OUN-/UPA-Museum

Beitrag und Foto von Vincent Hoyer

 

Das Museum als historischer Ort

Das Gebäude, in dem sich heute das Museum befindet, wurde während der Habsburger Zeit 1889-1890 als Polizeigefängnis errichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg fungierte der Bau in der Lonsky-Straße der polnischen Administration weiter als Gefängnis und wurde zwischen 1918 und 1920 umgebaut. Die polnischen Autoritäten inhaftierten dort vornehmlich politische Häftlinge, sowohl ukrainische Nationalisten als auch Anhänger der kommunistischen Partei. Einhergehend mit der sowjetischen Besetzung der polnischen Stadt Lwów 1939 nutzte bis 1941 der NKWD (Sowjetisches Innenministerium) das Gefängnis. Während dieser Zeit wurden Häftlinge massiv misshandelt.

 

Als am 22. Juni 1941 das Deutsche Reich seinen Angriff auf die Sowjetunion begann, sah sich der NKWD nicht im Stande, die Gefangenen rechtzeitig zu evakuieren. Um den heranrückenden deutschen Truppen keine Informationen zu hinterlassen, ermordete die Gefängnisleitung die knapp 1.700 Gefangenen. Am 30. Juni 1941 erreichten deutsche Soldaten Lviv. Sie instrumentalisierten die NKWD-Opfer, indem sie Menschen um das Gefängnis versammelten und jüdische Frauen und Männer die Leichen ausgraben, waschen und aufreihen ließen. Fotoaufnahmen der Toten wurden zu Propagandazwecken an die Presse weitergegeben. Angestachelt von den deutschen Einheiten projizierte die zuschauende Menge ihren Zorn auf die anwesenden Juden und attackierte diese. In den darauffolgenden Tagen wurden in Lviv ca. 4.000 Juden ermordet. Während der sog. Petliura-Tage am 25. und 26. Juni 1941 brachten OUN(Organisation Ukrainischer Nationalisten)-Milizen zahlreiche jüdische Häftlinge in das Gefängnis, wo diese misshandelt und schließlich außerhalb der Stadt erschossen wurden. Anschließend nutzte die Gestapo das Gefängnis.

 

Nachdem die Sowjetunion Lviv 1944 zurückerobert hatte, inhaftierte der NKWD dort bis 1953 OUN- und UPA(Ukrainische Aufständische Armee)-Anhänger. Von den 1960ern bis in die 1980er Jahre saßen in dem Gefängnis bekannte ukrainische Dissidenten ein.

 

 

Das ehemalige Gefängnis als Museum

Das „Lonsky Prison National Memorial Museum” eröffnete 2009. Die Idee, das ehemalige Gefängnis als Museum zu nutzen, ging 2005 nach der Orangenen Revolution aus der Geschichtspolitik Viktor Juschtschenkos hervor. 2006 fand zum Gedenken an die NKWD-Morde auf dem Gelände des Gefängnisses eine Fotoausstellung statt, 2008 waren die Zellen erstmals öffentlich zugänglich. Während im Eröffnungsjahr 2009 ungefähr 8.800 Personen das Museum besuchten, besichtigten 2012 bereits knapp 16.300 Menschen die Innenräume des ehemaligen Gefängnisses.

 

Die Geschichtspolitik Juschtschenkos verfolgte unter anderem das Ziel, OUN- und UPA-Mitglieder im Rahmen eines stringenten nationalen Narrativs zu Nationalhelden zu stilisieren. Gleichzeitig sollte der Anspruch auf eine hervorgehobene Opferrolle der Ukraine untermauert werden. Dementsprechend liegt auch der Fokus der Wissensvermittlung weitgehend auf der Heroisierung von OUN- und UPA-Aktivisten, deren Poster die Wände des Museums zieren. Die NKWD-Morde werden hauptsächlich durch Fotos und historische Zeitungsartikel veranschaulicht. Hierbei zeigt sich als problematisch, dass in den Artikeln antisemitischer Jargon (bspw. „jüdisch-bolschewistisch“) unkommentiert wiedergegeben wird. Zudem finden sich weitere Zeitungsartikel zum Zeitgeschehen, die antijüdische Propaganda enthalten. Informationstafeln einer Sonderausstellung schieben laut John-Paul Himka die Schuld am Juli-Pogrom in Lviv den Kriminellen der Stadt zu. Generell erwähnt die Ausstellung wenig zur deutschen Besatzungszeit, abgesehen von der Inhaftierung einiger OUN-Mitglieder und der angeblich mangelnden Kooperationsbereitschaft der OUN mit den Besatzern. Der systematische Mord an der jüdischen Bevölkerung findet keine Erwähnung. Des Weiteren erinnert das Museum an die in den 1950er Jahren inhaftierten OUN-Aktivisten sowie an die Dissidenten der 1960er bis 1980er Jahre.

 

© Universität Augsburg

Das Museum steht seit seiner Eröffnung im Zentrum zahlreicher geschichtspolitischer Debatten, die von Politikern, Journalisten und Historikern geführt werden. Insbesondere die größte ukrainische Diasporagemeinde in Kanada und ihr Einfluss auf die Geschichtsdarstellung in der Ukraine spielen dabei eine große Rolle. Kritiker hingegen sehen den Ansatz des Museums als zu einseitig, wenn nicht verleugnend.

 

 

  1. Öffnungszeiten: Montag 10-19 Uhr, Sonntag 10-17 Uhr;
  2. Pause jeweils 13-14 Uhr
  3. Eintritt: Eintritt frei, Spenden erbeten
  4. Adresse: Ul. Stepana Bandery 1, L'viv
  5. Telefon: +380 32 247 42 20
  6. Webseite: lonckoho.lviv.ua 
  7. https://www.facebook.com/lonckoho 

 

Literatur

  • Facebookseite des Museums: https://www.facebook.com/lonckoho (12.07.2017).    
  • Himka, John-Paul: The Lontsky Street Prison Memorial Museum. An Example of Post-Communist Holocaust Negationism, in: Klas-Göran Karlsson/Johann Stenfeldt/Ulf Zander (Hrsg.): Perspectives of the Entangled History of Communism and Nazism. A Comnaz Analysis, New York et al. 2015, S. 137-166. 
  • Homepage des Museums: lonckoho.lviv.ua (12.07.2017).         
  • Rossolinski-Liebe, Grzegorz: Erinnerungslücke Holocaust. Die ukrainische Diaspora und der Genozid an Juden, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jg. 62, Nr. 3, 2014, S. 397–430.  
  • Tripadvisor: https://www.tripadvisor.com/Travel-g295377-c182807/Lviv:
  • Ukraine:Memorial.Museum.Prison.In.Lontsky.Street.html (12.07.2017).

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