Risikoangepasste Früherkennung von Magen- und Speiseröhrenkrebs und deren Vorstufen (RISC-GAP)
(Risk score-based screening of gastro-esophageal cancer and precursor lesions)
Krebserkrankungen der Speiseröhre und des Magens gehören zu den 10 häufigsten Krebstodesursachen in Deutschland und weltweit. Bisher besteht in Deutschland und in Europa keine etablierte Früherkennungsmethode für diese Krebserkrankungen. Infolgedessen werden sie oft zu spät erkannt, d. h. in einem Stadium, in dem die Heilungschancen gering sind – nur etwa 10 % der Fälle werden in einem Frühstadium diagnostiziert. Dabei gibt es heutzutage gute Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, um diese Tumore und deren Vorläuferschädigungen frühzeitig zu erkennen und erfolgreich zu behandeln. Das Problem besteht darin, dass eine Magenspiegelung für die gesamte Bevölkerung (mit höherem Alter) nicht effizient ist, da die Krankheiten hierfür zu selten sind. Die Lösung könnte ein risiko-angepasstes Vorgehen sein.

Das Projekt RISC-GAP wird im Rahmen der Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Förderung von Verbundforschungsprojekten zu risikoadaptierter Krebsfrüherkennung“ finanziell gefördert. In diesem Verbundprojekt arbeiten Epidemiologen, Gastroenterologen, Patientenvertreter, Ethiker und Gesundheitsökonomen zusammen. RISC-GAP wird von Prof. Dr. Jakob Linseisen, Leiter des Instituts für Epidemiologie, koordiniert; die ärztliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Helmut Messmann, Chefarzt der III. Medizinische Klinik am Universitätsklinikum Augsburg. Kernstück des Gesamtprojekts ist eine Validierungsstudie (RISC-VAL), bei der vier in Bayern niedergelassene gastroenterologische Praxen mitarbeiten.
Primäres Ziel des RISC-GAP-Projekts ist die Entwicklung eines bevölkerungsbasierten Screening-Verfahrens für Magen- und Ösophaguskrebs, im Rahmen dessen Hochrisikopersonen identifiziert werden können, die eine Gastroskopie als Vorsorgeuntersuchung erhalten. Dadurch können viele behandelbare Krebserkrankungen des oberen Verdauungstraktes sowie ihre Vorläuferschädigungen in einem frühen Stadium diagnostiziert und somit gut behandelt werden, wodurch sich die Prognose der Patienten deutlich verbessert. Die Studienergebnisse sollen zudem dazu beitragen, die KI-gestützte Erkennung von Schleimhautveränderungen zu verbessern und die Ursachen für die Entstehung von Magen- und Speiseröhrenkrebs näher zu erforschen.

Magenkrebs war mit mehr als 136.000 diagnostizierten Fällen im Jahr 2020 die neunthäufigste Krebserkrankung in Europa. Aufgrund der alternden Gesellschaft ist zu erwarten, dass die Fallzahlen in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen werden. Die Inzidenz von Speiseröhrenkrebs betrug in Europa im Jahr 2020 53.000 Fälle. Für Deutschland wurden im selben Jahr über 15.000 Magenkrebs- und fast 8.000 Speiseröhrenkrebsfälle diagnostiziert. Dabei gehören beide Krebsarten zu den zehn häufigsten Krebstodesursachen in Deutschland und weltweit. Patienten mit Tumoren des Magens oder der Speiseröhre haben als Folge einer späten Diagnose in einem fortgeschrittenen Stadium eine schlechte Überlebensrate. So werden vor allem aufgrund fehlender Frühsymptome nur etwa 10 % der Fälle in einem frühen Stadium diagnostiziert, was in Deutschland im Jahr 2018 eine 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von ≤37 % für Magenkrebs und ≤26 % für Speiseröhrenkrebs zur Folge hatte.
Durch die Entwicklung eines bevölkerungsbasierten Screening-Verfahrens für Magen- und Ösophaguskrebs in RISC-GAP können viele Krebserkrankungen des oberen Verdauungstraktes inklusive ihrer Vorläuferschädigungen in einem früheren Stadium diagnostiziert werden, wodurch sie besser behandelt werden können, was wiederum zu einer deutlich günstigeren Prognose für die Patienten führt.
