Glossar
Baumwolle als Welthandelsware
Getreide als Welthandelsware
Dampfschifffahrt
Parallel zur Transportrevolution durch die Eisenbahnen im Landverkehr verdrängten nach der Erfindung der Schiffsschraube Dampfschiffe seit den 1860er Jahren mehr und mehr die windabhängigen Segelschiffe im überseeischen Schiffsverkehr. Durch Verbesserungen im Bereich der Feuerung und des Kesselbaus sowie durch die Erfindung der Dampfturbine wurde der Antrieb zunehmend perfektioniert, wodurch die Fahrgeschwindigkeiten drastisch erhöht werden konnten. Das Postschiff Savannah, das im Mai 1819 erstmals allein mittels Dampfkraft den Atlantik von Georgia nach Liverpool überquerte, hatte für die Fahrt noch 26 Tage benötigt, doch bereits im Jahr 1880 konnten die schnellsten Schiffe die Strecke in acht Tagen zurücklegen. Durch die technischen Verbesserungen ließ sich nicht nur Energie und damit Bunkerraum für die Kohle, sondern auch Wartungs- und Bedienungspersonal einsparen.
Da der Einbau von Dampfmaschinen eine größere Festigkeit der Schiffskörper erforderlich machte, lösten Eisen und später Stahl das beim Bau von Segelschiffen verwendete Holz ab. Da Stahl eine größere Festigkeit und ein niedrigeres spezifisches Gewicht als Eisen besitzt, konnten mit den Ausmaßen der Schiffe auch deren Ladekapazitäten erheblich gesteigert werden.
Die Schiffsverbindungen wurden immer dichter, regelmäßiger und sicherer. Beispielsweise stieg die Zahl der Dampfschiffverbindungen im Weltpostverkehr zwischen 1881 und 1907 von 82 auf 234 Linien an. Die wichtigsten Dampferverbindungen bestanden vor dem Ersten Weltkrieg zwischen Europa und Nordamerika, so dass sich der Nordatlantik zur wichtigsten Hauptachse des Weltverkehrs entwickelte. Hier wurden neben dem Güterfrachtverkehr auch Schnelldampferlinien für den Personen- und Posttransport eingerichtet wurden, während weltweit überwiegend (langsamere) Schiffe verkehrten, die Güter, Personen und Postgut zugleich transportierten.
Der hohe Kapitalbedarf der expandierenden internationalen Seeschifffahrt erforderte neue Wirtschaftsformen. Aktiengesellschaften wie die Hamburger "Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft" und der Bremer "Norddeutsche Lloyd", die sich bis zum 1. Weltkrieg zu den größten Dampfschiffreedereien der Welt entwickelt hatten, verdrängten die traditionellen kleineren Kaufmannsreedereien.
Der Flottenbestand der führenden Welthandelsmächte wurde permanent ausgebaut; wobei die auf den Hauptrouten des Weltseeverkehrs bewegten Tonnagen immer größer wurden. Alle führenden Welthandels- und Industriemächte betrieben Schiffbau und bauten ihre Flotten über den Betrachtungszeitraum aus. Auch Japan, eine Macht, die sich erst zum Ende des Jahrhunderts industrialisierte, legte sich eine große Flotte zu. Die japanische Flotte war zur Jahrhundertwende so groß wie die niederländische.
Literaturhinweise:
- Paulinyi, Akos: Die Umwälzung der Technik in der industriellen Revolution zwischen 1750 und 1840, in: König, Wolfgang: Propyläen Technikgeschichte, Bd. 3: Paulinyi, Akos / Troitzsch, Ulrich: Mechanisierung und Maschinisierung 1600 bis 1840, Berlin 1997, S. 449f.
- Pohl, Hans: Aufbruch der Weltwirtschaft, Stuttgart 1989.
