Vortragsreihe: Fachdidaktik DaF und Fachdidaktik DaZ
Standortbestimmungen, Bewegungen und Horizonte
Die akademischen Disziplinen Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache, die sich als sogenannte Kinder der Praxis immer wieder auch in Bezug auf ihre eigenen normativen Grundlagen befragen, haben sich fest im Kanon der akademischen Disziplinen zwischen Fremdsprachendidaktik, Zweitsprachforschung, Germanistik, Pädagogik und zunehmend auch der Bildungs- sowie Lehrkräfteforschung etabliert. In den immer noch kleinen Fächern DaF und DaZ stehen Fragen des Deutschlernens mit mehrsprachigen Lernenden jeden Alters, jeden sozioökonomischen Hintergrundes, aus den verschiedensten Ländern und mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen weltweit im Zentrum. Diese werden von bildungspolitischen Debatten beeinflusst, von migrationspädagogischer Kritik flankiert oder vom Diskurs um mehrsprachige Bildungsbeteiligung, Digitalisierung und gesellschaftliche Teilhabe mitbestimmt. Die wissenschaftliche Fachdidaktik Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache steht so vor der nicht geringen Herausforderung, eine interdisziplinäre Theoriebildung in Verbindung mit aktueller internationaler fremd- und zweitsprachdidaktischer Forschung für konkrete Bedarfe und Bedürfnisse einer gesellschaftlich hoch relevanten Praxis voranzubringen.
Bei der Vortragsreihe Fachdidaktik in Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache – Standortbestimmungen, Bewegungen und Horizonte, die im Wintersemester 2021/2022 sowie im Sommersemester 2022 an der Universität Augsburg stattfand, standen aktuelle wissenschaftliche Positionen einer engagierten Fachdidaktik DaF und DaZ im Fokus. Die Positionierungen und anschließenden Diskussionen haben den Diskurs um den Stellenwert einer wissenschaftlichen Fachdidaktik in unseren Fächern bereichert, nach aktuellen Standorten und Bewegungen gefragt und zukünftige Horizonte aufgezeigt.
Viele der Vorträge wurden aufgezeichnet und stehen auf dem YouTube-Kanal der Universität Augsburg in einer Playlist zur Verfügung. Die Links finden Sie in den Vortragsbeschreibungen oder hier.
Vorträge im Wintersemester 2021/22 (hybrid)
Eine Übersicht des Programms im Wintersemester 2021/2022 finden Sie hier .
Karen Schramm, Universität Wien, 18.15 Uhr, digitale Durchführung via Zoom
Extensives Lesen im DaF-Unterricht
Unter extensivem Lesen werden Programme verstanden, bei denen Lerner*innen fremdsprachliche Texte nach Interesse und Sprachniveau individuell auswählen und im Unterricht mindestens zweimal pro Woche für 20 Minuten still lesen. Trotz ermutigender empirischer Befunde in englischdidaktischen Studien findet das extensive Lesen im DaF-Unterricht bisher nur wenig Berücksichtigung. Dies war Anlass, ein entsprechendes Programm zum extensiven Lesen an Schulen in drei europäischen Ländern in der 10. Jahrgangsstufe zu erproben und diese Erprobung empirisch zu begleiten. In meinem Vortrag möchte ich von den Erfahrungen berichten, die neun erfahrene und neun angehende DaF-Lehrpersonen in gemeinsamen videobasierten Reflexionsgesprächen thematisiert haben, und aufzeigen, welche Vorgehensweisen sie in der kollegialen Zusammenarbeit entwickelt haben.
Literatur:
- Abitzsch, Doris / van der Knaap, Ewout / Abbate, Roberta / Dawidowicz, Marta / Feld-Knapp, Ilona / Hoffmann, Sabine / Perge, Gabriela / Schramm, Karen (2019): Freies Lesen im LEELU-LehrerInnenbildungsprojekt. Vom Forschungsstand zu einer Handreichung für den Unterricht. Online: https://leelu.eu/wp-content/uploads/sites/164/2019/08/Konzeptpapier-zum-Freien-Lesen-im-LEELU-Projekt-Endfassung-2019.pdf
- Hoffmann, Sabine (2019): Beratung beim Extensiven Lesen im DaF-Unterricht. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 2/2019, 427-457. Online: https://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/download/983/981.
