Dr. Matthias Adrian

Projektskizze

             

Abstract Jesustradition in Korinth: Das Habilitationsprojekt, das sich in der Endphase befindet, befasst sich mit der sog. »Gegnerfrage« in den kanonischen Korintherbriefen (1 & 2 Kor). Seit mehr als 200 Jahren wird in der Forschung diskutiert, wie viele und welche Gruppierungen sich hinter den in 1 Kor 1,12 genannten Namen „des Paulus, des Apollos, des Kephas“ und „Christi“ verbergen. Das methodische Grundproblem: Mangels von der Gegenseite verfasster Quellen ist man bei der Bestimmung des Konflikts einzig auf die paulinische Sicht beschränkt, aus der per mirror reading Informationen über mutmaßliche Gegner:innen extrahiert werden sollen. Dadurch ergeben je nach Einschätzung der kommunikativen Interessen des Briefautors sehr diverse Ergebnisse, die in eine forschungsgeschichtliche Sackgasse geführt haben. Dem versucht das betreffende Forschungsprojekt beizukommen, indem der paulinischen Darstellung heuristisch Jesustradition auf der Verarbeitungsstufe der sog. Logienquelle, kurz Q, gegenübergestellt wird. Dieses Vorgehen legt sich aus mehreren Gründen nahe, da zum einen Protagonisten dieser Tradition wie Kephas = Petrus in der Korintherkorrespondenz mehrmals, u.a. im obigen Zitat als Kopf einer Gruppierung genannt wird. Zum anderen gibt es bei Paulus nur in 1 Kor drei Verweise auf Worte Jesu bzw., wie Paulus ihn nennt, des Herrn. Darüber hinaus werden wiederum je nach Geneigtheit des oder der jew. Interpret:in mehr oder weniger häufige Anspielungen auf die Spruchweisheit Jesu diskutiert. Schließlich zeigt sich Paulus in 1 Kor 1-3 in seiner Verkündigung durch „Redeweisheit“ (σοφίᾳ λόγου: 1 Kor 1,17) herausgefordert, die gemeinhin als philosophische oder rhetorische Konkurrenz verstanden wird. Naheliegender ist m.E., hier an die Weisheitsüberlieferung Jesu zu denken, wie sie in der genannten Logienquelle in Form von gesammelten Aussprüchen vorliegt. Die Arbeit füllt damit eine Lücke in der jahrhundertealten Forschungslandschaft: Zwar wurde das Thema Jesustradition im Zusammenhang mit der Gegnerfrage gelegentlich gestreift, eine monographische Gegenüberstellung von Jesus-Sprüchen der sog. traditio duplex (bei Mt und Lk gegen Mk überlieferte Stoffe, vulgo Q) mit den für die Konkurrenz- oder Gegnerfrage relevanten Aussagen des Paulus in 1 und 2 Kor steht jedoch – erstaunlicherweise – bislang aus. Die Untersuchung geht methodisch in einem Dreischritt vor, der auf einen Vorschlag von Stefan Schreiber zurückgeht: In einem ersten Schritt wird die Darstellung des Paulus als dessen interessengeleitete Narration untersucht, was – nicht ganz säuberlich zu trennen – in einem zweiten Schritt mit der Analyse von Rollenidealen einhergeht. Hier liegt der Fokus auf der Art, wie unterschiedliche Personengruppen als Ideal, exemplum oder eben als Gegner dargestellt werden. Erst dann, in Schritt drei, werden auf dieser Basis die historischen Bedingungen erörtert, also eine Rekonstruktion versucht, zwischen wem und wie sich der Konflikt abgespielt haben könnte. Auf allen drei Untersuchungsebenen wird der paulinischen Darstellung die Spruchtradition der traditio duplex gegenübergestellt, wodurch ein willkürliches mirror reading verhindert wird.

 

 

Akademischer Lebenslauf

Seit Okt. 2021

Akadem. Rat a.Z. am Lst. für Neutestamentliche Wissenschaft

 

Seit Juli 2021

Habilitand bei Prof. Dr. Stefan Schreiber, Augsburg.

Arbeitstitel des Habilitationsprojekts: Jesustradition in Korinth.

 

Seit April 2014 — September 2021

Wiss. Mitarbeiter (Neues Testament) am Seminar für Katholische Theologie der Freien Universität Berlin bei Prof. Dr. Rainer Kampling.

