US-amerikanische Seekabel bis zum Ersten Weltkrieg
Die interkontinentalen Seekabel waren bis auf wenige Ausnahmen in den Hängen privater Telegraphenbetriebsgesellschaften. Ordnet man die Seekabel dieser Unternehmen den jeweiligen Nationen zu, in denen diese ihren Sitz hatten, dann läßt sich die kommunikationstechnische Einbindung der führenden Welthandels- und Industriemächte in vier Karten darstellen.
Diese Aufteilung darf jedoch nicht den Eindruck erwecken, daß die Zeitgenossen nur auf den Kabeln der Telegraphenbetriebsgesellschaften der jeweils eigenen Nation Telegramme versenden konnten. Der Telegrammbetrieb wurde auf den Kabeln der Gesellschaften anderer Nationen sowie der innerstaatlichen Binnennetze weitergeleitet. Für die Nutzer machte sich das durch höhere Gebühren und längere Telegrammlaufzeiten (GB-Indien, GB-New York) bemerkbar. Diese Aufteilung des Weltnetzes ist also in erster Linie ein Blick der Forschung.
Nach der Jahrhundertwende kam es jedoch aufgrund eines Vorfalls, der "Telegraphenzensur von Aden", zu einer starken Politisierung der Kabelfrage unter den Kabelmächten, vor allen Dingen in Frankreich und Deutschland. Die Abhängigkeit der Kabelmächte von England, das allein über ein unabhängiges Weltnetz mit allen Interessengebieten in direkter Verbindung stand, trat voll ins Bewußtsein und beeinflußte die Kabelpolitik bis zum Ersten Weltkrieg.
US-amerikanische Seekabel bis zum Ersten Weltkrieg
Den USA war es gut gelungen, sich entsprechend ihrer Überseeaktivitäten unabhängig zu vernetzen. Der amerikanische Telegrammverkehr war kaum von den Telegraphenbetriebsgesellschaften anderer Nationen abhängig. Der wichtigste Aktionsraum der USA war der Nordatlantik. Hier wurde der amerikanische Handel mit den führenden Industriemächten Großbritannien, Deutschland und Frankreich realisiert.
Weitere Kabelaktivitäten amerikanischer Telegraphenbetriebsgesellschaften konzentrierten sich auf den mittel- und südamerikanischen Raum. Am Beginn des 20. Jahrhunderts realisierten die USA ein transpazifisches Kabel. Vor dem Ersten Weltkrieg verfügten die USA über ca. 20 Prozent des Weltseekabelbestands.
Im Nordatlantik setzte die Kabelaktivität der amerikanischen Gesellschaften erst am Beginn der 1880er Jahre ein. Ziel der Kabelaktivität war die Unabhängigkeit des amerikanischen Telegrammverkehrs von den Kabeln britischer Gesellschaften. Kapazitäten wurden bis ins frühe 20. Jahrhundert ausgebaut.
Die zwei US-amerikansichen Telegraphengesellschaften, Western Union und Commercial Cable Company, verfügten über insgesamt über 7 Atlantikkabel. Ein weiteres Kabel der britischen Direct United States wurde 1912 von einer amerikanischen Gesellschaft gemietet. Damit nahmen die amerikanischen Gesellschaften die führende Rolle im atlantischen Nachrichtenverkehr neben den britischen Gesellschaften ein.
Den amerikanischen Unternehmen kam eine zentrale Bedeutung zu, weil sie zugleich die größten Betreiber der US-amerikanischen Binnennetze waren. In den USA befanden sich die Binnennetze traditionell in privater Hand. (Die Binnennetze der USA sind nicht in der Karte dargestellt). Die Atlantikgesellschaften anderer Nationen waren auf vertragliche Vereinbarungen mit den amerikanischen Binnengesellschaften angewiesen, um sich einen Zugang zu den amerikanischen Nachrichtenmärkten zu sichern.
1896 wurde ein Kabel von New York nach Haiti verlegt (United States Telegraphe and Cable Company). Im Innern des Golfes von Mexiko hat die Mexican Telegraph Company Verbindungen zwischen Galvestone in den USA nach Coatzacoalcos hergestellt. Die Central and South American Telegraph Company betrieb ein Netz an der Westküste, das sich von Salina Cruz in Mexiko bis nach Valparaiso erstreckte.
Der Anlaß für die Verlegung eines Pazifikkabels war der Eintritt der USA in die Pazifikpolitik, als Folge des Spanisch-US-amerikansichen Krieges. Eine Tochtergesellschaft der Commercial Cable Company realisierte 1906 ein US-amerikanisches Pazifikkabel. Das Kabel erstreckte sich von San Francisco über Hawai nach Guam. Von Guam aus wurde es nach Manila und Shanghai sowie zu den Bonin Inseln ausgedehnt.
Literaturhinweise:
- A Half Century of Cable Service to the Three Americas, New York 1928.
- Neutsch, Cornelius: Erste "Nervenstränge des Erdballs": Interkontinentale Seekabelverbindungen vor dem Ersten Weltkrieg, in: Teuteberg, Hans-Jürgen/ Neutsch, Cornelius (Hrsg.) Vom Flügeltelegraphen zum Internet. Geschichte der modernen Telekommunikation, Stuttgart 1998, 47-66.
- Wobring, Michael: Die Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert. Pläne, Projekte und Kapazitätsausbauten zwischen Wirtschaft und Politik. Frankfurt/M 2005.
- Barthy-King, Hugh: Girdle Round the Earth. The Story of Cable and Wireless and its predecessors to mark the group's jubilee 1929-1979, London 1979.
- Röper, August: Unterseekabel, Leipzig 1910.
- Roscher, Max: Die Kabel des Weltverkehrs hauptsächlich in volkswirtschaftlicher Hinsicht, Berlin 1911.