Von der Bukowina nach Schlesien? Oder über Österreich nach Frankreich? Weiter nach Sibirien oder doch in die USA?

Die Bukowiner und Bukowinerinnen erreichten durch die historischen Ereignisse in der Mitte des 20. Jahrhunderts viele Orte. Nicht nur durch Flucht und Vertreibung entstanden so weitläufige Migrationswege und beeindruckende Lebensgeschichten.

 

Seit 2018 wurden in zwei groß angelegten Interviewprojekten Bukowina-Deutsche (Projektleitung Alexander Weidle) und   Jüdische Perspektiven (Projektleitung Franziska Pohlmann) des Bukowina-Instituts rund 200 Interviews mit christlichen Deutschen sowie deutschsprachigen Jüdinnen und Juden realisiert. Vom Ausgangspunkt Bukowina migrierten oder flohen Viele auf unterschiedlichen Wegen nicht nur nach Deutschland oder Österreich, sondern beispielsweise auch nach Israel und in die USA.

 

Das Projekt Migrationsgeschichte(n) und das Nachfolgeprojekt Projekt Erinnerungen bewahren machen eine Auswahl dieser Lebensgeschichten und Migrationswege sichtbar und visualisiert sie in einer digitalen Ausstellung. Die zahlreichen Zwischenstationen werden mit Bildern, Dokumenten, Interviewausschnitten und anderen Informationen ergänzt und bieten so einen einzigartigen Einblick in die Migrationsgeschichte(n) aus der Bukowina.

 

Projektverantwortlich:

Michael Kabelka

kabelka@bukowina-institut.de

 

Franziska Pohlmann

pohlmann@bukowina-institut.de

Laufzeit:

Migrationsgeschichte(n): Juli 2022 - Februar 2023

 

Erinnerungen bewahren: Oktober 2023 - Februar 2024

Neben den Erklärungen der Zwischenstation bietet die Ausstellung – durch Queerstriche getrennt – einen Überblick über den jeweiligen historischen Kontext sowie weitere vertiefende Informationen. Zudem sind einige Begriffe kursiv gesetzt und unterstrichen. Diese Begriffe werden im Glossar im unteren Abschnitt dieser Seite erklärt. Darauf folgend ist eine Übersicht der genutzen Literatur zu finden.

 

Die Ausstellung ist daher nicht nur für Publikum ohne Vorwissen geeignet, sondern ermöglicht es zudem Interessierten mehr über die Hintergründe zu erfahren und Zusammenhänge zu verstehen.

Sie können unten auf die einzelnen Bilder klicker, um zu den Lebensgeschichten zu gelangen.

Zu den Lebensgeschichten und Migrationswegen

 

Projekt "Erinnerungen bewahren"

 


 

 

Ausgehend vom Königreich Galizien und Lodomerien durchqueren die Vorfahren von Sieglinde Bartz viele Regionen und Orte. Sie erfahren im Regime des Nationalsozialismus, welche Gefahren eine ungeklärte und der Verdacht einer jüdischen Vaterschaft bedeutet.

 


 

Die Umsiedlungsgeschichte der Familie Ursula Biebers beginnt 1940 mit der sowjetischen Besetzung Czernowitz‘. Freiwillig macht sich die Familie auf und landet nach mehreren Zwischenstationen letztendlich in Österreich.

 


 

Die Vorfahren Reinhold Czarnys müssen in beiden Weltkriegen Flucht und Vertreibung durchstehen. Bereits 1940 auf der Flucht vor der Sowjetunion, finden sie sich nach dem Krieg dennoch im sowjetischen Machtbereich wieder – in der DDR.

 


 

Zu Neujahr 1915 wurde Martha Nerachers Mutter Ema in Frassin (rum. Frasin) geboren – nicht in Czernowitz, dem Wohnort ihrer Eltern. Zu dieser Zeit war die Stadt am Pruth eine Frontstadt im ersten Weltkrieg. Es war der Auftakt einer bewegenden Lebensgeschichte, die bis nach Sibirien reichte und viel Leid erleben musste.

 


 

Die Geschichte der Vorfahren von Dagmar Wäscher besteht aus den Erlebnissen eines deutsch-rumänischen Paares, das die nationalsozialistischen Umsiedlungspolitiken und die historischen Ereignisse des frühen 20. Jahrhunderts durchstehen muss.