Die erzielten Forschungsergebnisse aus RISC-GAP werden insgesamt zu einer Verbesserung des Verständnisses für die Krankheitsentstehung, die Diagnosestellung und den Krankheitsverlauf von Magen- und Speiseröhrenkrebs führen. Die eingelagerten Biomaterialien können zu einem späteren Zeitpunkt für Untersuchungen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik herangezogen werden und so die Basis für die Entwicklung neuer Therapien bilden.
Die Finanzierung von RISC-GAP erfolgt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Das Projekt wird vom Lehrstuhl für Epidemiologie am Universitätsklinikum Augsburg (Leiter: Prof. Dr. Jakob Linseisen) in Zusammenarbeit mit der III. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Augsburg (Chefarzt: Prof. Dr. Helmut Messmann), der Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung am DKFZ in Heidelberg (Leiter: Prof. Dr. Hermann Brenner) und vier in Bayern niedergelassenen Gastroenterologen durchgeführt.
Unter der Koordination von Prof. Dr. Jakob Linseisen setzt sich RISC-GAP aus 4 Subprojekten (SP) zusammen:
SP |
Beteiligte Institutionen, Verantwortliche/r |
Titel | Funktion im Projekt |
---|---|---|---|
1 | Universitätsklinikum Augsburg, Prof. Dr. Jakob Linseisen (Epidemiologie) | Definition einer Hochrisiko-Gruppe | Risiko-Score 1 (RS1) und Risiko-Score 2 (RS2) werden entwickelt und validiert |
2 | Universitätsklinikum Augsburg, Prof. Dr. Helmut Messmann (Gastroenterologie, III. Medizinische Klinik), in Kooperation mit Prof. Dr. Jakob Linseisen (Epidemiologie) |
Validierungsstudie zur Detektion von prä-/malignen Veränderungen | In dieser Validierungsstudie, wird die Gastroskopie-basierte Früherkennung von prä-/malignen Läsionen bei Personen mit hohem RS1 durchgeführt. |
3 | Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, Prof. Dr. Hermann Brenner | Identifizierung neuer Biomarker | Risiko-prädiktive Biomarker werden in Kohortendaten identifiziert und in einer unabhängigen Kohorte validiert. Die Biomarker werden in SP1 zur Bildung von RS2 eingesetzt. |
4 | Universitätsklinikum Augsburg, Dr. Inge Kirchberger (Epidemiologie) | Patientenbeteiligung | Ermittlung und Intergration der Sichtweise von Krebspatientinnen und -patienten und möglichen Screening-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern über die gesamte Projektlaufzeit. |
Das übergeordnete Ziel Projekts besteht in der Entwicklung einer risiko-angepassten Früherkennungsmethode für Magen- und Speiseröhrenkrebs. Hierzu wird ein zweistufiger Ansatz zur möglichst präzisen Identifizierung von Hochrisikopersonen für die Entwicklung von Krebsvorstufen (Schleimhautveränderung) und Tumoren im Frühstadium entwickelt und validiert – nur bei Hochrisikopersonen soll eine Vorsorge-Gastroskopie durchgeführt werden.
Hierzu werden zwei Risiko-Scores anhand sowohl bereits vorhandener Kohortendaten als auch Daten aus einer neu durchzuführenden Validierungsstudie zur Erkennung prämaligner und maligner Läsionen entwickelt und validiert. Dabei wird der Risiko-Score 1 (RS1) auf Parametern basieren, die alle Personen in der Bevölkerung selbst ermitteln können (vorstellbar sind beispielsweise Alter, Tabakkonsum, Magenkrebsfall in der Familie u. a. m.). Ein hoher RS1 identifiziert Risikopersonen, also Personen mit einem individuell hohen Risiko für Magen- und Speiseröhrenkrebs. Bei Personen mit einem hohen RS1 werden dann geeignete (prädiktive) Biomarker in Blutproben bestimmt, die die Berechnung des Risiko-Scores 2 (RS2) ermöglichen (z. B. Nachweis einer Helicobacter pylori-Infektion). Ein hoher RS2 identifiziert somit Hochrisikopersonen, denen dann eine Magenspiegelung (Vorsorgegastroskopie) empfohlen wird.
