Seit April 2021 werden an der Universität Augsburg die aktuellen Entwicklungen des sog. Kleinen Faches Musiktherapie in einem europaweit einzigartigen und von der VW-Stiftung großzügig mit € 944.500 finanzierten Projekt gefördert. Initiatorin war die ehemalige Leiterin des Studien- und Forschungsbereiches Musiktherapie, Prof. Dr. Susanne Metzner. Zusammen mit ihren beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen kooperiert sie mit der Medizinischen Fakultät und dem Universitätsklinikum in Forschung, Lehre und klinischer Praxis. 

Ziel des insgesamt 4-jährigen Projektes ist, das Fach Musiktherapie in der Augsburger Universitätsmedizin  strukturell zu verankern - in der Forschung, der Lehre und der klinischen Praxis. Es geht darum, interdisziplinär zusammenzuarbeiten und einen Beitrag zur medizinischen Versorgung überall dort zu leisten, wo psychosoziale Faktoren auf den Krankheitsverlauf, den Genesungsprozess oder die Krankheitsbewältigung Einfluss haben, z.B. bei chronischen Erkrankungen, langwierigen Therapieverläufen oder belastenden Nebenwirkungen der medizinischen Behandlung. 

Auf der Grundlage eines bio-psycho-sozialen Krankheitsverständnisses wird Musiktherapie als personalisiertes, nicht-medikamentöses, nebenwirkungsfreies Angebot in multimodale Behandlungskonzeptionen integriert. Darüberhinaus werden für die medizinische Versorgung auch völlig neue musiktherapeutische Interventionsformen entwickelt und beforscht, die dazu beitragen, die negativen Begleiterscheinungen von schweren Krankheiten wie Angst, Schmerz und Depression zu lindern.

 

Den Student*innen der Humanmedizin werden Lehrangebote unterbreitet, in denen sie Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten von Musik in der Medizin vermittelt bekommen. In praktischen Übungen am Leopold-Mozart-Zentrum können sie darüberhinaus auch eigene Erfahrungen mit der Musiktherapie sammeln. Als Bestandteil von AMYGDALA werden auch Fortbildungsangebote für das medizinische Personal entwickelt.

Das innovative Potenzial von Musiktherapie in der Medizin resultiert daraus, dass sie zwischen unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen navigieren kann. So wird in der sog. MusikMedizin das Medium Musik das eine Mal funktional als ein Non-Pharmakon eingesetzt, um (neuro-)physiologische oder endokrinologische Wirkungen zu erzielen. Das andere Mal ist Musik eher ein subjektiver Wahrnehmungsgegenstand, mit dem musik(psycho-)therapeutische Prozesse angestoßen und Ressourcen zur Krankheitsbewältigung sowie Selbstheilungskräfte geweckt werden können. 

AMYGDALA ist das Akronym für: Associating music-therapy's progress and medical research. Dieser Begriff wurde für das Projekt ganz bewusst gewählt. Denn bei der Amygdala handelt es sich um ein Hirnareal, das eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen oder der Einschätzung sozialer Situationen spielt und Fehlfunktionen bei verschiedenen Krankheitsbildern aufweist. 

Seit Beginn des Projektes Amygdala konnten zahlreiche Veröffentlichungen erzielt werden. Eine vollständige Liste der Publikationen und Vorträge finden Sie .