 


 

 

Projekt "Migrationsgeschichte(n) aus der Bukowina"

 


 

 

Als Gertrude Steigerwald am 03. Februar 1937 geboren wurde, lebte ihre Familie in der Bukowina im Dorf Illischestie. Angetrieben durch die Umsiedlungaktionen 1940 führte der Weg der Familie über zahlreiche Lager bis ins heutige Polen. Die spätere Flucht über viele Stationen bedeutete unter anderem eine beschwerliche Rückkehr nach Österreich, bis sie schließlich am Main ihren Ausgang fand.

 


 

 

Monica Händler wurde am 30. März 1949 in Kronstadt geboren. Ihre Familie stammt aus Czernowitz. Während der Kriegszeit musste die Familie kurzzeitig im Ghetto leben. Durch ein sogenanntes „Popovici-Zertifikate“ konnten sie jedoch überleben. Bei Kriegsende verließ die Familie Czernowitz und lebte in Kronstadt. Erst 1971 wurde der Ausreiseantrag genehmigt und Frau Händler konnte mit ihren Eltern in die BRD einreisen.

 


 

 

Auch die Familie von Waltraut Nass, geboren am 08. April 1937, beginnt im Sommer 1940 ihre Umsiedlung aus dem Dorf Alt-Fratauz in der südlichen Bukowina. Zunächst über Umwege nach Polen geschickt, landet die Familie im besetzten Betting-lès-Saint-Avold in Lothringen, Frankreich. Die letztendliche Flucht endet mit allen Wirren des Kriegsendes in der Oberpfalz.

Glossar und Literatur

Altreich

Bezeichnet die Ausdehnung des Deutschen Reiches zum 31. Dezember 1937. Neben den Bereich der heutigen Bundesrepublik Deutschland sind dabei noch Ostpreußen, Schlesien und Pommern gemeint.


Bukowina-Deutsche

Der Begriff „Bukowina-Deutsche“ bezeichnet eine Gruppe, die sich in ihrer Selbstbeschreibung als christliche „Deutsche“ aus der historischen Region der Bukowina versteht. Der Begriff ist durch einen längeren Prozess entstanden und wurde von der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen beeinflusst. Diese Bezeichnungen sind jedoch nicht unproblematisch, da beispielsweise auch Juden und Jüdinnen sich der deutsch-österreichischen Kultur verbunden sahen, diese aber von den Funktionären der „Bukowina-Deutschen“ nicht inkludiert wurden.


Flucht und Vertreibung:

In der Bundesrepublik wurde und wird bis heute mit dem Begriffspaar ‹Flucht und Vertreibung› an die Evakuierung, Flucht, ›wilde Vertreibung‹ und organisierte Aussiedlung von Deutschen erinnert - ein Vorgang, der sich über mehrere Jahre zog, abhängig von Region und Zeitpunkt sehr unterschiedlich verlief und insgesamt ca. zwölf Millionen Menschen aus den östlichen Provinzen Deutschlands und den östlichen Nachbarländern betraf. In dem Doppelbegriff von ‹Flucht und Vertreibung› verdichtet sich zudem der damit verbundene Verlust von Heimat und Territorien sowie die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge bzw. Vertriebenen in den vier Besatzungszonen und den beiden deutschen Teilstaaten.

Der Terminus Flucht und Vertreibung ist ein Sammelbegriff, der sich zur Bezeichnung der Zwangsmigration der Deutschen im Zuge des Zweiten Weltkrieges im deutschen Sprachraum durchgesetzt hat. Er vereint sowohl geografisch als auch temporär unterschiedliche historische Flucht- und Vertreibungs-Ereignisse.


Habsburger Monarchie/ Habsburger Kronland

Als "Habsburgermonarchie" wird die Gesamtheit aller habsburgischen Territorien bezeichnet, welche direkt von dem Adelsgeschlecht der Habsburger bis 1918 regiert wurden. Die Habsburger Monarchie wird auch als Vielvölkerstaat bezeichnet, sie bestand aus unterschiedlichen, prinzipiell voneinander unabhängigen Territorien, in denen verschiedene Ethnien und Glaubensgemeinschaften lebten. Die einzelnen Territorien werden als Habsburger Kronländer bezeichnet.


