Lea Rahman M.A.

Projektskizze

Die menschliche Gesellschaft und Natur sind eng miteinander verwoben: Menschen sind selbst Teil der Ökologie und wirken umgekehrt auf diese zurück. Diese Beeinflussung führte mitunter zum Konzept des Anthropozäns und zu Kritiken an bestehenden Natur-Mensch-Verhältnissen. Eine Analyse, die die Beziehung zwischen einem – wie auch immer imaginierten – Menschen an sich und Natur untersucht, bleibt jedoch verkürzt. Denn Menschen sind kein einheitliches Ganzes. Vielmehr sind bestehende menschliche Gesellschaften selbst von Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen geprägt. Dieser Aspekt wird in jüngerer Zeit vermehrt hervorgehoben. Ansätze der Umwelt- und Klimagerechtigkeit, ökofeministische und intersektionale Ansätze untersuchen, wie Diskriminierungen mit ökologischen Aspekten zusammenhängen. Häufig fehlt jedoch eine tiefergehende Analyse, nicht nur weshalb die Folgen von ökologischer Zerstörung mit Diskriminierungen zusammenhängen, sondern ob bzw. wie die Ursachen der ökologischen Zerstörung und der gesellschaftlichen Diskriminierung von Menschen(gruppen) verbunden sind. So beziehen diese Ansätze die kapitalistische Produktionsweise meist nicht oder nur randständig mit ein. Viele ökosozialistische und ökomarxistische Konzepte fokussieren wiederum einseitig auf den Zusammenhang zwischen Naturaneignung und kapitalistischer Wirtschaftsweise. Wie die aufgeführten Ansätze zeigen, scheinen vielschichtige Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen und Naturaneignung zu bestehen. Es bleibt jedoch oft unklar, inwiefern diese gesellschaftlichen und ökologischen Ausbeutungs- und Aneignungsprozesse verschränkt miteinander wirken. Aufgrund der vielschichtigen Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen mit Naturaneignung steht eine Untersuchung aus, inwiefern diese verschränkt zusammenwirken. Mithilfe theoretischer Klärung und qualitativen Fallstudien will ich die Zusammenhänge und Verschränkungen von menschlicher Naturaneignung und gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen im Hinblick auf die kapitalistische Produktionsweise zu identifizieren. Dazu will ich die folgenden Fragen stellen: Welche Verschränkungen bestehen zwischen Naturaneignung und gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen? Welchen Stellenwert nehmen dabei kapitalistische Produktionsverhältnisse und mit ihnen zusammenhängende Ausbeutungsverhältnisse ein? Inwiefern können diese Verschränkungen von Herrschafts- und Ausbeutungsverhält-nissen zwischen Menschen und Natur sowie zwischen Menschen als Teil eines Gesamtsystems begriffen werden? Die Fragen sollen gemeinsam auf Basis der gegenwärtigen Theoriedebatte zu diesem Themen-feld sowie auf Grundlage detaillierter empirischer Fallstudien beantwortet werden. Die Fallstudien sollen mithilfe der Methode des process tracing und ergänzenden Interviews ausgewertet werden. Darüber hinaus sollen mithilfe der sequenzanalytischen Grounded Theory fallübergreifende Schlüsselkategorien gebildet werden, die den wesentlichen Teil der Theoriebildung darstellen. Eine solche Untersuchung der Verschränkungen gesellschaftlicher Herrschafts- und Ausbeutungsverhält-nisse mit Naturaneignung verspricht die Weiterentwicklung bisheriger theoretischer Ansätze. Denn, wie dargelegt, fehlt bisher eine strukturierte Analyse, die gesellschaftliche Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse nicht nur jeweils in ihrem Zusammenhang mit Ökologie analysiert, sondern strukturell die Verschränkungen von Ökologie mit gleichzeitig wirkenden gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen sowie kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen betrachtet. Darüber hinaus ist die Untersuchung von praktischer Relevanz: Wenn tatsächlich ein neues Verhältnis zwischen Natur und Menschen etabliert werden soll, muss das bisherige Natur-Mensch-Verhältnis nicht nur in der Tiefe verstanden werden, indem die Praxis der Aneignung, dahinterliegende gesellschaftlich-ökonomische Strukturen und damit verbundene politische, rechtliche sowie kulturelle Aspekte untersucht werden. Es muss auch die Verwobenheit mit zwischenmenschlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen erfasst wer-den, um diese bei der anstehenden großen gesellschaftlichen Transformation gerechter zu gestalten und nicht-intendierte Nebenfolgen zu vermeiden.

Forschungsschwerpunkte und Interessensgebiete

  • Umweltgerechtigkeit
  • Feministische Politische Ökologie
  • Internationale Beziehungen
  • Internationale Politische Ökonomie

Publikationen

Rahman, Lea (2023): Attribution Science and the Loss and Damage Fund. Using Science Will Make the Fund More Fair and Effective. Berlin: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.

 

Rahman, Lea (2021): Neokoloniale Strukturen in der internationalen Klimapolitik. Eine postkoloniale Perspektive auf den Diskurs im Rahmen der UN-Klimakonferenzen. Baden-Baden: Tectum.

 

Rahman, Lea (2020): Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit im Diskurs über die Digitalisierung im Bildungssystem. In: Roos, Ulrich (Hg.): Nachhaltigkeit – Transformation – Postwachstum. Eine Rekonstruktion wesentlicher Arenen und Narrative des globalen Nachhaltigkeits- und Transformationsdiskurs (S. 113-141). Wiesbaden: Springer VS.

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