Laufende Forschungsprojekte  

 

 

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TRIO - Musiktherapie bei EndomeTRIOse  

Endometriose ist eine chronische Schmerzerkrankung, von der überwiegend Frauen betroffen sind. Neben der medizinischen Behandlung gibt es nur wenige Therapieangebote, die den Umgang mit dem Schmerz im Alltag und die Auswirkungen der Erkrankung auf das Selbstbild, auf Partnerschaft und Familie und/oder auf den Arbeitsplatz einbeziehen. Da Musiktherapie bereits bei anderen chronischen Schmerzerkrankungen erfolgreich Anwendung findet, wird derzeit in Kooperation mit dem Universitätsklinikum ein ambulantes Nachsorge-Angebot nach OP entwickelt, und zwar im Sinne eines partizipativen Forschungsansatzes nicht nur für die Patientinnen, sondern auch mit ihnen. Nähere Informationen finden Sie 

 

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VIMUD - Vibroakustische Musiktherapie bei postoperativem Delir auf der Intensivstation

Nach einem chirurgischen Eingriff kann sich innerhalb von kurzer Zeit ein Postoperatives Delir (POD) entwickeln. Diese oft schwerwiegende Komplikation tritt bei rund einem Drittel der älteren Patient*innen (> 70 J.) auf. Sie betrifft u.a. das Bewusstsein, die Aufmerksamkeit und Orientierung in Zeit und Raum, geht mit Angst und Schmerz einher und ist pharmakologisch nur sehr begrenzt zu beeinflussen. Das Projekt VIMUD in der Klinik für Anästhesiologie und operativer Intensivmedizin geht der Frage nach, ob der Einsatz von Musik hilfreich sein könnte, die Schwere oder Dauer eines POD zu verkürzen. Nachdem zunächst eine spezielle Musiktherapieintervention entwickelt und klinisch angewendet wurde, wird sie im Rahmen einer randomisiert kontrollierten Studie im Hinblick auf Wirksamkeit geprüft. Nähere Informationen finden Sie

 

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MGRB - Musiktherapie gegen Stress

Weltweit gibt es Bemühungen, in medizinischen Anwendungsfeldern, Ängste und Schmerzen mit Hilfe von Musik zu reduzieren. Wie die Forschungslage zeigt, werden den Patient*innen meist Musikstücke oder Playlists zur eigenen Auswahl per Kopfhörer angeboten. Im Rahmen von AMYGDALA hingegen wird ein anderer Weg beschritten: statt passiv Musik zu hören, werden die Patient*innen mit Hilfe einer speziell komponierten Musik angeregt, aktiv ihren Atemrhythmus zu verlangsamen. Dies wirkt sich auf die Regulation des autonomen Nervensystems aus, wodurch Anspannung und Stress reduziert werden können.

Veröffentlichung: Metzner, S., Fuchs, D., von der Nahmer, P.M. (2024): Music-guided resonance breathing. Development und testing of a music therapy intervention for pre- or perioperative stress reduction. The Arts in Psychotherapy (under review).

 

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BASS-MR  - Beeinflussbarkeit von Angst und Schmerz bei einer Schlingenkonisation der Zervix uteri

Eine Schlingenkonisation der Zervix Uteri unter Teilnarkose geht für die Patientinnen mit erhöhtem Angst- und Stresserleben einher. Um die im Rahmen von AMYGDALA entwickelte Musik-Intervention Music-Guided Resonance Breathing (MGRB) klinisch zu prüfen, wurde eine randomisiert-kontrollierte Pilotstudie an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe durchgeführt. Die Datenerhebung unter naturalistischen Bedingungen beinhaltete subjektive und objektive Messungen. Berechnungen zeigen eine signifikante Reduktion des Angsterlebens sowie des Cortisolspiegels bei der Interventionsgruppe im Vergleich zu TAU.

Veröffentlichung: Metzner et al. (2024): Influence of preoperative Music-guided Resonance Breathing on Anxiety and Stress during Loop Conisation of the Cervix Uteri. Musik and Medicine (under review).