Linienschifffahrt
Die Zunahme der Leistungsfähigkeit der Dampfschifffahrt und die Entwicklung von Telegraphennetzen ermöglichten neue Organisationsstrukturen der Weltschifffahrt. Es etablierten sich Schifffahrtsgesellschaften, die über die technischen und organisatorischen Möglichkeiten verfügten, Linienschifffahrtsverbindungen mit hoher Frequenz, Zuverlässigkeit und Regelmäßigkeit zu realisieren.
Ab 1870 entwickelte sich die Linienschifffahrt rasant. Bis zum Ersten Weltkrieg entstand ein weltumspannendes Netz, und die überseeischen Dampferverbindungen trugen zusammen mit interkontinentalen Telegraphenverbindungen entscheidend zu Ausbau und Festigung der europäischen Vormachtstellung im Zeitalter des Kolonialimperialismus bei.
Die Linienschifffahrt hatte" nicht zuletzt in Verbindung mit dem Ausbau der Eisenbahnnetze und des weltumspannenden Telegraphensystems " entscheidende Auswirkungen auf den internationalen und transkontinentalen Güterverkehr, den Personenverkehr, vor allen Dingen auch im Kontext der überseeischen Migrationen, sowie auch auf die Beschleunigung der transkontinentalen Briefpost (weitere Karte), insbesondere auf Strecken, wo Schnelldampferlinien eingesetzt wurden.
Die 1840 gegründete Liverpooler Cunard-Linie war die erste regelmäßig verkehrende transatlantische Dampferverbindung. Bereits 1870 verfügte Großbritannien über Linienverbindungen zu allen Kontinenten, wobei in der Folgezeit besonders die Verbindungen zwischen Europa und Nordamerika intensiv ausgebaut wurden.
Im nordatlantischen Europa-Amerika-Verkehr kam es zu Bündnissen und Kartellen, die im ausgehenden 19. Jahrhundert heftige Machtkämpfe austrugen. Im Jahre 1885 schlossen sich die kontinentalen nordeuropäischen Reedereien, die den Nordatlantikverkehr beherrschten, erstmals zu einer Konferenz zusammen. 1892 wurde die Zusammenarbeit zu einem Konferenzpool, dem Nordatlantischen Dampferlinien Verband ausgebaut, dem sich die britische Konkurrenz anschloss. Durch den amerikanischen Bankier John Pierpont Morgan (1837-1913) kam es 1902 zur Bildung des Morgan-Trusts, der mehrere US-amerikanische und europäische Atlantiklinien umfasste und mit den deutschen Reedereien in der International Mercantile Marine Co. Interessensabgrenzungen vornahm. Die US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften standen in Verbindungen zu Atlantikreedereien und nahmen eine für den transatlantischen Güteraustausch entscheidende Zubringerfunktion wahr.
Den Seeweg von Europa nach Indien wurde von der Peninsular and Oriental Steam Navigation Company (P&O) dominiert. Diese fuhr seit den 1830er Jahren zwischen England und dem Mittelmeer, seit den 1840er Jahren und somit bereits vor dem Bau des Suezkanals (1869) im Roten und Arabischen Meer, seit der Jahrhundertmitte auch nach Ost-Südostasien und Australien sowie schließlich im späten 19. Jahrhundert in den nordpazifischen Raum bis Kanada.
Entlang der internationalen Schifffahrtsrouten entstanden an allen strategisch wichtigen Plätzen Depots mit den nötigen Betriebsstoffen, vor allen Dingen Kohle, und Dockanlagen zur Reparatur der Schiffe.
Die großen Welthäfen avancierten zu Knotenpunkten des Weltverkehrs und der internationalen Kommunikation. Denn die interkontinentalen Schifffahrtslinien hatten Anschluss an die kontinentalen Eisenbahnlinien; ferner bildeten Seetelegraphenkabel und Landtelegraphenkabel seit 1902 ein Netz weltumspannenden Schnellnachrichtenverkehrs.
Literaturhinweise:
- Cable, Boyd: A Hundred Year of the P. & O. Peninsular and Oriental Steam Navigation Company 1837-1937, London 1937, S. 154.
- Farnie, Douglas Antony: East and West of Suez. The Suez Canal in History 1854-1956, S. 7-31.
