Alexander Weidle M.Ed.

Projektskizze

Institutionalisierte Erinnerung und ihre Grenzen: Landsmannschaft und Lebensgeschichten der „Buchenlanddeutschen“

 

Migration zählt zu den zentralen Zäsuren im Leben von Menschen. Entsprechend zählt auch die Auseinandersetzung mit und das Sprechen über die Migrationserfahrungen in zahlreichen Familien zur alltäglichen Praxis – ebenso wie das Engagement in Vereinen und Gemeinschaften, in denen Kulturen, Sprachen und Narrative der alten Heimat gepflegt werden. Diesem Zusammenhang von Institution und Individuum in der Erinnerung an (Zwangs-)Migrationserfahrungen widmet sich das vorliegende Dissertationsprojekt. Im Zentrum stehen die Institutionen und Erzählungen der Bukowina- oder Buchenlanddeutschen, die im Zuge von Umsiedlung bzw. Flucht und Vertreibung der Deutschen auf das Territorium der heutigen Bundesrepublik und der Republik Österreich kam. Jene stehen beispielhaft für eine der kleinen Gruppen unter den insgesamt zwölf Millionen Menschen, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges aus Ost- und Südosteuropa zuwanderten.

 

Das Projekt untersucht in einem ersten Schritt sowohl das institutionelle Agieren der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen auf politischer Ebene als auch die sinn- und identitätsstiftenden Erzählungen, Medien und Praktiken, die jenseits „harter“ politischer Forderungen wie der Grenzrevision entwickelt wurden. In einem zweiten Schritt geht das Dissertationsprojekt auf Basis einer umfänglichen Sammlung an Oral History-Interviews, die drittmittelgefördert zwischen 2018 und 2020 am Bukowina-Institut der Universität Augsburg realisiert wurden, den individuellen Perspektiven nach. Im Zentrum steht die Frage, inwiefern sich institutionell geprägte Erzählungen der frühen Nachkriegszeit in betroffenen Familien bis heute konserviert haben. Ebenso erlauben die Interviews eine Analyse der Grenzen der Vergemeinschaftung. Denn unter den (Zwangs)MigrantInnen aus der Bukowina und ihren Nachkommen partizipier(t)en nicht alle an den angebotenen Medien und Praktiken. Wer jene „anderen Vertriebenen“ jenseits der einschlägig bekannten (aber systematisch nicht erforschten) LiteratInnen und JournalistInnen waren, blieb in wissenschaftlichen Arbeiten bislang unbestimmt. Hier setzt das Projekt an und untersucht die Erzählungen von Distanzierung und Entfremdung ebenso wie die von begeisterter Teilhabe an den identitätsstiftenden Praktiken. Entsprechend will das Dissertationsvorhaben nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der (Nach-)Geschichte von Flucht und Vertreibung leisten, sondern darüber hinaus zur Migrations- und Erinnerungsgeschichte, zu Gruppenkohäsionsprozessen und der Nationalismusforschung beitragen.

 

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