- Jeon, Eun-Young / Day, Richard (2016): The effectiveness of ER on reading proficiency. A meta-analysis. In: Reading in a Foreign Language, 28.2, 246-265. Online: http://www.nflrc.hawaii.edu/rfl/October2016/articles/jeon.pdf.
Julia Ricart Brede, Universität Passau, 18.15 Uhr, Kurzfristige Änderung: Der Vortrag findet online statt.
Deutsch als Zweitsprache: aktueller denn je?
Kathrin Siebold, Philipps-Universität Marburg, 18.15 Uhr, hybride Veranstaltung (vor Ort und Zoom)
Videobasierte Fallarbeit zur Förderung unterrichtlicher Interaktionskompetenz
Unterrichtliche Interaktion und insbesondere lernerseitige Partizipation gelten in der fremdsprachendidaktischen Forschung als zentrale erwerbsförderliche Prozesse. Um Lehr- und Lernprozesse kommunikativ kompetent zu gestalten, bedarf es seitens der Lehrenden gut ausgebildeter interaktionaler Kompetenzen hinsichtlich zentraler sprachlicher Lehrhandlungen wie beispielsweise Feedback geben, Fehler korrigieren, Arbeitsanweisungen erteilen oder Verständnis sichern. Diese können in lehrerbildenden Studiengängen durch verschiedene didaktisch-methodische Herangehensweisen systematisch geschult werden, u.a. durch videobasierte Kasuistik, in der unterrichtliche Interaktion anhand spezifischer Fallbeispiele differenziert beschrieben und kritisch analysiert wird (vgl. Schramm; Bechtel 2019, Elsner et al. 2020, Syring 2021).
Im Vortrag sollen erste Ergebnisse einer Forschungsstudie vorgestellt werden, in der die Wirksamkeit videobasierter Fallarbeit im Rahmen eines Didaktik-Seminars zur Unterrichtsinteraktion untersucht wurde. Das Seminar fand im vergangenen Sommersemester 2021 im MA-Studiengang Deutsch als Fremdsprache an der Philipps-Universität Marburg statt und wurde online durchgeführt. Als Grundlage für die Datenauswertung wurden transkribierte Mitschnitte der Fallanalysen, Ergebnisberichte und Lerntagebücher der Studierenden herangezogen.
Wenngleich das Lernformat der Fallarbeit auch Schwierigkeiten auf verschiedenen Ebenen mit sich bringt, zeigt sich unter den angehenden DaFZ-Lehrkräften ein deutlicher Kompetenzzuwachs in der professionellen Wahrnehmung von Unterrichtsinteraktion, insbesondere bezüglich des Wirkungspotenzials unterschiedlicher Semantisierungsverfahren, Lehrendenfragen, Folgeturns und (pseudo)verständnissichernder Sprechhandlungen.
Literatur:
- Bechtel, Markus; Schramm, Karen (2019) (eds.): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik. Themenschwerpunkt FLUL (Fremdsprachen Lehren und Lernen) 48 (1).
- Elsner, Daniela; Kreft, Annika; Niesen, Heike; Viebrock, Britta (2020): Unterrichtsvideos als Reflexionsanlässe im Englischlehramtsstudium. Verbindung von Theorie und Praxis am Beispiel der Heterogenitätsdimensionen Mehrsprachigkeit und Transkulturalität. HLZ (Herausforderung Lehrer*innenbildung. Zeitschrift zur Konzeption, Gestaltung und Diskussion) 3(2), 279–299.
- Siebold, Kathrin; Glosemeyer, Quentin; Xu, Hang (2021): Pseudoverständnissicherung. ZIAF (Zeitschrift für Interaktionsforschung in DaFZ) 1 (i.Dr.).
- Syring, Marcus (2021): Videobasierte Kasuistik in der Lehre. In: Wittek, Doris; Rabe, Thorid; Ritter, Michael (eds.): Kasuistik in Forschung und Lehre. Erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Ordnungsversuche. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 230-244.
Inci Dirim, Universität Wien, 18.15 Uhr, Kurzfristige Änderung: Der Vortrag findet online statt.