Zur Validierung der Risikoscores wird eine Validierungsstudie durchgeführt (RISC-VAL). Hierbei wird bei asymptomatischen Personen im Alter von 50–75 Jahren der RS1 ermittelt. Personen mit einem hohen RS1 wird eine Vorsorgegastroskopie in vier ausgewählten gastroenterologischen Praxen in Bayern sowie in der III. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Augsburg angeboten. Bei der standardisierten Untersuchung werden Schleimhautbiopsien entnommen und es erfolgt eine Videoaufzeichnung der endoskopischen Bilder. Diese werden für die Weiterentwicklung einer KI-gestützten Diagnostik genutzt. In den gesammelten Blutproben der Studienteilnehmer*innen werden verschiedene Risiko- und Schutzfaktoren für Krebserkrankungen gemessen. Diese Informationen fließen in die Berechnung des RS2 ein. Um RS1 und RS2 einfach ermitteln zu können, wird im Rahmen des Projekts eine entsprechende App entwickelt.
Eine weitere Besonderheit des RISC-GAP-Projekts ist die Beteiligung von Betroffenen (also Patienten und/oder Angehörigen) über die gesamte Laufzeit, so dass die Sichtweise und die Bedürfnisse der (potenziellen) Patienten kontinuierlich in die Arbeiten integriert werden.
Das Projekt hat zum 1. Juli 2024 gestartet. Modul 1 läuft über drei Jahre. Bei erfolgreicher Durchführung der dreijährigen ersten Phase von RISC-GAP ist eine zweijährige Verlängerung (Modul 2) vorgesehen. Während des zweiten Teils des Projekts wird ein vollständiges Konzept für die Etablierung des Screeningverfahrens für Magen- und Ösophaguskrebs entwickelt, in der Praxis getestet sowie ethisch und ökonomisch bewertet werden.
Selbstverständlich werden die ärztliche Schweigepflicht und die Bestimmungen zum Datenschutz eingehalten.
Die Datenerhebung und Biomaterialsammlung im Rahmen der Validierungsstudie erfolgt durch medizinisches Personal in den beteiligten gastroenterologischen Praxen, durch Mitarbeiter der III. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Augsburg und durch Mitarbeiter des Lehrstuhls für Epidemiologie am Universitätsklinikum Augsburg.
Persönliche Daten, d. h. Namen und Anschrift, werden an den Lehrstuhl für Epidemiologie am Universitätsklinikum Augsburg weitergegeben und dort – getrennt von den wissenschaftlichen Daten – gespeichert und nicht weitergegeben. Ein Zugriff auf diese persönlichen Daten erfolgt nur durch wenige, besonders autorisierte Mitarbeiter des Lehrstuhls für Epidemiologie, um erneut mit den Teilnehmer*innen in Kontakt zu treten oder um weitere oder fehlende medizinische Daten zu erfassen.
Wissenschaftliche Daten werden mittels eines Verschlüsselungscodes verschlüsselt (pseudonymisiert), d. h. ohne Namen und Anschrift am Lehrstuhl für Epidemiologie am Universitätsklinikum Augsburg gespeichert. Dies beinhaltet auch abgeleitete Variablen aus den Bild-/Video-Daten.
Die Original-Bild-/Video-Daten werden in pseudonymisierter Form in der III. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Augsburg gespeichert und dort für die Weiterentwicklung von (KI-)Algorithmen zur Erkennung von Schleimhautläsionen eingesetzt. Auch die Biomaterialien werden unter einer Verschlüsselungsnummer (pseudonymisiert), die keinen Rückschluss auf die Person ermöglicht, am Lehrstuhl für Epidemiologie am Universitätsklinikum Augsburg gelagert.
Informationen zum Untersuchungsablauf und zur Probengewinnung ebenso wie zu den Ergebnissen der Gastroskopie, inklusive der Ergebnisse der pathologischen Untersuchungen werden vom Gastroenterologen über eine Webanwendung in die zentrale Datenbank eingegeben, die ausschließlich wissenschaftliche Daten (pseudonymisiert) enthält. Ebenso werden die Messergebnisse von Laborwerten über eine Webanwendung (pseudonymisiert) in die zentrale Studiendatenbank eingegeben. Alternativ stehen auf Wunsch auch eine Papierversion zum Ausfüllen zur Verfügung; in diesem Fall werden die Unterlagen an den Lehrstuhl für Epidemiologie transportiert und dort in die Studiendatenbank eingepflegt.