Judenheiten

Judenheiten bezeichnet verschiedene Ausprägungen jüdischen Glaubens in unterschiedlichen Regionen über Landesgrenzen hinweg. Der Begriff soll der Vorstellung einer homogenen Einheit von Juden und Jüdinnen entgegenwirken.


K.u.K.

Kaiserlich und Königlich. So wurden gemeinsame Einrichtungen der beiden Hälften der Österreich-Ungarischen Monarchie bezeichnet.


Molotow-Ribbentrop-Pakt

Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffsvertrag. Geschlossen 1939. Regelte die Aufteilung Osteuropas, des Baltikums und Nordosteuropas zwischen den Sowjets und dem Dritten Reich in einem geheimen Zusatzprotokoll.


Ghetto

Während im Mittelalter und in der Neuzeit in Europa Stadtteile, in denen die jüdische Bevölkerung lebte, als Ghettos bezeichnet wurden, wandelte sich die Bedeutung während der NS-Zeit. Im Zweiten Weltkrieg waren Ghettos abgeriegelte Stadtteile, in denen jüdische Personen zwangsweise festgehalten und unter prekären Bedingungen leben mussten. Diese Ghettos dienten dazu, die jüdische Bevölkerung von dort gesammelt in sogenannte Vernichtungslager zu deportieren.


Rote Armee

Als "Rote Armee" wird das Heer der Sowjetunion bezeichnet.


SS

Schutzstaffel. Die SS war eine nationalsozialistische Organisation die dem NS-Regime als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument diente. Sie leitete die Umsiedlung der Volksdeutschen


Transnistrien

Gemeint ist damit das Gouvernement Transnistrien, das von 1941 und 1944 zwischen den Flüssen Dnister und Südlicher Bug bestand. Auf diesem Territorium, das unter rumänischer Verwaltung stand, wurden während des Zweiten Weltkriegs mehrere Lager errichtet. Jüdische Personen wurden vor allem aus der Bukowina und aus Bessarabien dorthin deportiert. Zwei Drittel der Deportierten überlebten den Lageraufenthalt nicht, da man sie bewusst verhungern ließ oder ihnen medizinische Behandlungen vorenthielt. Lange Zeit wurde dieser Teil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in der Öffentlichkeit weniger beachtet, weshalb die Geschehnisse in Transnistrien als „vergessener Holocaust“ erst später bekannter wurden.


Volksdeutsche

"Volksdeutsche" werden Personen bezeichnet, die - vor dem zweiten Weltkrieg - als deutsche Volkszugehörige betrachtet wurden, aber außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches lebten. Der Begriff ist mit der "völkischen" Ideologie des Nationalsozialismus konnotiert.


 

 

 