Rassismuskritische Perspektiven im Bereich Deutsch als Zweitsprache
Obwohl der Kolonialismus schon lange vorbei ist, ist der Rassismus noch nicht überwunden. Der rassismuskritischen Perspektive geht es in dieser Lage nicht so sehr darum, Schuldige auszumachen, sondern eher darum, zu verstehen, wie die gesellschaftlichen Diskurse das Entstehen des Rassismus ermöglichen (Stichwort: „Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis“). Nach der vor allem von Paul Mecheril und Claus Melter (u.a. 2010) entwickelten rassismuskritischen Perspektive durchdringen koloniale Denkweisen nach wie vor die Gesellschaft und sind zum Teil subtil, also schwer zu erkennen, weshalb die Gefahr besteht, dass auch von Personen Rassismus ausgehen kann, die nicht rassistisch sein möchten. Daraus ergibt sich eine Aufgabe der Selbstreflexion für das Feld „Deutsch als Zweitsprache“, das stark in gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen über Migration eingebunden ist. Es ist möglich, selbstreflexiv zu untersuchen, inwiefern in Begriffen, Konzepten, Materialien und Forschungsansätzen koloniale Denkweisen „versteckt“ sein könnten und darüber nachzudenken, wie es gelingen könnte, sich im professionellen Handeln nicht vom Rassismus verleiten zu lassen. Der Vortrag führt in die Rassismuskritik begrifflich und konzeptionell ein und stellt im Sinne einer „Querschnittsaufgabe“ einen Bezug zum Arbeits- und Forschungsfeld „Deutsch als Zweitsprache“ her.
Literatur:
- Mecheril, Paul / Melter Claus (2010): Wege aus dem Rassismus. In: Mecheril, Paul u.a.: Migrationspädagogik. Weinheim (Beltz), S. 150-169.
- Dirim, İnci /Pokitsch, Doris (2018): (Neo-)Linguizistische Praxen in der Migrationsgesellschaft und ihre Bedeutung für das Handlungsfeld ‚Deutsch als Zweitsprache‘. In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie. 93, S. 13-32.
Constanze Niederhaus, Universität Paderborn, 18.15 Uhr, digitale Durchführung via Zoom
DaZ/DaF für den Beruf - Status Quo und Perspektiven
Deutsch für den Beruf stellt ein wichtiges Arbeitsfeld des Fachs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache dar, dessen nähere Bestimmung aufgrund seiner Breite eine Herausforderung darstellt: Im Ausland wird Deutsch für den Beruf insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der deutschsprachigen Länder stark nachgefragt. Im Inland ist das Arbeitsfeld aufgrund von Migration und hinsichtlich der Teilhabe (neu) zugewanderter Menschen an beruflicher Bildung und Arbeit von hoher Relevanz.
Die Zielgruppen und Lernziele sowie die Lernorte und Lernzeitpunkte berufsbezogenen und berufsorientierten Deutschunterrichts sind groß und vielfältig. Dieser Vortrag möchte einen Überblick über dieses komplexe und zunehmend bedeutsame Arbeitsfeld geben.
Nachdem auf die Zielgruppen berufsbezogenen Deutschunterrichts eingegangen wird, werden Versuche der Definition des Registers Berufssprache sowie darüber hinausgehende Konzepte wie berufliche Kommunikation und Deutsch für den Beruf diskutiert. Des Weiteren wird auf die Untersuchung sprachlicher Bedarfe, Anforderungen und Praktiken im Arbeitsfeld Deutsch für den Beruf eingegangen, die eine Grundlage für die Konzeption und Durchführung berufsbezogenen Deutschunterrichts und anderer Formate darstellen.
Schließlich werden Einblicke in die Forschungsaktivitäten des Arbeitsbereichs DaZ, DaF und Mehrsprachigkeit der Universität Paderborn gegeben und die Bedeutung von Deutsch für den Beruf für unsere Fachdidaktik sowie deren Weiterentwicklung diskutiert.
Dörthe Uphoff, Universidade de São Paulo, 18.15 Uhr, digitale Durchführung via Zoom
Zeitgeist: Ein Lehrwerkprojekt für den Deutschunterricht an brasilianischen Hochschulen
Seit vielen Jahren wird in Brasilien fast ausschließlich mit internationalen Lehrwerken Deutsch unterrichtet, nachdem die heimische Materialproduktion mit der kommunikativen Wende zum Erliegen gekommen war. Um diese Situation zu verändern, wurde vor zwei Jahren das Forschungsprojekt „Zeitgeist" ins Leben gerufen mit dem Ziel, ein engagiertes und zielgruppenorientiertes Lehrwerk für den Deutschunterricht im Hochschulbereich zu entwickeln. Das Autor*innenteam vertritt dabei einen partizipativen und kritisch-reflexiven Ansatz und ist darum bemüht, den Lernenden bedeutungsvolle Inhalte anhand von authentischen Texten darzubieten. In meinem Beitrag möchte ich über den aktuellen Stand des Projekts berichten und auch einen kleinen Einblick in bereits erstellte Materialien geben.
