesetzt werden müssen. Ein Autorenteam der TU München sowie der Universitäten Lancaster und Augsburg legt in einem Meinungspapier dar, dass die Wiederherstellung hydrologisch funktionaler Landschaften und Böden als ebenso wichtig angesehen werden sollte, um den Klimawandel, insbesondere in Bezug auf Extremereignisse wie Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen, abzuschwächen und die Grundlage für Ernährung und Leben zu erhalten.
Den landnutzungsbedingten Klimawandel wahrnehmen und Maßnahmen ergreifen
Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen nehmen weltweit zu. Dies wird in der Regel auf den durch Treibhausgase verursachten Klimawandel zurückgeführt. Auf globaler Ebene führt der Klimawandel jedoch weder zu einer Verringerung der Niederschläge noch zu einer ausreichenden Erklärung für Dürren, trotz eines moderaten Anstiegs der Evapotranspiration aufgrund des Temperaturanstieg als Folge der Erderwärmung. Frühere Landnutzungsänderungen, insbesondere Bodenversiegelung, Bodenverdichtungen und Maßnahmen zur Landschaftsentwässerungen, dürften für Wasserverluste durch Abfluss und damit für Überschwemmungen und Wasserknappheit eine größere Rolle spielen. Laut den Autoren bedarf es einer gesteigerten Wahrnehmung für die Folgen des landnutzungsgetriebenen Klimawandels (siehe Abbildung). Maßnahmen zur Verringerung der Bodenversiegelung und -verdichtung sowie zur Wasserspeicherung in strukturell reichhaltigen Landschaften (Schwammlandschaften und Schwammstädte) können alle ausgeprägte klimatische Auswirkungen haben. Da sie auch schnelle und einfache Maßnahmen umfassen, die eine messbare Abkühlung der Landschaft bewirken (z. B. Strohbedeckung nach der Ernte (siehe unten: "Wissenswertes"), d.h. kein Einarbeiten von Stroh nach der Getreideernte).

Voraussagen modellieren um Empfehlungen abzuleiten
Die größte Herausforderung dürfte hier in der Hydrologie liegen, wo gegenseitige Wechselwirkungen in der Atmosphäre, an Bodenoberflächen und im Boden noch weitgehend vernachlässigt werden. In der Regel werden mit der Landnutzung einhergehenden Phänomene, die direkten Einfluss auf die Wasserflüsse in der Landschaft haben (Oberflächen und Zwischenabfluss, lokale Verdunstung etc.) unzureichend erfasst. Die Größe eines Untersuchungsgebiets und dessen Nachbarschaft spielen beispielsweise in vielen Modellberechnungen – zum Beispiel zur Verdunstung – kaum eine Rolle. Die Landnutzung wird in der Regel in groben Kategorien wie Wald, Grünland, Ackerland und Siedlungsfläche erfasst – mit Parameterwerte, die teilweise vor Jahrzehnten abgeleitet wurden und die die beispiellosen Veränderungen, die in den letzten Jahrzehnten in einzelnen Landnutzungskategorien stattgefunden haben, kaum widerspiegeln.
Selbst die ausgeprägte Zunahme der Regenerosivität (s.u.), der derzeit stärkste CO2-bedingte Klimawandeleffekt in ländlichen Gebieten neben dem Temperaturanstieg, wird von hydrologischen Modellen kaum erfasst. Alle Schlussfolgerungen zu den Auswirkungen der Landnutzung, die auf Modellierungen basieren, müssen laut den Autoren daher mit Vorsicht betrachtet werden, unabhängig von der scheinbaren Sicherheit der Modellierungsergebnisse. Umgekehrt sei die Betrachtung meteorologischer Veränderungen nur unter dem Gesichtspunkt der Treibhausgase ebenfalls verzerrt.
Schlussfolgerung
Doch selbst wenn Modelle versagen und die Durchführung von Landschaftsexperimente nicht immer möglich sind, gibt es genügend Belege dafür, dass die Landnutzung ein wesentlicher Treiber des Problems und der Lösung zur Minderung von Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen ist. Die Auseinandersetzung mit Änderungen in der Nutzung und im Management der Landschaft sind daher unerlässlich, da sie auch bei Netto-Null-CO2-Emissionen bestehen bleiben und die Welt anfälliger machen werden. Angesichts des starken Einflusses von Boden und Bodennutzung auf den Wasser- und Energiehaushalt besteht aber das Potenzial, einige der negativen Auswirkungen des CO2-Anstiegs auf terrestrische Ökosysteme auszugleichen. Diese Option sollte häufiger genutzt werden, um einen weiteren wichtigen Faktor für Extremereignisse einzudämmen.
Wissenswertes
Evapotranspiration bedeutet Gesamtverdunstung. Es ist die Summe aus Verdunstung an z.B. der Bodenoberfläche (Evaporation) und Transpiration von Pflanzen. Die Evapotranspiration bezeichnet also den gesamten Wasserverlust aus einem Gebiet an die Atmosphäre durch Verdunstung von Wasser aus Boden und Wasseroberflächen sowie durch Transpiration von Pflanzen und Tieren.
Regenerosivität
Regenerosivität beschreibt die Fähigkeit von Niederschlägen, Bodenpartikel durch ihre Aufprallenergie zu lösen und abzutransportieren. Sie hängt von der Intensität und Dauer des Regens ab und ist ein wichtiger Faktor für Bodenerosion. Besonders Starkregenereignisse mit hoher kinetischer Energie können erheblichen Bodenabtrag verursachen. Die Regenerosivität hat sich in Deutschland in den letzten 60 Jahren ungefähr verdoppelt, was das Risiko für Bodenverluste durch Erosion erhöht. Maßnahmen wie angepasste Bodenbearbeitung und Erosionsschutz können helfen, die negativen Auswirkungen zu reduzieren.
Das Potenzial von Strohbedeckung
Eine Strohbedeckung würde es jedem Landwirt ermöglichen, die Bodenfeuchtigkeit für die Pflanzen zu erhalten, da weniger Energie aus kurzwelliger Strahlung für die Evaporation zur Verfügung stünde. Eine Studie hat für Frankreich geschätzt, dass während der hundertjährigen Hitzewelle in Europa im August 2003 die Änderung der Albedo (d.h. das Maß für das Rückstrahlvermögen einer Oberfläche) durch Strohbedeckung von Feldern die Temperatur landesweit um durchschnittlich 2 °C gesenkt hätte ( Davin et al., 2014). Dazu hätten die Landwirte das Stroh nach der Getreideernte auf dem Boden belassen müssen, anstatt es unterzupflügen. Die Hitzewelle 2003 war die tödlichste Naturkatastrophe in Europa in den letzten Jahrhunderten mit mehr als 70.000 Todesopfern in Europa und etwa 20.000 allein in Frankreich ( Robine et al., 2008). Weiterhin hätte die Strohbedeckung zu einer kürzeren, weniger intensiven Dürre beigetragen.
Denn eine Strohbedeckung geht mit einigen positiven Nebenwirkungen einher: der Verlust von Bodenfeuchte wird verringert. Die Kapillarwirkung an der Verdunstungsfläche wird aufgrund der physikalischen Barriere durch die Strohbedeckung reduziert. Zusätzlich verbessert eine Strohbedeckung die Infiltration bei starken Regenfällen und vermindert folglich die Erosion. Aufgrund der besseren Wärmeisolierung, die die Wärmeabgabe aus dem Boden während der Nacht reduziert, erhöht sich zudem die Taubildung.