Das Weltkabelnetz im Jahr 1880

Mit der erfolgreichen Verlegung von Interkontinentalkabeln trat die Geschichte der Telekommunikation in eine neue Phase. Die Verlegung von Überseekabeln war seit Mitte der 1860er Jahre prinzipiell möglich. Die Transferzeiten (weitere Karte) von Nachrichten reduzierten sich gegenüber den konventionellen Übertragungsgeschwindigkeiten auf minimale Zeiteinheiten von Stunden und Minuten.
 

Die ersten Erfolge bei der Verlegung von Seekabeln hatte man bereits seit Beginn der 1850er Jahre erzielt und zwar zunächst auf kurzen Entfernungen, wie z.B. dem Ärmelkanal (1851), an Küsten entlang oder zwischen Inseln. Seit dieser Zeit engagierte man sich auch in Vorhaben zur Überbrückung interkontinentaler Distanzen. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts schlossen interkontinentale Kabelverbindungen die wichtigsten Plätze der Welt immer mehr in einem Netz zusammen, das im Jahre 1902 erstmals den Globus vollständig umspannte.


Die führende Rolle beim Aufbau des Telegraphenweltnetzes spielten britische Telegraphengesellschaften, und London entwickelte sich zum Zentrum des Weltnachrichtenverkehrs. Auf den Haupttransferrouten des Weltverkehrs ermöglichten Mehrfachkapazitäten eine zunehmend effizientere Bewältigung des Massenbedarfs vor allem der international agierenden Wirtschaft.
 

Kabelprojekte im Mittelmeer, die auf eine kommunikationstechnische Anbindung Indiens gerichtet waren, und die Herstellung eines nordatlantischen Telegraphenkabels gelangen erst später. Seit der zweiten Hälfte der 1860er Jahre konnten nach zahlreichen Rückschlägen und der Überwindung technischer Probleme erste große Durchbrüche erzielt werden.
 

Man baute nicht nur die Hauptrouten des Weltverkehrs mit Mehrfachkapazitäten aus, sondern band auch neue Räume in das Netz eingebunden (vgl. das Weltkabelnetz im Jahre 1870, 1880, 1890, 1902 und 1914), wobei sich die durchweg von Privatgesellschaften realisierten Kabelprojekte im Wesentlichen an der weltwirtschaftlichen Relevanz der angebundenen Räume orientierten.

Dementsprechend folgte der Kabelverlegung im Nordatlantik und nach Indien die Anbindung Chinas, Japans, Australiens und Südamerikas. Afrika wurde erst in den 1880er Jahren vernetzt. Zuletzt wurde der Pazifik am Beginn des 20. Jahrhunderts mit zwei Kabelverbindungen durchquert, wodurch eine direkte Verbindung zwischen Nordamerika mit Südostasien und Australien hergestellt wurde.
 

Das Welttelegraphennetz, das vor dem Ersten Weltkrieg entstanden ist, war kein Internet (vgl. Server-Klient-Beziehung in dezentralem Netzwerk). Somit besteht auch keine direkte Kontinuität zwischen jenem Welttelegraphennetz und den Kommunikationsnetzwerken der Gegenwart; allenfalls kann man partielle Parallelen im Rahmen einer übergreifenden Kontinuität der Telekommunikationsgeschichte der letzten 200 Jahre benennen, wobei man jedoch den fundamentalen medientechnischen Fortschritt im 20. Jahrhundert wie auch die komplexe Wechselwirkung zwischen Medientechnik und Gesellschaft berücksichtigen muss.

Das Weltkabelnetz im Jahr 1880

Bis auf das Jahr 1880 hatte der Weltkabelnetzausbau große Fortschritte gemacht. Die Kapazitäten an Kabeln waren auf den wichtigsten Routen des Weltverkehrs ausgebaut worden. Neue Räume wurden erstmals in das Kabelnetz eingebunden. Die technischen Probleme der zurückliegenden Zeit waren bewältigt worden. Seekabelverlegung auf interkontinentalen Routen war Routine. Interkontinentale Telegraphie war zum wichtigen Medium der Weltwirtschaft geworden. Der Aufbau eines Weltnetzes schritt voran, denn der Bedarf nach Erweiterung und Ausbau des Netzes wuchs permanent.
 