Kristina Peuschel, Universität Augsburg, 18.15 Uhr, hybride Veranstaltung (vor Ort und Zoom)
Gendergerechte Sprache und DaZ und DaF: Von der Praxis zur Theorie zur Empirie und zurück
Das Verhältnis von „Sprache“ und „Sprache lernen“ scheint unkompliziert und direkt nachvollziehbar zu sein. Warum ist jedoch das Verhältnis von „gendergerechter Sprache“ und „DaF/DaZ-Lernen“ von Umwegen und Sackgassen bestimmt? Dieser und anderen Fragen geht der Vortrag nach, indem auf der Basis von Überlegungen zum einschließenden, inklusiven, gerechten Sprachgebrauch die aktuelle Praxis, Theorie und Empirie des Lernens und Gebrauchs von gendergerechter Sprache in Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache dargestellt wird. Dabei werden sprachliche Formen, ihre Repräsentation in Lehrmaterialien für das Deutschlernen weltweit und die Überzeugungen von angehenden DaZ- und DaF-Lehrkräften zur Verwendung dieser Sprachgebrauchsvarianten aufeinander bezogen. Fachdidaktische Schlussfolgerungen gehen jedoch über den konkret adressierten Gegenstand hinaus – welche Sprache(n) mit welchen Inhalten ist (sind) Gegenstand und Medium in der institutionellen Vermittlung des Deutschen als Zweitsprache und des Deutschen als Fremdsprache und wie verwenden Lehrkräfte und Lehrende eben diese?
Vorträge im Sommersemester 2022 (hybrid)
Eine Übersicht des Programms im Sommersemester 2022 finden Sie hier.
Nazli Hodaie, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, 18.15 Uhr, hybrid (Hörsaal und Zoom)
Das „Wir" der Literaturdidaktik: Grundzüge und Ziele eines „postmigrantischen" Literaturunterrichts
Trotz der jahrzehntelangen Debatten um Migration und ihre Folgen beschränkt sich die Reaktion des Literaturunterrichts im Umgang mit gesellschaftlichen migrationsbedingten Entwicklungen i.d.R. auf punktuelle Maßnahmen, die - subsumiert unter dem Label „interkultureller Deutsch-/ bzw. Literaturunterricht" - ein Nischendasein fristen. Sonst orientiert sich der Literaturunterricht nach wie vor an dem sog. Nationalmodell der Literaturdidaktik (Wintersteiner 2006), das herkömmliche Identitätsangebote nicht in Frage stellt und bestehende Zugehörigkeitsverhältnisse (re-)produziert.
Eine „postmigrantische" Perspektive auf den Literaturunterricht bindet hingegen die migrationsgesellschaftliche Gegenwart ein, die mehr ist als die Summe in die Bundesrepublik Deutschland eingewanderter, vermeintlicher „Kulturen" und „Sprachen", und problematisiert dabei binäre Identitätskategorien und Subjektivierungsweisen. Somit fokussiert sie primär den identitätsbildenden Charakter des Literaturunterrichts und ist auch in der Wahl von Inhalten und Materialien „postnational".
Michael Schart, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 18.15 Uhr, hybrid (Hörsaal und Zoom)
Aktionsforschung und berufliches Selbstverständnis von Lehrenden
Der Vortrag widmet sich der Aktionsforschung, einem Konzept von Forschung, das in der Fremdsprachendidaktik seit den 1990er Jahren zwar verstärkt rezipiert und vom akademischen Betrieb auch häufig eingefordert, aber nach wie vor eher selten praktiziert wird. Aktionsforschung beruht auf der Idee, dass Lehrkräfte eigenverantwortlich ihren Unterricht systematisch erkunden können und auch sollten, um ihr berufliches Handeln beständig weiterzuentwickeln.
Dieses Verständnis von Aktionsforschung berührt eine Reihe von Themen, die in den letzten Jahren in der Fremdsprachendidaktik zu kontroversen Diskussionen führten. Im ersten Teil wird der Vortrag auf diese Verbindungslinien eingehen. Das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis gerät dabei ebenso in den Blick wie die Rolle von Lehrkräften im Unterricht, die Bedeutung von Reflexion im Professionalisierungsprozess oder das gewachsene Bewusstsein für die sozialen Dimension des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen.
