(Selbst-)Bilder einer Habsburger Peripherie in der Hochmoderne: Ansichten und Aneignungen der Bukowina 1895-1918
Abstract
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert veränderten sich die europäischen Gesellschaften mit großer Geschwindigkeit, was die Zentren der Nationalstaaten und multiethnischen Imperien ebenso betraf wie deren Peripherien – auch das ganz im Osten Cisleithaniens gelegene Kronland Bukowina. Den „Durchbruch zur Moderne“ begleitete und beförderte ein Medium, das nach seiner Einführung schnell zum zentralen Kommunikationsmittel der Zeit wurde: die bebilderte Correspondenzkarte. Sie wurden von großen Verlagen und kleinen Kaufleuten millionenfach hergestellt, von Angehörigen breiter Gesellschaftsschichten beschrieben und verschickt, aber auch – als Aneignung von Welt − gesammelt.
Maren Röger untersucht, welche Ansichten der Bukowina über das Massenmedium der Postkarten in den Jahren von 1895-1918 geprägt wurden, und wie diese wahrgenommen wurden. Dabei geht es um die rechtlichen Rahmenbedingungen und die wirtschaftlichen Akteure des Postkartenmachens, so dass mit den überwiegend kleinen Händler*innen in der Bukowina eine Gruppe in den Blick gerät, die in wirtschaftshistorischen Studien sonst unterbeleuchtet bleiben. Weiter interessieren die visuellen Narrative und die Aneignungen des Kronlandes durch die Schreibenden, darunter die Erzählungen von Moderne und Rückständigkeit – dem zentralen zeitgenössischen Diskurs in der Habsburger Peripherie. Ein zentraler Aspekt ist die Darstellung der Multiethnizität, da die Bukowina wie kein zweites Kronland Habsburgs von verschiedenen Ethnien geprägt war und die Hochphase der Postkartenproduktion und rezeption sowie der Hochphase des Nationalismus zeitlich zusammenfielen. Transportierten die Karten das Ideologem des „Bukowinismus“ oder gab es (kommerziell motivierte) Grenzen der vielbeschworenen bukowinischen Toleranz im Zusammenleben der Ethnien und Religionen?
Förderung
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