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MUSIAS - Musikgeleitete Imagination und Digitaler Sprachassistent

MUSIAS ist ein Kooperationsprojekt mit der Otto-von-Guericke-Universität Augsburg zur Entwicklung und Überprüfung einer digital gestützten Musikintervention zur ambulanten Nachsorge oder Überbrückung von Therapiepausen. Nach der psychologischen und technischen Entwicklung eines modularisierten Skills zur Musik-Imagination ging das interdisziplinäre Team in einer Mixed-Method-Studie im randomisierten Crossover-Design mit gesunden Proband*innen der Forschungsfrage nach: Wie erleben gesunde Proband*innen eine interaktive musikgeleitete Imagination durch einen digitalen Sprachassistent im Vergleich zur nicht interaktiven Anleitung? Die Antworten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. (Veröffentlichung in Vorbereitung)

 


 

Klinische Projekte  

 

Im Projekt AMYGDALA wurden neben den Forschungsprojekten auch klinische Projekte entwickelt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Musik im medizinischen Kontext nicht als ein Non-Pharmakon im Sinne der MusikMedizin eingesetzt wird, sondern dass sie musiktherapeutisch als ein Medium für Ausdruck, Achtsamkeit, emotionales Erleben und Verbindung zu sich selbst, anderen Menschen und zur umgebenden Welt eingesetzt wird. Dem zugrunde liegt ein bio-psycho-soziales Krankheits- und Behandlungs-

verständnis.

 

 

 

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MusKiS - Musiktherapie für Kinder und Eltern bei Strahlenbehandlung

An der Klinik für Strahlenmedizin des UKA werden auch Kinder mit Tumorerkrankungen behandelt. Wenn Kinder unter 8 Jahren besonders unruhig sind, wird eine Vollnarkose veranlasst, damit der Tumor punktgenau und effektiv bestrahlt werden kann. Um die Eltern-Kind-Beziehung von Ängsten und Sorgen zu entlasten wurde MusKiS entwickelt. Einerseits wird einem begleitenden Elternteil achtsamkeitsbasierte Musiktherapie angeboten. Andererseits wird eine Audioaufnahme von einem individuell für das Kind gesungenen Lied oder einer aufgesprochenen Geschichte angefertigt, die dann während der Bestrahlung abgespielt wird. Die Veröffentlichung des Projektes befindet sich in Vorbereitung. Eine Fortsetzung des Projektes wird möglich, sobald  Personal dafür zur Verfügung steht.

 

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KALLIOPE - Musik auf der Palliativstation für Patient*innen und ihre Angehörigen

Die palliativmedizinische Behandlung unheilbar erkrankter Patient*innen umfasst auch die Mitbetreuung ihrer Angehörigen. Die medizinischen und psychoonkologischen Maßnahmen werden in KALLIOPE durch eine musikbasierte Intervention ergänzt, die sich auf die Beziehungssituation zwischen Patient*innen und ihre Angehörigen richtet. Diese ist sehr häufig von Verlusterleben und Hoffnung, aber auch von Unsicherheit geprägt und bedarf der unaufdringlichen und feinfühligen Begleitung von außen. Mithilfe des sog. SoundPad®, einem dünnen Holzbrett mit zwei kleinen Lautsprechern, wird Musik abgespielt, die der/die Patient*in und der/die Angehörige gemeinsam auditiv und zugleich vibratorisch wahrnehmen können. Diese Art kann vom Nicht-sprechen-Können entlasten und den gemeinsamen Fantasien oder Erinnerungen Raum geben. Die Projektkonzeption wurde auf (inter-)nationalen Kongressen der Fachöffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Eine Fortsetzung des Projektes ist geplant. 

 

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Musik im Rahmen integrierter Traumatologie im Alter

Das Musikangebot zur Guten Nacht für Patient*innen auf der sog. VITA-Station des Universitätsklinikums bildete den Brückenschlag zwischen Medizin und künstlerischer Ausbildung am Leopold-Mozart College of Music, indem den behandelten Patient*innen Live-Musik vorgespielt wurde. Davon ausgehend wurde der Bedarf erkannt, ein musiktherapeutisches Angebot auch für delirante oder demente Patient*innen zu implementieren. Das Projekt wurde in Form einer Bachelor-Thesis dokumentiert.

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