- Pohl, Hans: Aufbruch der Weltwirtschaft. Geschichte Der Weltwirtschaft von der Mitte des 19. jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, Stuttgart 1989, S. 216ff.
- Wiborg, Susanne/ Wiborg, Klaus: Unser Feld ist die Welt. 150 Jahre Hapag-Lloyd, Gütersloh 1997, S. 140ff.
Suezkanal
Der 1869 eröffnete, 161 Kilometer lange Suezkanal, der von der französischen Suezkanal-Gesellschaft in einer zehnjährigen Bauzeit unter Leitung von Ferdinand de Lesseps (1805-1894) errichtet worden war, stellte die bedeutendste künstliche Wasserstraße im Weltwirtschaftsverkehr vor dem Ersten Weltkrieg dar. Die Passage, die in erster Linie dem Güter- und Personenverkehr diente, verband das Mittelmeer mit dem Roten Meer und verkürzte den Seeweg von Europa nach Indien gegenüber der traditionellen Route um das afrikanische Kap der Guten Hoffnung etwa um ein Viertel.
Der Kanal diente in erster Linie dem britisch-indischen Güterverkehr, der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen starken Zuwachs erlebte. Bis zum Ersten Weltkrieg verdreifachte sich das Volumen der Suez-Passage mit jährlichen Wachstumsraten von über 10 Prozent. Im Jahre 1887, um ein Beispiel herauszugreifen, benutzten 3137 Schiffe mit insgesamt 5.903.024 Nettoregistertonnen den Kanal, und die Zahl der Reisenden betrug einschließlich Soldaten 182.998 Personen. Den größten Anteil an der Suezpassage hatte Großbritannien. Das Deutsche Reich stand seit 1890 an zweiter Stelle, nachdem die Deutsche-Ostafrika-Linie ihren Linienschifffahrtsbetrieb aufgenommen hatte.
Die Suezpassage dauerte um die Jahrhundertwende über 40 Stunden und konnte kaum beschleunigt werden. Deshalb wurde der Posttransfer durch Ägypten auf der bereits zehn Jahre vor dem Suezkanal in Betrieb genommenen Eisenbahn zwischen Alexandria und Suez realisiert, die drei Mal täglich in jeweils rund acht Stunden zwischen Alexandria und Suez verkehrte. Für die Postladungen der Dampfschiffe einzelner Schifffahrtsgesellschaften wurden zudem Sonderzüge eingesetzt.
Literaturhinweise:
- Farnie, Douglas Antony: East and West of Suez. The Suez Canal in History, Clarendon 1969.
- Kienitz, Ernesto: Der Suezkanal, Berlin 1957.
- Pohl, Hans: Aufbruch der Weltwirtschaft, Stuttgart 1989.
Panamakanal
Der 67 Kilometer lange Kanal verbindet die Limonbai des Karibischen Meeres mit der Bucht von Panama des Stillen Ozeans. Er verkürzte dem Seeweg von der US-amerikanischen Ost- und Westküste um etwa 60 Prozent der Strecke und den Weg von der US-amerikanischen Ostküste zur südamerikanischen Westküste um 45 Prozent.
In Panama ist die zentralamerikanische Landbrücke am schmalsten. Zwischen 1850 und 1855 konnte eine Eisenbahnverbindung aufgebaut und in Betrieb genommen werden. Mit der Fertigstellung der Transkontinentalbahn in den USA verlor diese Bahnstrecke an Bedeutung.
Der 1879 in Angriff genommene Bau der Wasserstraße durch eine französische Gesellschaft unter der Leitung der Ferdinand de Lesseps, dem Erbauer des Suezkanals, scheiterte. Der Bankrott der Gesellschaft 1889 führte in Frankreich 1892/93 zu einer parlamentarischen Affäre um die Panama-Anleihen. 1903 ließen sich die USA von der Regierung Panamas gegen eine einmalige Entschädigung und eine jährliche Pacht die Rechte zum Bau, Betrieb und zum Schutz des Kanals übertragen. Der 16 Kilometer breite Streifen wurde zum Hoheitsgebiet der USA erklärt. 1904 beschloß der amerikanische Kongreß den Bau des Kanals. Am 15.08.1914 wurde der Kanal eröffnet. Im Ersten Betriebsjahr durchfuhren etwa 1000 Schiffe mit ca. 6 Millionen Tonnen Fracht den Kanal.