 

2017

Promotion an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit Dissertation in neutestamentlicher Exegese bei Prof. Dr. Martin Ebner Titel: Mutuum date nihil desperantes (Lk 6,35). Reziprozität bei Lukas

 

 

Forschungsschwerpunkte und Interessensgebiete

  • Sozialgeschichtliche Exegese
  • Antikes Reziprozitätsethos/Formen sozialen Austausches
  • Jesustradition bei Paulus
  • Korintherbriefe
 

Publikationen

Monografie:

 

Mutuum date nihil desperantes (Lk 6,35). Reziprozität bei Lukas (NTOA 119), Göttingen 2019. Herausgeberschaft: Mit Rainer Kampling (Hg.), Freiheit in Grenzen? Forschung und Konflikte neutestamentlicher Exegeten der ‚Katholischen Tübinger Schule‘ im 19. Jahrhundert (Contubernium 89), Stuttgart 2021.

 

Aufsätze & Beiträge:

 

Female God-Fearers in the Pastoral Epistles, in: JNDF, im Begutachtungsprozess. »... ein Herz und eine Seele«? Die Harmonie der Urkirche als Ende der Konflikte, in: M. Thurau (Hg.), Konfliktkulturen in Geschichte und Gegenwart. Erkundungen eines komplexen Phänomens. Im Auftrag des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Göttingen 2023, 165-196, im Druck.

 

Auf der Schwelle: die Entstehung frühchristlicher Gemeinden zwischen Straße und Haus, in: I. Schmidt-Voges/S. Ruby (Hg.), Haus – Geschlecht – Sicherheit. Diskursive Formierungen in der Frühen Neuzeit, Baden-Baden 2023, 69-95. Brüder, in Zungen reden…! Prophetie in der ‚Katholischen Tübinger Schule‘, in: Adrian/Kampling, Freiheit in Grenzen, 65-94. Schrift – Orakel – Prophetie, in: D. Lanzinger (Hg.), Philon von Alexandrien: Das Leben des Weisen/De Abrahamo (SAPERE 36), Tübingen 2020, 253-273.

 

Friede dem Wohltäter, Kampf der Kritik? Was Paulus von den Römern will, in: A. Middelbeck-Varwick u.a (Hg.), Bibel — Israel — Kirche. Studien zur jüdisch-christlichen Begegnung (FS R. Kampling), Münster 2019, 101-121. Gewalt und Gewaltlosigkeit im Neuen Testament am Beispiel der Feldrede im Lukasevangelium, in: M. Thurau (Hg.), Gewalt und Gewaltfreiheit in Judentum, Christentum und Islam. Annäherungen an ein ambivalentes Phänomen, Göttingen 2018, 55-78.

 

Der Blick durch die enge Tür: Lk 13.22–30 im architekturgeschichtlichen Kontext der städtischen domus, in: NTS 58,4 (2012) 481-502. Lexikonartikel Art. Gottesfürchtige (NT), in: WiBiLex. Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/46742/, 2022. Art. „Leben-Jesu-Forschung“, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, hg. v. F. Jaeger, https://referenceworks.brillonline.com/browse/enzyklopaedie-der-neuzeit, 2020.

 

Art. Gesetzesfrömmigkeit, in: Handbuch des Antisemitismus: Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 8: Nachträge und Register, hg. v. W. Benz, Berlin/Boston 2015, 211-213. Art. Misanthropie, in: Handbuch des Antisemismus 8, 250-252.

 

Rezensionen

 

Rez. D. Gustafsson, Aspects of Coherency in Luke‘s Composite Christology (WUNT II 567), Tübingen 2022, in: ThRv 120 (2024).

 

Rez. M. Becker, Lukas und Dion von Prusa: das lukanische Doppelwerk im Kontext paganer Bildungsdiskurse, Paderborn 2020, in: bbs 4 (2023).

 

Rez. G. A. Lehmann (Hg.), Armut — Arbeit — Menschenwürde. Die Euböische Rede des Dion von Prusa (SAPERE 19), Tübingen 2012, in: BZ 58,1 (2014) 156-158.

 

 

Preise und Stipendien

  • Promotionsstipendium des Cusanuswerks Bischöfliche Studienförderung 2010-2013.

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