Übersetzungsleistung frühmoderner Friedensschlüsse
Projektleiter: Prof. Dr. Johannes Burkhardt / Prof. Dr. Wolfgang E.J. Weber
Zum 100jährigen Jubiläum des Passauer Friedensvertrags werden unter dem Reichsadler König Ferdinand I. (der 1552 den Vertrag unterzeichnete) und der 1652 regierende Kaiser Ferdinand III. als Friedensfreunde dargestellt. Auf der linken Seite sieht man die evangelische Schuljugend. Die Reiter rechts versinnbildlichen die überwundenen Kriegsschrecken Pest, Hunger und Tod.
Warum war die Frühe Neuzeit so friedlos?
Der Europäische Kontinent war zwischen dem Fall Konstantinopels 1453 und der französischen Revolution 1789 kontinuierlich von Kriegen geplagt. So zum Beispiel die Burgunderkriege 1474 bis 1477, die Hugenottenkriege 1562 bis 1598, der Dreißigjährige Krieg 1618 bis 1648 und der spanische Erbfolgekrieg 1701 bis 1714.
Dabei war der Wunsch nach Frieden in der Frühen Neuzeit groß und führte zu einer regen diplomatischen Kultur, deren Ergebnis über 2000 Friedenskongresse und -verträge waren.
Lag hier ein Defizit der frühneuzeitlichen Staatenwelt? Entfalteten die Verträge keine Wirksamkeit, weil bei der Vertragsverhandlung sprachliche und kulturelle Grenzen nicht überwunden werden konnten und führte dies zu Missverständnissen? Schlug die öffentliche Vermittlung der Friedensbotschaften fehl?
In dem groß angelegten Forschungsprojekt untersucht das Augsburger Institut für Europäische Kulturgeschichte zwei Ansätze.
Friedensideen und Friedenspraxis in der medialen Umsetzung
Frühneuzeitliche Friedensschlüsse waren Medienereignisse. Sie standen im Fokus der höfischen, gelehrten und bürgerlichen Öffentlichkeit. In Flugblättern und Flugschriften, in Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenkorrespondenzen wurde von Friedensverhandlungen und Friedensschlüssen in Wort und Bild berichtet. In Staatsschriften, Geschichtswerken und Reichspublizistik wurden sie thematisiert und diskutiert. Die Vertragstexte wurden europaweit kopiert, vervielfältigt, übersetzt, gedruckt, verschickt und archiviert. Mit Elan wurden sie, mal wohlwollend, mal ablehnend, in der frühneuzeitlichen Medienlandschaft kommentiert, interpretiert, kritisiert und verformt, das Friedensereignis in Gedichten, Dramen, Bildern und Liedern künstlerisch verarbeitet. Die Leistungen und Wirkungen dieser medialen Umsetzungen wurden in der Geschichtswissenschaft bisher kaum erforscht. Waren sie effektive Multiplikatoren von Friedensideen und Friedenspraxis, auch über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg? Wirkten sie gar friedensfördernd und friedenssichernd? Oder war ihr irenischer Effekt im bellizitären frühneuzeitlichen Europa eher begrenzt?
Friedensvertrags- und Vermittlungssprache in frühneuzeitlichen Friedensverträgen
Im Achtzigjährigen Krieg errangen die Niederlande 1648 ihre Unabhängigkeit von der spanischen Krone. Von diesem Zeitpunkt an wurde dieser Souveränität durch die bewusste Wahl des Niederländischen als Vertragssprache künftiger Friedensabkommen zwischen den Generalstaaten und Spanien symbolisch Ausdruck verliehen. In anderen Fällen griffen die Kriegsgegner bei der Abfassung des Friedensvertrages aus pragmatischen Gründen auf eine bestimmte Sprache zurück. So etwa bei den Friedensschlüssen zur Beendigung des Nordischen Krieges, in deren Rahmen sich Schweden und Russland 1721 im finnischen Nystad mit einem Vertragstext in deutscher Sprache einigten. Diese ungewöhnlich anmutende Wahl hatte mehrere Gründe. Neben der Tatsache, dass Deutsch im nördlichen Europa als Zweit- und Verkehrssprache weit verbreitet war und die Rechtsverhältnisse in der Konfliktregion eine Rolle gespielt haben dürften, ist der Hauptgrund in der Herkunft der am Krieg beteiligten Monarchen zu suchen: Sie stammten mehrheitlich aus deutschen Dynastien und unter ihren Beratern wie Bevollmächtigten gab es viele Deutsche.
Welche Interpretationsspielräume übersetzte Versionen von Friedensverträgen bieten konnten, zeigt exemplarisch der 1606 mit dem Osmanischen Reich geschlossene Friede von Zsitva-Torok. „Ein für allemal“ (semel et semper) sollte der lateinischen Vertragsversion zufolge eine symbolische Tributzahlung der Kaiserlichen erledigt sein. In der osmanischen Variante hingegen fehlt diese Formel. Die Sprache spielt für die Annäherung der Konfliktparteien und den diplomatischen Austausch, der im Idealfall in einem Friedensschluss gipfelt, mithin eine zentrale Rolle. Die Gründe der Sprachwahl werden im Rahmen des Projekts systematisch untersucht und geklärt. Darauf aufbauend werden in weiteren Schritten kulturelle Übersetzungsleistungen im Sinne der Cultural Translation ergründet.
„Kulturelles Übersetzen“:
„Übersetzen“ – das bedeutet zum einen, im ursprünglichen Sinne, einen Text von einer Sprache in eine andere zu übertragen. Zum anderen wird der Begriff – man spricht in diesem Kontext von „cultural translation“ oder „kulturellem Übersetzen“ – in den Geschichts- und Kulturwissenschaften neuerdings als Metapher zur Beschreibung von Vermittlungs-, Austausch- und Kommunikationsprozessen zwischen unterschiedlichen Kulturen verwendet. In diesem Kontext meint „kulturelles Übersetzen“ die Übertragung von Vorstellungen, Werten, Denkmustern, Verhaltensmustern und Praktiken eines kulturellen Kontexts in einen anderen.