Der Panamakanal spielte für den Weltverkehr keine so große Rolle wie der Suezkanal. Bis 1971 wies der Kanal ein steigendes Verkehrsaufkommen auf. Seit dieser Zeit war die Leistungsgrenze der Wasserstraße erreicht. Die fortan gebauten und immer größer werdenden Güterschiffe konnten den Kanal nicht mehr passieren.
Literaturhinweise:
- Pohl, Hans: Aufbruch der Weltwirtschaft, Stuttgart 1989, S. 219.
- Hennig, Richard: Panamakanal, in: Elster, Ludwig (u.a.) (Hrsg.): Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 6, 4. Aufl., Jena 1925, S. 800-804.
- http://www.pancanal.com/eng/index.html
Sapoy-Aufstand 1857/58
Beim so genannten Sapoy-Aufstand (auch: Sepoy-Aufstand) handelte es sich um eine Meuterei indischer Truppenteile (Sapoys oder Sepoys) im Jahre 1857, die eine tiefe Zäsur in der britischen Kolonialgeschichte markiert, zu tief greifenden Reformen der Kolonialverfassung führte und in der britischen Gesellschaft eine tief sitzende Furcht vor Kolonialaufständen auslöste.
Im Zusammenhang u.a. mit der britischen Annexion von indischen Fürstenstaaten sowie von Oudh (auch Ayudhya oder Avadhi; Hauptstadt: Lucknow) kam es zum Aufstand der indischen Truppenteile der britisch-indischen Kolonialarmee, in der die Sapoys den britischen Soldaten zahlenmäßig weit überlegen waren (ca. 200.000 Sepoys gegenüber ca. 16.000 Briten). Mit Hilfe neu eingeführter Truppen konnte das Mutterland 1858 diesen Aufstand schließlich niederschlagen, der neben zahlreichen Opfern von Menschenleben auch zu massiven Zerstörungen von Infrastruktur geführt hatte, so z.B. der Hauptrouten der bestehenden Binnentelegraphie sowie von Teilstücken der erst im Aufbau befindlichen indischen Eisenbahn.
Zu den Truppen, die zur Niederschlagung des Aufstandes abkommandiert waren, gehörte auch ein in Kanada stationiertes Regiment. Die Verlegung war jedoch überflüssig geworden, da die Unruhen bereits unter Kontrolle waren. Das nur für kurze Zeit funktionstüchtige Transatlantikkabel des Jahres 1858 machte es möglich, die Truppenverlegung von Kanada nach Indien noch rechtzeitig zu verhindern und dem Empire Kosten in Höhe von rund 60.000 Pfund Sterling zu ersparen.
In der Folge des Aufstands kam es zu tief greifenden Reformen von Kolonialverfassung, Militär und Verwaltung: Die East India Company wurde aufgelöst und ihre Rechte gingen an die britische Krone. Indien wurde Vizekönigtum bzw. Kronkolonie. In London wurde ein Indienminister eingesetzt, der dem Unterhaus unterstand. Auch wurde die Modernisierung der Kolonie, besonders auch mit einem forcierten Ausbau der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen (auch Kanalsysteme), vorangetrieben.
Literaturhinweise:
- Innes, Arthur D.: A Short History of the British in India, New Delhi 21985, S. 209f.
- Majumdar, Ramesh Chandra/ Raychaudhuri H[ ] C[ ] / Datta, Kilkinkar: An Advanced History of India, London 41983. 765f.
- Fieldhouse, David K.: Die Kolonialreiche seit dem 18. Jahrhundert, Augsburg 1998, S. 235f.