Eine wichtige technische Innovation war das Duplex-Verfahren. Mit diesem Verfahren war es möglich, auf einem Kabel zeitgleich in beide Richtungen Telegramme zu übertragen. Das Verfahren kam seit den 1870er Jahren auf den Interkontinentalkabeln zum Einsatz. Hierdurch verdoppelte sich die Leistungsfähigkeit der Anlagen.
Bis 1880 standen im Nordatlantik 5 Kabelverbindungen zur Verfügung, zwei britische und ein französisches. Der Bedarf nach weiteren Kapazitäten war groß. Telekommunikation war zu einem selbstverständlichen Hilfsmittel der interkontinental operierenden Wirtschaft geworden.
 

Auch auf der Route nach Indien waren Kapazitäten ausgebaut worden. Der Betrieb wurde hauptsächlich über die Seekabel und das "Siemenskabel" realisiert. Die "Türkenlinie" verlor an Bedeutung. Der Telegrammverkehr richtete sich nicht nur auf Britisch-Indien. Auch über Indien hinaus waren Verbindungen über Südostasien bis nach Australien und Neuseeland in Betrieb gestellt worden. Der Telekommunikationsbedarf dieser Räume wuchs ebenfalls.

Von Aden aus war eine Verbindung entlang der afrikanischen Ostküste bis Durban durch eine Tochtergesellschaft der britischen Eastern Telegraph Company realisiert und in Betrieb genommen worden. Sie diente der Kommunikation zwischen England und Britisch Ostafrika sowie Südafrika.
 

In Ostasien war das transkontinentale Kabel der Großen Nordischen mit Seekabeln über Japan, Shanghai, Honkong bis Manila in Verbindung. Die Kabel waren am Beginn der 1870er Jahre verlegt worden.
 

Südamerika war 1874 durch ein Kabel von St. Vincent nach Pernambuco an Europa angebunden worden. Dort war es seit Beginn der 1870er Jahr zur Verlegung von Kabeln entlang der südamerikanischen Ost- und Westküste gekommen. Diese wurden ebenfalls durch Tochtergesellschaften der britischen Eastern Telegraph Company betrieben.
 

Ein Muster der voranschreitenden Weltvernetzung hatte sich seit den 1870er Jahren etabliert: Ein Verfahren um die Konzessionierung zur Anlandung von Kabeln an den Küsten der jeweiligen Staaten hatte sich herausgebildet und wurde von den Telegraphengesellschaften praktiziert. Die Initiative privater Telegraphengesellschaften, die sich bis 1870 bewährt hatte, sollte sich dauerhaft etablieren und zur Routine werden. Das Weltkabelnetz wurde von privaten Gesellschaften realisiert und betrieben. Die britischen Gesellschaften dominierten den Ausbau des Weltnetzes.


Literaturhinweise:

  • Barthy-King, Hugh: Girdle Round the Earth. The Story of Cable and Wireless and its predecessors to mark the group's jubilee 1929-1979, London 1979.
  • Neutsch, Cornelius: Erste "Nervenstränge des Erdballs": Interkontinentale Seekabelverbindungen vor dem Ersten Weltkrieg, in: Teuteberg, Hans-Jürgen/ Neutsch, Cornelius (Hrsg.) Vom Flügeltelegraphen zum Internet. Geschichte der modernen Telekommunikation, Stuttgart 1998, 47-66.
  • Röper, August: Unterseekabel, Leipzig 1910.
  • Roscher, Max: Die Kabel des Weltverkehrs hauptsächlich in volkswirtschaftlicher Hinsicht, Berlin 1911.
  • Wobring, Michael: Die Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert. Pläne, Projekte und Kapazitätsausbauten zwischen Wirtschaft und Politik. Frankfurt/M 2005.

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