Im zweiten Teil des Vortrags wird es anhand von konkreten Beispielen um die Frage gehen, wie sich Aktionsforschung in den Unterrichtsalltag integrieren lässt, mit welchen Widerständen Lehrkräfte dabei zu rechnen haben und welche Hürden zu überwinden sind. Vor allem jedoch soll gezeigt werden, wie praxisnahes Forschen von Lehrerinnen und Lehrern nicht nur dazu beitragen kann, den eigenen Unterricht zu verbessern, sondern auch das berufliche Selbstverständnis zu erweitern.
zur Anmoderation von Michael Schart
zur Powerpoint-Präsentation des Vortrags von Michael Schart
Nicole Marx, Universität zu Köln, 18.15 Uhr, hybrid (Hörsaal und Zoom)
Der Vortrag wird ins Wintersemester 2022/2023 verschoben.
Nähe und Distanz – Konkurrierende Ziele der Schreibdidaktik im DaF-Unterricht?
Mit dem Aufkommen der Kommunikativen Didaktik in den 1980ern entstand zum ersten Mal eine deutliche Fokussierung auf mündliche Kommunikation im Fremdsprachenunterricht. Nun waren Lehrende und Lernende dazu aufgefordert, sich unterschiedlichen Gesprächsanlässen zu widmen und den Nutzen der Sprache in „authentischen“, d.h. alltäglichen Situationen anzuerkennen. Die Verdienste dieses neuen Fokus‘ liegen auf der Hand. Die Interpretation der Kommunikativen Didaktik in den Folgejahren lässt jedoch etwas zu wünschen übrig, geriet sie immer mehr in eine Fokussierung auf alltägliche, mündliche und v.a. nähesprachliche Kommunikationssituationen, und wendete sie sich gleichzeitig immer mehr von genauso authentischen, akademischen, schriftlichen und distanzsprachlichen Situationen ab (vgl. Königs 2018). Dies hat nicht nur, jedoch insbesondere, Folgen für den erfolgreichen Übergang in höhere Niveaus bzw. höhere Bildungsinstitutionen.
Der Vortrag möchte zu einer Reflexion der derzeit anhaltenden Fokussierung auf mündliche, nähesprachliche Phänomene im Fremdsprachenunterricht anregen und dafür plädieren, zumindest in der Behandlung medial schriftlicher Texte wieder einen verstärkten Blick auf distanzsprachliche Kommunikation zu richten. Dabei wird die Fertigkeit Schreiben in modernen DaF-Lehrwerken beispielhaft untersucht und die Frage gestellt, inwiefern diese das Ziel des Fremdsprachenunterrichts erfüllen, auf ein wissenschaftliches Studium vorzubereiten.
Diana Feick, University of Auckland, 10.00 Uhr (Hörsaal 3 und Zoom)
ACHTUNG TERMIN- UND HÖRSAALÄNDERUNG
Zur Digitalisierung von Lernorten in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Ausgehend vom spatial turn in der Fremd- und Zweitsprachenforschung gibt dieser Beitrag einen Überblick über die aktuelle Fachdebatte zum Sprachenlehren und -lernen im virtuellen Raum. Im ersten Teil wird das Lernen im virtuellen Raum begrifflich vor dem Hintergrund der Tradition außerunterrichtlicher Sprachlernorte sowie der Digitalisierung des Sprachenlernens eingeordnet. Dabei stehen insbesondere folgende Fragen im Mittelpunkt: Was zeichnet virtuelle Lernräume in ihrer Gestalt(ung) aus? Inwiefern macht sich mobile language learning (MLL) virtuelle Lernräume zur Schaffung von Sprachlerngelegenheiten jenseits des physischen Unterrichtsraumes zu Nutze? Wie sind virtuelle Lernorte dabei an den Schnittstellen von (in)formellem sowie ortsspezifischem/-unabhängigem Lernen gestaltet? Welche Rolle nehmen Lehrende in zunehmend individualisierten virtuellen Lernräumen ein? Vor diesem Hintergrund präsentiere ich neben Praxisbeispielen auch ausgewählte Ergebnisse aus drei aktuellen Studien (Feick & Alm 2021, Feick & Knorr 2022, Feick, im Druck), um im dritten Teil mit einem Ausblick auf erste Überlegungen zu einer Lernortdidaktik/-methodik des virtuellen Raums (Feick & Rymarczyk, im Druck) zu schließen.