  • Amos, Heike: Die Vertriebenenpolitik der SED 1949 bis 1990, München 2009.
  • German, Arkadij Adolʹfovič: Die Republik der Wolgadeutschen 1924-1941. Nürnberg 2021.
  • Bath, Matthias: Danebrog gegen Hakenkreuz. Widerstand in Dänemark 1940–1945, Neumünster 2011.
  • Beer, Mathias (Hrsg.): Krieg und Zwangsmigration in Südosteuropa 1940-1950. Pläne, Umsetzung, Folgen. Stuttgart 2019.
  • Benz, Wolfgang: Holocaust an der Peripherie. Judenpolitik und Judenmord in Rumänien und Transnistrien 1940-1944, Berlin 2009.
  • Bruder, Franziska: "Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben!" die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) 1929 – 1948, Berlin 2007.
  • Fisher, Gaelle: Resettlers and Survivors. Bukovina and the politics of belonging in West Germany and Israel, 1945-1989, Oxford 2020.
  • Franke, Arne: Kleine Kulturgeschichte der schlesischen Schlösser. 150 Adelssitze im Portrait, Band 1 Niederschlesien, Görlitz 2015.
  • Glass, Hildrun: Deutschland und die Verfolgung der Juden im rumänischen Machtbereich 1940-1944, München 2014.
  • Hausleitner, Mariana: Selbstbehauptung gegen staatliche Zwangsmaßnahmen. Juden und Deutsche in Rumänien seit 1830 (Forum Rumänien, Band 42), Berlin 2021.
  • Hausleitner, Mariana: "Viel Mischmasch mitgenommen": Die Umsiedlungen aus der Bukowina 1940. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen, Berlin/Boston 2018.
  • Kettenacker, Lothar: Nationalsozialistische Volkstumspolitik im Elsass, Stuttgart 1973.
  • Kossert, Andres: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, München 2008.
  • Krauss, Marita: Integration. Vertriebene in den deutschen Ländern nach 1945, Göttingen 2008.
  • Maršálek, Hans: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation, Wien 2006.
  • Milata, Paul: Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu Rumäniendeutsche in der Waffen-SS, Bonn 2019.
  • Miron, Guy: The Yad Vashem. Encyclopedia of the Ghettos during the Holocaust, Jerusalem 2009.
  • Mommsen, Hans: Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa, Göttingen 2014.
  • Müller, Lorenz Frank: Die Revolution von 1848/49. In: Bundeszentrale für politische Bildung, 2023. URL: https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/revolution-1848-1849/517884/die-revolutionen-von-1848-49/ (aufgerufen am 20.02.2024)
  • Osatschuk, Gergij: Das Deutsche Haus in Czernowitz – Mittelpunkt des national-kulturellen Lebens der Bukowina-Deutschen; in: „Hundert Jahre ‚Deutsches Haus‘ in Czwernowitz, Wien 2010.
  • Reese, Dagmar: Die BDM-Generation, Berlin 2007.
  • Röger, Maren; Weidle, Alexander (Hrsg.): Bukowina-Deutsche. Erfindungen, Erfahrungen und Erzählungen einer (imaginierten) Gemeinschaft seit 1775 (Danubiana Carpathica, Band 10), Berlin/Boston 2020.
  • Scherzer, Veit: Das Auszeichnungssystem der Wehrmacht, Bayreuth 2015.
  • Scholz, Stephan: „Opferdunst vernebelt die Verhältnisse“ – religiöse Motive in bundesdeutschen Gedenkorten der Flucht und Vertreibung, in: Schweizerische Zeitung für Religions- und Kulturgeschichte, 2008, 102, S. 287-313, hier S. 289.
  • Schulze Wessel, Martin: Der Prager Frühling, Ditzingen 2018.
  • Stadtrechter, Markus: Intersektionalität als Ansatz in der Vertriebenenforschung, in: Gender und Diversität. Que(e)r durch alle Disziplinen, 2019, S. 49-61.
  • Stickler, Matthias: Vertriebenenintegration in Österreich und Deutschland – ein Vergleich, in: Verschiedene europäische Wege im Vergleich. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland 1945/49 bis zur Gegenwart. Festschrift für Rolf Steininger zum 65. Geburtstag. Hg. von Michael Gehler und Ingrid Böhler. Innsbruck 2007, S. 416-435.
  • Thompson, Keith Martin: Codreanu and the iron guard, London 2010.
  • Trnka, Vera: In den Grauzonen der Geschichte. Der Prager Kinderarzt Berthold Epstein (1890–1962), Leipzig 2022.
  • Überegger, Oswald: „Verbrannte Erde“ und „baumelnde Gehenkte“. Zur europäischen Dimension militärischer Normübertretungen im Ersten Weltkrieg, In: Neitzel, Sönke/Hohrath, Daniel (Hrsg.): Kriegsgreuel. Die Entgrenzung der Gewalt in kriegerischen Konflikten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Paderborn/München/Wien/et al. 2008, 241-278.
  • Ungureanu, Constantin: Atlasul etno-lingvistic şi confesional al Bucovinei (1774-2002), Suceava 2018.
  • Ulrich, Bernd: Stalingrad, München 2015.
  • Wagner, Rudolf: Die Revolutionsjahre 1848/49 im Königreich Galizien-Lodomerien
  • Winkler, Markus: Emigration oder Verbleib. Juden in Czernowitz nach 1944, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Exodus. Die Juden Europas nach dem Holocaust, Berlin 2017, S. 135-147.
  • Wolf, Gruner: ˜Dieœ Judenverfolgung im Protektorat Böhmen und Mähren, Göttingen 2016.
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  • Röhr, Werner: September 1938. Die Sudetendeutsche Partei und ihr Freikorps, Berlin 2008.
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  • Ohne Autor: Vor 75 Jahren: Ausreiseverbot für Juden. In: Bundeszentrale für politische Bildung, 2016. URL: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/235829/vor-75-jahren-ausreiseverbot-fuer-juden/ (aufgerufen am 20.02.2024)

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