Literatur
- Feick, D. & Alm, A. (2021): Gruppenarbeit in Zeiten der sozialen Isolation: Zur Nutzung und Wahrnehmung von Breakout-Räumen. Info-DaF Themenheft: DaF im virtuellen Unterrichtsraum, 516-544.
- Feick, D. & Knorr, P. (2022): Emotional Aspects of Online Collaboration: Virtual Exchange of Pre-Service EFL Teachers. In: Barkhuizen, G. (Hrsg.): Language teachers studying abroad: Identities, emotions and disruptions. Bristol: Multilingual Matters.
- Feick, D. & Rymarczyk, J. (Hrsg.) (im Druck): Digitale Lernorte und -räume für das Fremdsprachenlernen. In: Feick, D. & Rymarczyk, J. (Hrsg.): Zur Digitalisierung von Lernorten: Fremdsprachenlernen im virtuellen Raum. Berlin: Peter Lang.
- Feick, D. (im Druck): Zwischen Ortsunabhängigkeit und Lernortspezifik: Zur digitalen Öffnung des DaF-Unterrichts durch mobiles Sprachenlernen. In: Feick, D. & Rymarczyk, J. (Hrsg.): Zur Digitalisierung von Lernorten: Fremdsprachenlernen im virtuellen Raum. Berlin: Peter Lang.
Nina Simon, Universität Leipzig, 18.15 Uhr, hybrid (Hörsaal und Zoom)
Reflexion und Affirmation
Zur Ambivalenz von DaF/DaZ aus postkolonialer und migrationspädagogischer Perspektive
In meinem Vortrag zeichne ich basierend auf Ausführungen zur Involviertheit von DaF/DaZ (s. Dirim/Wegner 2018) in (global-)gesellschaftliche (Herrschafts-)Verhältnisse nach, weshalb Reflexionen auf die aus postkolonialer und migrationspädagogischer Perspektive (s. Heinemann/Castro Varela 2016; Mecheril 2016) sichtbar werdende Ambivalenz auch in DaF/DaZ-Kontexten ein zentraler Stellenwert zugestanden werden sollte.
Im Anschluss an eine kurze Übung, im Rahmen derer die Relevanz herrschaftskritischer Reflexionen auf Sprache angedeutet wird, skizziere ich basierend auf einer den Fokus auf Sprache legenden Modifikation des Konzepts des Zu-Sehen-Gebens (Schade/Wenk 2011), weshalb es lohnenswert ist, die damit verwobene Produktion von Wissensbeständen herrschaftskritisch zu reflektieren.
Aufbauend darauf plädiere ich anhand zweier Beispiele (i.A.a. Warner 2021 u. Guillaumin 1999) dafür, es nicht bei herrschaftskritischen Reflexionen auf Sprache zu belassen, sondern in diesem Zusammenhang sichtbar werdende Ambivalenzen konsequent zu berücksichtigen – sowohl in der universitären Ausbildung von DaF- und DaZ-Lehrer*innen als auch im Rahmen didaktischer, unterrichtspraktischer Überlegungen.
Literatur
- Dirim, İnci / Wegner, Anke (Hg.) (2018): Normative Grundlagen und reflexive Verortungen im Feld DaF und DaZ. Leverkusen.
- Guillaumin, Colette (1999): ‘I know It’s not Nice, but …’: The Changing Face of Race. In: Rodolfo D. Torres/Louis F. Mirón/Jonathan Xavier Inda (Hg.): Race, Identity, and Citizenship. Oxford, 39-47.
- Heinemann, Alisha / Castro Varela, María do Mar (2016): Ambivalente Erbschaften. Verlernen erlernen!, https://www.trafo-k.at/_media/download/Zwischenraeume_10_Castro-Heinemann.pdf [10.01.22].
- Mecheril, Paul (Hg.) (2016): Handbuch Migrationspädagogik. Weinheim & Basel.
- Schade, Sigrid / Wenk, Silke (2011): Studien zur Visuellen Kultur. Einführung in ein transdisziplinäres Forschungsfeld. Bielefeld.
- Warner, Julian (2021): Einleitung. In: ders. (Hg.): After Europe. Beiträge zur dekolonialen Kritik. Berlin.